Bregenz: „Hoffmanns Erzählungen“

Jacques Offenbach

23.7.15 Premiere

mit zu vielen Strapsen

Eine große Neudeutung zeigte der Regisseur Stefan Herheim nicht, aber ein nicht uninteressantes Puzzle der Teile des eigentlich unvollendeten Werks. Bis zur Pause war dies alles auch recht gelungen. Ein eindrucksvolles Vorspiel auf dem Theater, die Bühne beherrschend eine große „Hollywoodtreppe“, die sich dann öffnete und den Blick auf Luthers Weinkeller in Berlin freigab. Technisch alles ausgezeichnet und auch optisch sehr schön. Das wirklich geglückte Bühnenbild schuf Christof Hetzer. Nach einer kurzen technischen Panne ging es in das Physikalische Kabinett in Paris, also zu Olympia. Bis dahin war alles toll durchdacht und so ging man wirklich positiv eingestellt in die Pause. Danach wurden es dann allerdings der Strapse zu viel. Von Spalanzanis Haus, in dem noch zum Teil die Akteure auf der Bühne liegen, wechselte die Drehbühne zum Haus des Geigenbauers Crespel in München. Die Erscheinung der Mutter (diese ausnahmsweise nicht in Strapsen !) war wieder auf der Hollywoodtreppe und sah wie Marylin Monroe aus.

Nach Antonias Tod bestieg der Diener Franz eine Gondel und ruderte mit der Schreibefeder des Komponisten Offenbach zu Fragmente eines Liebestodes in Venedig. Giuliettaakt ohne Schlehmil und ohne Pitichinaccio. Dem Ende entgegen drehte sich noch einmal die Bühne, die Treppe schloss sich wieder zum Nachspiel auf dem Theater. Optisch, wie schon erwähnt, vom Bühnenbild prächtig, die Kostüme von Esther Bialas waren teilweise sehr schön, besonders gut getroffen die Dienerrollen Andres, Cochenille und Frantz, alle in der gleichen Maske als Jacques Offenbach. Die Damenrollen, wenn deren Darstellerinnen nicht gerade in Mieder und Strapsen haherkamen, präsentierten sich im Einheits-Hollywood-Look (blonde Perücke und Silber-Fummel-Flitter). Auch die Chorsänger, Damen und Herren abwechselnd Frack, Strapse und Mieder. sind von der Maske einheitlich als Hofmann-Klone angelegt. Sehr gut vom Kostüm gelungen waren die Gruppen bei Spalanzani als hopsende Marionetten.

Die Beleuchtung von Phoenix alias Andreas Hofer war allererste Klasse.

Gesungen wurde insgesamt gesprochen wirklich gut, wobei die Damenrollen ordentlich durchgemischt wurden. So gab es je zwei Giuliettas, Olympias und Antonias. Die Mutter/Stimme aus dem Grab und Muse-Niklas waren einer Sängerinanvertraut. Als Hoffmann hört man den jungen Schweden Daniel Johansson. Eine sehr geglückte Wahl für diese Rolle und diese doch leicht ungewöhnliche Regie. Die Stimme ist wirklich klangschön, sehr tragfähig und der Künstler kann auch prächtig phrasieren. Auch er musste bei Antonia Mieder und Strapse tragen. Sein Gegenpol war der großartige Michael Volle. Eine wunderbar volle schöne Stimme mit viel Ausdrucksstärke. Seine große Arie war sicher der Höhepunkt des Abends. Er war nicht nur in den vier Bösewichtpartien zu hören, sondern auch mit Schürze als Wirt Luther.

Eine Studie zwischen Einstein und Professor Ambrosius (Tanz der Vampire) war Bengt–Ola Morgny als Spalanzani. Einfach großartig. Christophe Mortagne war der Offenbach in den drei Dienerpartien, auch gesanglich mit dem Lied des Frantz wirklich sehr geglückt. Als Giulietta mit hohen Tönen hörte man die Olympia der großen Arie Kerstin Avemo. Eine wahre Meisterin der Koloratur, die auch während ihrer halsbrecherischen Kadenzen noch ein tolles Spieltalent zur Schau stellt. Mandy Fredrich war Antonia und Giulietta. Ihre Antonia war hervorragend mit viel lyrischen Phrasen wunderbar gesungen, warum man ihr so ein unvorteilhaftes Kostüm antun musste, Mieder und Strapse ? Ein Negligé drüber wäre sehr angebracht. Rachel Frenkel von der Wiener Staatsoper war Niklas/Muse und Antonias Mutter mit schönem Mezzo im Anzug und Glitterkostüm.

Ketil Hugaas war ein schönstimmiger Crespel, Nathanael, Hermann und Wilhelm waren Hoel Troadec, Josef Kovacic und Petr Svoboda. Stella war Pär Pelle Karlsson, natürlich gestrapst.

Für eine sehr gute musikalische Umsetzung sorgte am Pult Johannes Debus und leitete gut durch dieses Puzzle, in dem man sich nie so ganz auskannte. Warum Schlehmil gestrichen wurde, verstehe ich nicht, ist diese Szene doch nahezu das Kernstück des Giuliettabildes.

Der Prager Chor sang wunderbar und stimmstark unter Lukas Vasilek. Das Festspielorchester, wieder die Wiener Symphoniker lieferten bemerkenswerte Klangschönheit.

Elena Habermann 24.7.15

Bilder: Karl Forster

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