Halle: „Die Fledermaus“

Knastbrüder auf dem Ball

Als eine „Politsatire“ kündigte AXEL KÖHLER seine Neuinszenierung der FLEDERMAUS von Johann Strauß an der Oper Halle an, und in der Tat gibt es in seiner gemeinsam mit dem Dramaturgen André Meyer erstellten neuen Dialogfassung eine Menge von Querverweisen und Anspielungen zu aktuellem politischem Geschehen sowie Bezüge auf lokale Besonderheiten der Saale-Stadt. Da ist die Rede von bankrotten Banken und leeren Stadtkassen in den Zeiten der Finanzkrise, von Korruption und Stasi-Vergangenheit, der Sucht nach politischen Karrieren und selbst der Bundespräsident findet Erwähnung. All das ist ungemein witzig und pointiert erdacht und wird vom Ensemble mit leichter Hand und ironischem Augenzwinkern serviert. FRANK PHILIPP SCHLÖßMANN bringt bekannte Hallenser Sehenswürdigkeiten auf seine Bühne von großem Schauwert – die Marktkirche in Feiningers weltberühmter Gemäldedarstellung, auf welche der Blick aus dem runden Fenster von Eisensteins Wohnung mit groß gemusterter Tapete aus Rosenblüten und floralem Dekor in Schwarz/Weiß fällt, oder das Händel-Denkmal vom Marktplatz, das sich – wie Palmen und Mobiliar – ganz aus glitzerndem Salz auf einer Party wieder findet, die bei der Firma „Halunken-Siedesalz“ veranstaltet wird. Organisiert hat diesen zynischen Spaß Dr. Falke, was Köhler vor der Ouvertüre zeigt, wo der Rechtsanwalt den Strafvollzugsbeamten Frosch mit einem Geldbündel besticht, die Gefängnisinsassen für eine Nacht ausleihen zu dürfen und aus dem Fundus des Opernhauses als Partygäste einkleiden zu lassen, um sich an Eisenstein zu rächen, der ihn einst nach einer durchzechten Ballnacht im Kostüm einer Fledermaus vor dem Händel-Standbild dem Spott der Bürger und der Boulevardpresse überlassen hatte.

Copyright: Oper Halle

Dass die Hallenser Justizvollzugsanstalt im Volksmund den Namen „Schwarzer Büffel“ trägt, brachte Schlößmann auf den amüsanten Einfall, das Stier-Logo des berühmten Jerez der Firma Osborne in seine Bühnengestaltung einzubauen – man sieht die Silhouette des Tieres auf der schwarzen Gefängnismauer, auf der mausgrauen Kleidung der Sträflinge, schließlich als Skulptur und Wandbild aus Backsteinen im Büro des Gefängnisdirektors. Zur opulenten Ausstattung tragen auch HENRIKE BROMBERs dekadent-bunte und phantasievolle Kostüme bei, die gele- gentlich sogar auf den Charakter der Personen Bezug nehmen. So spricht Rosalindes Kleidung im Raubtierlook für das Wesen dieser nymphomanischen Frau, die sich wie eine Wildkatze auf den schmucken jungen Tenor Alfred Kleinholz stürzt, der als Mitglied des städtischen Opernhauses sein geringes Honorar als Nacktfensterputzer aufbessern muss. ROMELIA LICHTENSTEIN mit ihrem sinnlich-dunklen, zum Dramatischen tendierenden Sopran, ihrem herrlich ironischen Pathos, dem stürmischen Temperament, der augenrollenden Mimik und MICHAEL SMALLWOOD mit schmelzreichem lyrischem Tenor sowie Charme und körperlicher Attraktivität im Auftritt bieten hier eine hinreißende Nummer. Auf diesem Niveau singt und spielt auch GERD VOGEL als eleganter Eisenstein zwischen Grandseigneur und aufstrebendem Politiker mit klangvollem, auftrumpfendem Bariton und eloquentem Dialog. Eine kesse Göre ist MARIE FRIEDERIKE SCHÖDER als blonde Adele in T-Shirt und Kittelschürze, die gleich im ersten Auftritt ihre Koloraturen mit einem Spagat krönt, die Partie beherzt angeht und dabei mit der Intonation gelegentlich etwas frei verfährt. Immerhin schmückt sie ihr erstes Couplet mit einigen stratosphärischen staccati, und wirklich bra- vourös singt sie die „Unschuld vom Lande“. Als tätowiertes Zwitterwesen in schwarzem Glitzerfrack und silberner Metallic-Hose erscheint SANDRA MAXHEIMER als Orlofsky mit angenehmem, in der Höhe etwas spitzem Mezzo. ASGEIR PALL AGUSTSSONs sympathischer Dr.Falke leidet zuweilen an Textunverständlichkeit und holprigem Gesang, während KI-HYUN PARK als Gefängnisdirektor Kim (Frank) nicht nur mit einer Slapstick-Einlage, sondern auch mit wohltönender Stimme gefällt. Schließlich gibt der in Halle bestens bekannte Schauspieler REINHARD STRAUBE einen liebenswerten Frosch, der als einstiger Stasi-IM mit seinen witzigen Kommentaren immer wieder lachen macht. Sie alle und der Chor der Oper Halle (Einstudierung: JENS PETEREIT) werden von ANDREAS HENNING am Pult der Staatskapelle Halle zu schmissigem Gesang und flottem Tempo, aber auch der nötigen Walzerseligkeit inspiriert. Der Dirigent sorgt schon in der Ouvertüre für Schwung und Esprit, raffinierte ritardanti und einen rasanten finalen Wirbel. So war es eine glänzende Idee, Strauß’ Polka „Unter Donner und Blitz“ als Einlage zwischen dem 1. und 2.Akt zu spielen, bei der die Gefangenen zunächst an der Gefängnismauer bei der Morgengymnastik zu sehen sind und sich danach vom Kleiderständer ein Kostüm für die abendliche Party auswählen. Die flotte Choreografie dazu erdachte HELMUT NEUMANN. All das hat Tempo und mitreißenden Drive, ist höchst vergnüglich und garan- tiert einen stimmungsvollen Abend im Opernhaus.

Bernd Hoppe