Premiere: 08.12.2018
Humor ist eine Frage des Geschmacks
Kurz vor dem Jahrsende fand in Duisburg die einzige wirkliche Opernpremiere dieser Spielzeit statt, bei der die Produktion nicht bereits zuvor in Düsseldorf, bzw. wie im Fall der Familienoper „Geisterritter“ in Bonn, zu sehen war. Hierbei setzt man bei der Deutschen Oper am Rhein auf einen echten Klassiker. Die Fledermaus von Johann Strauss (Sohn) wird auch heute noch oftmals als seine „Meisteroperette“ bezeichnet und dies obwohl die Handlung mehr auf haarsträubenden Unsinn statt auf Dramatik setzt. Aber vielleicht liegt auch gerade hier der Erfolg, den das Werk auch nach mehr als 140 Jahren nach seiner Uraufführung am 05. April 1874 im Theater an der Wien noch heute feiert. Kombiniert mit der wunderbaren Musik darf der Zuschauer für gut drei Stunden abtauchen in eine leichte, unterhaltsame Geschichte und die Sorgen des Alltags hinter sich lassen.
Dies nutzt auch Regisseur Axel Köhler, der in seiner Inszenierung sehr großes Augenmerk auf eben jenen Unterhaltungswert legt und hierbei oftmals auch in starken Klamauk abdriftet. Angereichert mit einigem Lokalkolorit gelingt es mal besser und mal etwas weniger gut. So wird aus Gabriel von Eisenstein ein Duisburger Lokalpolitiker, der durch entsprechendes Zutun von Dr. Falke schnell Freude an dem Gedanken findet, in Duisburg die verwogene Idee eines Raketenbahnhofs für den zukünftig boomenden Weltraumtourismus umzusetzen, was ihm der steinreiche und exzentrische russische Prinz Orlofsky anbietet. Ganz der Politiker der, mehr Schein als Sein, im Blitzlichtgewitter glänzen will ist Gabriel von Eisenstein schnell überzeugt. Insbesondere im dritten Akt beim großen Monolog des Gefängniswärters Frosch jagt ein Wortspiel das nächste. Wie es beim Humor nun oftmals eine Frage des Geschmacks ist, gibt es immer wieder Szenen bei denen man in sich gekehrt den Kopf schüttelt und sich fragt, ob es noch platter geht, während sich andere Zuschauer königlich amüsieren.
Festzuhalten bleibt aber, dass trotz aller vorhandener Slapstik, der Regieansatz gut und konsequent beibehalten wird. Sehr nett auch die Idee, dass man Dr. Falke bei den Vorbereitungen seines Racheplans von Anfang an begleitet. So hat der Frosch seinen ersten Auftritt in dieser Inszenierung nicht erst im dritten Akt, sondern gleich zu Beginn der Operette. Dr. Falke besucht ihn noch vor Beginn der Ouvertüre in der „Justizvollzugsanstalt NRW“, um ihn mittels einer kleinen Motivationshilfe in Form einiger Geldscheine für seinen Plan zu gewinnen. Kurz danach sucht sich der Rechtsanwalt aus einer Reihe Prostituierter seine Darstellerin für die Rolle des Prinzen Orlofsky aus. Vor Beginn des zweiten Aktes schafft es Dr. Falke sogar, allen Inhaftierten einen Freigang zu spendieren, um genug feiernde Leute bei der rauschenden Party des zweiten Akts vorweisen zu können.
Für all dies benötigt man ein spielfreudiges Ensemble, was man hier in Duisburg als großes Plus dieser Produktion verbuchen darf. Alle Darsteller überzeugen in ihren Rollen, auch dank einer detaillierten Personenführung der Regie. Egal ob Norbert Ernst als Gabriel von Eisenstein, Anke Krabbe als seine Frau Rosalinde, Thorsten Grümbel als Gefängnisdirektor Frank, Kay Stiefermann als Dr. Falke, Ovidiu Purcel als Alfred, Kimberley Boettger-Soller als Prinz Orlofsky oder Maria Perlt als Putzfrau Adele, allesamt sind voller Spielfreude dabei und der Gesang ist in allen Bereichen ein Genuss für die Ohren. Auch die kleineren Rollen sind mit Florian Simson als Dr. Blind und Birte Hopstein als Ida hochklassig besetzt. Als Frosch glänzt Wolfgang Reinbacher, der vor wenigen Tagen seinen 80. Geburtstag feiern durfte. Mit seinem österreichischen Charme und Witz in der Stimme eine sehr gelungene Besetzung dieser Rolle. Die Duisburger Philharmoniker spielen unter der Leitung des gebürtigen Duisburgers Benjamin Reiners die Operette wie man es sich wünscht. Hier dürfen sich die Kieler Opernfreunde in der kommenden Spielzeit auf einen sehr talentierten Generalmusikdirektor freuen.
Hinzu kommt eine Bühne wie man sie in Duisburg zuletzt selten gesehen hat, es blinkt und glitzert an allen Ecken und Enden. Angesiedelt in zwei ineinander versetzten Bilderrahmen ist das Wohnzimmer der von Eisensteins bereits ein Hingucker, der im zweiten Akt beim großen Ball noch übertroffen wird. Wenn dann gegen Ende dieses Aktes die große Rakete startet, ahnt der Zuschauer noch nicht, dass genau diese Rakete in der Pause vor dem dritten Akt in das hierdurch zum Teil zerstörte Gefängnis stürzen wird. Neben der wirklich wunderbaren Bühne entwarf Frank Philipp Schlössmann auch die phantasievollen Kostüme. Und auch hier wird geklotzt und nicht gekleckert. Angesiedelt in der Gegenwart schöpft er aus der gesamten Breite von schlicht bis prunkvoll. Bravo. Das Lichtdesign von Volker Weinhart rundet das positive optische Gesamtbild ab.
Das Premierenpublikum bedankte sich mit langem und lautstarkem Beifall bei den Darstellern und beim Kreativteam. Trotz erwähnter leichter humoristischer „Grenzfälle“ ist es der Oper am Rhein mit dieser Operette gelungen, die inzwischen beispielhafte Operettentradition am Hause fortzusetzen. Ein Besuch lohnt sich.
Markus Lamers, 09.12.2018
Bilder © Hans Jörg Michel