Budapest: „Aida“

Aufführung 4.3.16

Premiere 8.4.2015

Aida in Gustav Klimt Ambiente

Immerhin ganze 22 Jahre wurde in Budapest die Inszenierung von Viktor Nagy aus dem Jahr 1993 in den historisierenden Bühnenbildern von Attila Csikós und ägyptisches Flair versprühenden Kostümen von Nelly Vágó samt der herzigen Choreographie von Antal Fodor für die Eleven des Ungarischen Staatsballetts gezeigt.

Im April 2015 hatte die neue Produktion von Aida in der Regie von János Mohácsi (geboren am 13. Dezember 1959) im Erkel Theater Premiere. Zunächst verfiel auch er der unseligen Sitte, die im Übrigen auch einem Wunsch des derzeitigen Direktors der Ungarischen Staatsoper, Szilveszter Ókovács, entsprach, die Ouvertüre choreographisch auszugestalten. Und da treten natürlich Touristen auf, die alles fotografieren und für die extra (zum Schein) eine Massenexekution vorgeführt wird. Mit ihren Filmkameras und weißen Schirmen wirkt das Ganze dann anachronistisch wie an einem Filmset. Und natürlich sind weder die nubische Sklavin Aida noch ihr Vater, der äthiopische König Amonasro, dunkelhäutig, denn das wäre ja in den Augen der Wächter und Wächterinnen des guten Anstands wohl politisch nicht korrekt. Zsolt Khell beschwört in seinen Bühnenbildern noch ägyptisches Flair, indem er zwei Säulen mit dem Totengott Seth, gleichzeitig Gott des Chaos, der Verwirrung und des Verderbens, symbolträchtig auf die Bühne stellt und zusätzlich die Wände mit altägyptischen Hieroglyphen verziert.

Die Kostüme von Kriszta Remete in schwarz mit Messingschmuck sind natürlich vom Jugendstil in der Art der Bilder von Gustav Klimt inspiriert. Für den Regisseur ist der Hintergrund von Aida bedeutsam. Es herrscht Krieg und so ziehen auch Verwundete und Gefangene über die Bühne. Ihre graue Kleidung, samt den Stiefeln und Helmen der Soldaten erinnern wiederum an den ersten Weltkrieg, in welchem der Sinai als Grenzgebiet zum osmanischen Palästina bis 1917 Kampfgebiet war. Die Äthiopier wiederum sind alle rot gekleidet. Um der Liebe zur äthiopischen Prinzessin Aida willen, muss der siegreiche Feldherr Radames schlussendlich im Kampf gegen ihren Vater Amonasro, fallen. Für Ägypten ist es ein Pyrrhussieg, er zerreißt die Familie des Pharao und die offenen bzw heimlichen Liebesbande zwischen Aida, Amneris und Radames. Aida ist aufgerieben zwischen ihrer Heimatliebe, ihrer Liebe zu ihrem Vater und ihrer Liebe zum ägyptischen Feldherrn Radames. Freilich siegt bei ihr die Vaterliebe und sie überredet Radames zum Verrat an seiner Heimat. Die Choreographie von Johanna Bodor ist diesem kämpferischen Duktus ebenfalls unterworfen.

Das Ballett führt Taekwondo Techniken aus und eine eigene Truppe junger Akrobaten und Jongleure brillieren mit perfekten Salti und flik flaks, wobei sich die tänzerischen Einlagen zur Marschmusik samt den sich über die Bühne schleppenden Invaliden etwas fragwürdig ausmachen. Sie führt aber auch die Opferung einer jungen, ganz in weiß gekleideten Frau, choreographisch vor. Und mit dem Blut der Toten bestreicht Amneris den siegreichen Radames. Die Grabkammer für Radames und Aida muss sich das Publikum vorstellen. Beide stehen auf einer dreistufigen Plattform, etwas abseits Amneris. Zwei unterschiedliche Scheinwerferspots bewirken die räumliche Trennung, sodass die Illusion des „Eingeschlossen Seins“ plausibel vermittelt wird. Nicht nur gesanglich, sondern auch darstellerisch wird die Figur der enttäuschten Amneris in das Zentrum des Interesses des Regisseurs gerückt. Und er fand darin in Ildikó Komlósi auch eine bemerkenswerte Sängerdarstellerin, sodass man die Oper auf Grund ihrer grandiosen Leistung eigentlich „Amneris“ nennen sollte. Ihre vokale Stärke liegt in einer dramatischen lupenreinen Höhe und starken Tiefe, während die Mittellage, mit wenigen Abstrichen, besonders tragfähig erklang. Sie vermag auch besonders gut die unterschiedlichen Empfindungen der Pharaonentochter zwischen sehnsuchtsvollem Liebesverlangen und enttäuschter Hoffnung, die schließlich in zerstörerischen Hass mündet, glaubwürdig zu vermitteln.

Da hatte es die Titelheldin Aida, gesungen von der jungen Bulgarin Radostina Nikolaeva, viel schwerer. Ihre Stärke lag zweifellos in den lyrischen Passagen gegen Ende der Oper. Ihrer Vortragsweise fehlte das erforderliche legato und manchmal hatte ich auch den Eindruck, dass ihre Einsätze etwas zu spät kamen. Ich bin freilich weder gesanglich übermäßig ausgebildet, noch Musikwissenschafter. Dafür hat meine Vita aber u.a. auch ein abgeschlossenes Studium der Theaterwissenschaft aufzuweisen. Der US-amerikanische Tenor Stuart Neill ist schon von seiner Statur her bühnenbeherrschend. Er hat die Partie des Radames bereits 2009 an der Mailänder Scala, später in der Arena di Verona, am Teatro Municipal in São Paolo sowie an der Opéra de Wallonie in Liège interpretiert. In Wien erinnert man sich natürlich noch an seinen Manrico in der Neuproduktion von il trivatore an der Volksoper in der Saison 2014/15.

Man merkte an diesem Abend allerdings die ungeheure Kraftanstrengung, mit der der Sänger den heroischen Feldherrn Radames in vokaler Hinsicht charakterisierte. Zu seiner Darstellung kann man nicht viel sagen, da er auf Grund seiner Körperfülle in der Bewegung doch etwas eingeschränkt schien. Als Amonasro glänzte Mihály Kálmándi mit seinem gut geführten Bariton. Neben Ildikó Komlósi bot er zweifellos die beste Leistung an diesem Abend. Zufriedenstellend István Kovács als Ägyptischer König und András Palerdi als Ramphis mit ihrem behäbigen Bässen. Melinda Heiter muss noch als Tempelsängerin mit ihrem eindrucksvollen Mezzosopran lobend erwähnt werden. Auch der Bote war bei Gergely Ujvári tenoral gut aufgehoben. Der Chor der Ungarischen Staatsoper unter seinem neuen Leiter Kálmán Strausz trug wesentlich zum Erfolg dieses Abends bei, fungierte aber überwiegend nur stehend. Tamás Pál, geboren 1937, einer der letzten Grandseigneurs des ungarischen Musiklebens, leitete versiert das Orchester der Ungarischen Staatsoper. Einziger Wermutstropfen, an dem er jedoch keine Schuld trägt, war, dass sich einer der Fanfarentrompeter bei seinem ersten Solo mit der sogenannten Aida-Trompete beim Triumphmarsch auf der Bühne hörbar verblies. Trotzdem ging von diesem Abend ein nachhaltige Wirkung auf das Publikum über, das begeistert applaudierte, vor allem Ildikó Komlósi und Mihály Kálmándi.

Budapest, Erkel Theater AIDA 4.3. (Premiere 8.4.2015) Aida in Gustav Klimt Ambiente

Immerhin ganze 22 Jahre wurde in Budapest die Inszenierung von Viktor Nagy aus dem Jahr 1993 in den historisierenden Bühnenbildern von Attila Csikós und ägyptisches Flair versprühenden Kostümen von Nelly Vágó samt der herzigen Choreographie von Antal Fodor für die Eleven des Ungarischen Staatsballetts gezeigt. Im April 2015 hatte die neue Produktion von Aida in der Regie von János Mohácsi (geboren am 13. Dezember 1959) im Erkel Theater Premiere. Zunächst verfiel auch er der unseligen Sitte, die im Übrigen auch einem Wunsch des derzeitigen Direktors der Ungarischen Staatsoper, Szilveszter Ókovács, entsprach, die Ouvertüre choreographisch auszugestalten. Und da treten natürlich Touristen auf, die alles fotografieren und für die extra (zum Schein) eine Massenexekution vorgeführt wird. Mit ihren Filmkameras und weißen Schirmen wirkt das Ganze dann anachronistisch wie an einem Filmset. Und natürlich sind weder die nubische Sklavin Aida noch ihr Vater, der äthiopische König Amonasro, dunkelhäutig, denn das wäre ja in den Augen der Wächter und Wächterinnen des guten Anstands wohl politisch nicht korrekt. Zsolt Khell beschwört in seinen Bühnenbildern noch ägyptisches Flair, indem er zwei Säulen mit dem Totengott Seth, gleichzeitig Gott des Chaos, der Verwirrung und des Verderbens, symbolträchtig auf die Bühne stellt und zusätzlich die Wände mit altägyptischen Hieroglyphen verziert. Die Kostüme von Kriszta Remete in schwarz mit Messingschmuck sind natürlich vom Jugendstil in der Art der Bilder von Gustav Klimt inspiriert. Für den Regisseur ist der Hintergrund von Aida bedeutsam. Es herrscht Krieg und so ziehen auch Verwundete und Gefangene über die Bühne. Ihre graue Kleidung, samt den Stiefeln und Helmen der Soldaten erinnern wiederum an den ersten Weltkrieg, in welchem der Sinai als Grenzgebiet zum osmanischen Palästina bis 1917 Kampfgebiet war. Die Äthiopier wiederum sind alle rot gekleidet. Um der Liebe zur äthiopischen Prinzessin Aida willen, muss der siegreiche Feldherr Radames schlussendlich im Kampf gegen ihren Vater Amonasro, fallen. Für Ägypten ist es ein Pyrrhussieg, er zerreißt die Familie des Pharao und die offenen bzw heimlichen Liebesbande zwischen Aida, Amneris und Radames. Aida ist aufgerieben zwischen ihrer Heimatliebe, ihrer Liebe zu ihrem Vater und ihrer Liebe zum ägyptischen Feldherrn Radames. Freilich siegt bei ihr die Vaterliebe und sie überredet Radames zum Verrat an seiner Heimat. Die Choreographie von Johanna Bodor ist diesem kämpferischen Duktus ebenfalls unterworfen. Das Ballett führt Taekwondo Techniken aus und eine eigene Truppe junger Akrobaten und Jongleure brillieren mit perfekten Salti und flik flaks, wobei sich die tänzerischen Einlagen zur Marschmusik samt den sich über die Bühne schleppenden Invaliden etwas fragwürdig ausmachen. Sie führt aber auch die Opferung einer jungen, ganz in weiß gekleideten Frau, choreographisch vor. Und mit dem Blut der Toten bestreicht Amneris den siegreichen Radames. Die Grabkammer für Radames und Aida muss sich das Publikum vorstellen. Beide stehen auf einer dreistufigen Plattform, etwas abseits Amneris. Zwei unterschiedliche Scheinwerferspots bewirken die räumliche Trennung, sodass die Illusion des „Eingeschlossen Seins“ plausibel vermittelt wird. Nicht nur gesanglich, sondern auch darstellerisch wird die Figur der enttäuschten Amneris in das Zentrum des Interesses des Regisseurs gerückt. Und er fand darin in Ildikó Komlósi auch eine bemerkenswerte Sängerdarstellerin, sodass man die Oper auf Grund ihrer grandiosen Leistung eigentlich „Amneris“ nennen sollte. Ihre vokale Stärke liegt in einer dramatischen lupenreinen Höhe und starken Tiefe, während die Mittellage, mit wenigen Abstrichen, besonders tragfähig erklang. Sie vermag auch besonders gut die unterschiedlichen Empfindungen der Pharaonentochter zwischen sehnsuchtsvollem Liebesverlangen und enttäuschter Hoffnung, die schließlich in zerstörerischen Hass mündet, glaubwürdig zu vermitteln. Da hatte es die Titelheldin Aida, gesungen von der jungen Bulgarin Radostina Nikolaeva, viel schwerer. Ihre Stärke lag zweifellos in den lyrischen Passagen gegen Ende der Oper. Ihrer Vortragsweise fehlte das erforderliche legato und manchmal hatte ich auch den Eindruck, dass ihre Einsätze etwas zu spät kamen. Ich bin freilich weder gesanglich übermäßig ausgebildet, noch Musikwissenschafter. Dafür hat meine Vita aber u.a. auch ein abgeschlossenes Studium der Theaterwissenschaft aufzuweisen. Der US-amerikanische Tenor Stuart Neill ist schon von seiner Statur her bühnenbeherrschend. Er hat die Partie des Radames bereits 2009 an der Mailänder Scala, später in der Arena di Verona, am Teatro Municipal in São Paolo sowie an der Opéra de Wallonie in Liège interpretiert. In Wien erinnert man sich natürlich noch an seinen Manrico in der Neuproduktion von il trivatore an der Volksoper in der Saison 2014/15. Man merkte an diesem Abend allerdings die ungeheure Kraftanstrengung, mit der der Sänger den heroischen Feldherrn Radames in vokaler Hinsicht charakterisierte. Zu seiner Darstellung kann man nicht viel sagen, da er auf Grund seiner Körperfülle in der Bewegung doch etwas eingeschränkt schien. Als Amonasro glänzte Mihály Kálmándi mit seinem gut geführten Bariton. Neben Ildikó Komlósi bot er zweifellos die beste Leistung an diesem Abend. Zufriedenstellend István Kovács als Ägyptischer König und András Palerdi als Ramphis mit ihrem behäbigen Bässen. Melinda Heiter muss noch als Tempelsängerin mit ihrem eindrucksvollen Mezzosopran lobend erwähnt werden. Auch der Bote war bei Gergely Ujvári tenoral gut aufgehoben. Der Chor der Ungarischen Staatsoper unter seinem neuen Leiter Kálmán Strausz trug wesentlich zum Erfolg dieses Abends bei, fungierte aber überwiegend nur stehend. Tamás Pál, geboren 1937, einer der letzten Grandseigneurs des ungarischen Musiklebens, leitete versiert das Orchester der Ungarischen Staatsoper. Einziger Wermutstropfen, an dem er jedoch keine Schuld trägt, war, dass sich einer der Fanfarentrompeter bei seinem ersten Solo mit der sogenannten Aida-Trompete beim Triumphmarsch auf der Bühne hörbar verblies. Trotzdem ging von diesem Abend ein nachhaltige Wirkung auf das Publikum über, das begeistert applaudierte, vor allem Ildikó Komlósi und Mihály Kálmándi.

Harald Lacina 8.3.16