Essen: „Le Grand Macabre“

Oper in vier Bildern
Libretto von Michael Meschke und György Ligeti
Frei nach Michel de Ghelderodes Schauspiel La Balade du Grand Macabre
Musik von György Ligeti

Premiere in Essen am 14.2.15

VIDEO

In György Ligetis selbst so benannter Anti-Anti-Oper LE GARND MACABRE (geschrieben 1974-78 / UA 1978 als Auftragswerk für die königlich schwedische Nationaloper) geht es darum auf absurde Art – also durch kabarettistische Einlagen, gelegentlich rüder Sexsymbolik, dadaistischer Wortspiele, hochdiffizile Koloraturen, aber auch ironische Orchestereinsätze (wie z.B. die Ouvertüren durch Autohupen und Fahrradklingeln in Toccataform) – Menschen die Angst vor dem Tod zu nehmen, indem er den Tod in persona des Nekrotzar lächerlich macht.

Dazu benutzt er alle möglichen bühnentechnischen Mittel der Darstellungskunst, des Gesangs und auch der Sprachverfremdung; gerade dafür ist es natürlich unabdingbar den skurrilen Text mit all seinen Blödsinnsvarianten und Wortverdrehungen auch mitlesen zu können; die heutigen Übertitelungsanlagen jedes Opernhauses machen dies natürlich dem Zuschauer sehr leicht, wenn man nicht gerade in den ersten Reihen sitzt.

Vielleicht hätte man für Teile des stellenweise immer noch (nach 50 Jahren!) schockierten Essener Premierenpublikums eine Warnung ausdrucken sollen:

Liebe Opernfreunde,

György Ligetis Oper "Le Grand Macabre" klingt nicht wie Mozart, Puccini oder Wagner! Hat auch damit überhaupt keine Ähnlichkeit. Es gibt keine Arien zum Mitsummen. Auch ist Einiges an 12-Ton-Musik vorhanden, sowie Klangexperimente und Ton-Kollagen die sie bisher wahrscheinlich noch nicht gehört haben. Vieles ist auch recht laut. Das alles klingt, außer in der Passacaglia, natürlich wenig harmonisch und ist harmoniebedürftigen Hörgewohnheiten erst einmal fremd.

Aber, verehrte Neuhörer, Ligeti wollte hiermit weder die Oper verarschen, noch das Publikum. Auch ist es keine Karnevalsoper, wie das Premierendatum vielleicht hätte suggerieren könnte. Ganz im Gegenteil zum Rheinischen Karneval funktioniert diese Humorvariante höchst subtil – eher schwarzhumorig im Monthy Pytonschem Sinne; und das Ganze ist musikalisch ausgesprochen differenziert und intelligent aufgebaut. Lassen Sie sich überraschen, denn das Ganze macht irren Spass, wenn man sich darauf einlässt. Bitte lassen Sie sich darauf ein, dann wird´s ein toller Abend.

Natürlich kann man darüber streiten, ob dieses alte Werk, welches eigentlich im Sog der Spät-68-er entstanden ist, heute noch jemanden hinter dem sprichwörtlichen Ofen hervorlockt. Ich sehe das auch etwas differenziert, denn das Stück ist weder eine LULU noch ein LEAR und die geniale Qualität von Zimmermanns SOLDATEN hat es lange nicht; alles zeitgenössische moderne Opern, die unabdingbar ins heutige 2015-er Repertoire eines subventionierten Opernhauses gehören.

Unstreitig ist aber die Tatsache, daß die Essener Umsetzung auf jeden Fall sehenswert ist. Schon allein wegen der "Salzburger Fassung", welche der Maestro 1997 auf gut rezipierbare 90 Minuten kürzte. Darüber hinaus ist die Regie von Mariame Clément (Ausstattung: Julia Hansen) ausgesprochen geglückt. Es sind nicht nur die fabelhaft disponierten Chöre (Ltg. Alexander Eberle), welche sich nach klassischer 80-er Jahre Regie, im ganzen Haus – incl. Auditorium tummeln, sondern man hat für die teilweise teuflisch schweren Sangestellen auch eine trefflich gute Sängerschaft zusammen getrommelt (Nähere Würdigung siehe unten von unserem Kollegen Christoph Zimmermann), die hochengagiert und auch mit Spaß und Freude ihre Rollen vertreten. Musiktheater vom Feinsten!

Warum Sie sich aber unbedingt das Stück anschauen sollten, ist die grandios perfekte musikalische 5-Sterne-Umsetzung unter der musikalischen Leitung von Diam Slobodeniouk.

P.S.

Egal was Ihnen ihre Theatergemeinde-Nachbarn erzählen – keine Angst! Keine Peepshow-Gefahr! Alle zu sehenden primären Geschlechtsorgane sind nicht echt!! Sie sind aus Kunststoff und ironisch verzerrt; ein durchaus karnevalistischer Effekt 😉

Peter Bilsing 16.2.15

Bilder: Aalto / Matthias Jung