Valle d’Itria: „Margherita d’Anjou“, Giacomo Meyerbeer

Aufführung am 29.7.17 (Premiere)

Mit großem Interesse war diese Oper erwartet worden, denn als ein Werk aus Meyerbeers italienischer Zeit konnte es sich mit der Popularität der französischen Grand-opéras des Meisters natürlich nicht messen. 1820 erfolgreich an der Mailänder Scala uraufgeführt, brachte diese vierte italienische Oper Meyerbeer den internationalen Durchbruch, denn sie wurde nicht nur in Venedig, Florenz oder Bologna nachgespielt, sondern gelangte auch nach München und gar Palma de Mallorca.

Librettist war kein Geringerer als Felice Romani, auch er damals erst ein aufstrebender Verseschmied. Als Vorlage nahm er ein Drama von Guilbert Pixérécourt (1773-1844), das 1810 in Paris uraufgeführt wurde und seinerseits auf Shakespeares „Heinrich VI.“, 2. Teil, basierte. Darin werden die sogenannten Rosenkriege zwischen den Häusern Lancaster und York thematisiert, war die Titelheldin, eine geborene Französin, doch Heinrich des VI. Gemahlin, die besagte Kriege, welche unzählige Menschenleben kosteten, erst ins Rollen brachte. Romani nahm es mit der Geschichte nicht so genau, denn in der 1462 an der Grenze zu Schottland spielenden Handlung ist Margherita bereits Witwe, während der historische Heinrich erst 1471 starb.

Die Handlung des als melodramma semiserio bezeichneten Werks ist etwas wirr, denn es geht darum, dass Margherita (Sopran) ihren Sohn Edoardo (stumme Rolle) vor den Racheplänen des Herzogs von Glocester (Bass) schützen will, während der Herzog von Lavarenne (Tenor) seine Gattin Isaura (Alt) zunächst verlässt, weil er sich in Margherita verliebt hat, schließlich aber zur angestammten Gemahlin zurückkehrt. Dazu kommen noch Carlo Belmonte (Bass), zunächst Feind der Königin, weil von ihr exiliert, dann neuerlich zum Anhänger geworden. Für die komische Note sorgt der Barbier und Musiker Michele Gamautte (Bass).

Man merkt dem Text und vor allem der Musik an, dass die Autoren für eine bereits verpflichtete Gruppe von Sängern arbeiten mussten, daher wohl eine gewisse Holprigkeit im Ablauf und für Sopran, Mezzo und Tenor von Schwierigkeiten strotzende Arien, die aber mit heute zur Verfügung stehenden Sängern nicht immer den gewünschten Eindruck erzielen. Als Besonderheit sei noch erwähnt, dass das obligate Schlussrondo nicht von der Titelheldin gesungen wird, sondern von Isaura, deren Interpretin Rosa Mariani bei der Uraufführung der Star war und damit das Finale für sich beanspruchen konnte.

Der junge südafrikanische Regisseur mit italienischen Wurzeln Alessandro Talevi, ausgebildet in London, hatte einen Einfall, der noch mehr Konfusion in die ohnehin verworrene Handlung brachte. Er verlegte die Oper nämlich nicht nur in unsere Zeit, sondern – in die Welt der Mode. Aus Margherita wurde eine Meinungsmacherin à la Anna Wintour, Belmonte organisiert Modeschauen, pardon, fashion-shows, Lavarenne ist ein männliches Model, das Fernsehen ist überall dabei and so on. Auf dem Laufsteg tummeln sich auch Punks und ähnliche Rotznasen; wenn sich Margherita und andere laut Libretto vor den feindlichen Angreifern verstecken müssen, flüchten sie vor Paparazzis. Ich denke, dass der interpretatorische Zugang damit umrissen ist, und ich brauche wohl nicht zu unterstreichen, dass die 9 Tanzmimen der Fattoria Vittadini von weiteren 9 Komparsen unterstützt wurden, die alle eifrig herumwieselten. Ziemlich komisch wirkte auch der – unter der Leitung von Corrado Casati großartig singende – Chor des Teatro Municipale di Piacenza in weißen Bademänteln (Bühnenbild und Kostüme: Madeleine Boyd).

Die Titelrolle wurde von Giulia De Blasis gesungen, die hier im Vorjahr schon einmal als Francesca da Rimini von Mercadante eingesprungen war. Eine saubere stimmliche Leistung, der allerdings die Bravour fehlte, über die hingegen die Isaura der Gaia Petrone verfügte, die mit schön timbriertem, echtem Alt (nicht Mezzo!) und einer bereits gut entwickelten Technik die beste Belcantoleistung dieses Premierenabends bot. Der Russe Anton Rositskij schleuderte die vielen hohen Töne des Lavarenne furchtlos, aber nicht immer wohlklingend heraus. Als sowohl stimmlich als darstellerisch überaus begabter Bassbuffo erwies sich Marco Filippo Romano, der den Auftritten des Gamautte die Peinlichkeit nahm. Interessant die Stimme des Australiers Laurence Meikle, der im Vorjahr hier noch Guglielmo in „Così fan tutte“ war und inzwischen auf Bass umgesattelt hat, in welchem neuen Fach er einen guten Eindruck hinterließ. Interessant klang auch der deutsche Bass Bastian Thomas Kohl als böser Glocester.

Unter F abio Luisis umsichtigem Dirigat legte sich das Orchestra Internazionale d’Italia durchaus ins Zeug, aber die Werte des Werks sind wohl nicht so groß, um anzunehmen, es sei für das Repertoire wiedergewonnen. Das Festival hat mit der Wahl dieses Titels jedenfalls seiner informativen Aufgabe entsprochen. Viel Applaus für Petrone, Romano und Luisi, recht heftige Buhs für das Regieteam.