Berlin: „Dschainah – das Mädchen aus dem Tanzhaus“

Deutsche Erstaufführung am 22. 12. 2019

Liebgewordene Tradition

Nicht mehr missen möchte man die alljährlich am 4. Advent stattfindende konzertante Operettenaufführung in der Komischen Oper, die so konzertant gar nicht ist, die zwischen Weihnachten und Silvester noch einmal wiederholt wird und die zunächst Emmerich Kalman war und seit einiger Zeit Paul Abraham gewidmet ist. In dieser Saison steht Dschainah-Das Mädchen aus dem Teehau s auf dem Spielplan, das nie so populär wie „Die Blume von Hawaii“ oder „Victoria und ihr Husar“ werden konnte, da erst nach der Machtergreifung durch die Nazis 1935 im Exil in Wien uraufgeführt und in Deutschland erst jetzt im Jahre 2019 erstaufgeführt. Gemeinsam mit den Erfolgsopern hat das Werk allerdings den exotischen Schauplatz, in diesem Fall Vietnam, die Mischung von exotischen mit ungarischen und Jazz-Klängen.

Wenn der zweite Sopran Musotte heißt und es um die Eheschließung eines Marineoffiziers mit einer Asiatin geht, kommt natürlich Puccini ins Spiel oder besser in die Moderation. Die wird von Klaus Christian Schreiber auf angenehm ironische Weise bewerkstelligt, der dem Publikum lange, oft alberne gesprochene Dialoge erspart und eine Straffung der Handlung auf anderthalb Stunden ermöglicht. Der erste Sopran nun heißt nicht etwa Dschainah, sondern Lylo, eine Dschainah ist quasi eine vietnamesische Geisha, diese hier soll verkauft werden, weshalb der bewusste Marineoffizier, ein französischer allerdings, sie heiratet, außer Acht lassend, dass er bereits verlobt ist und zu einem bestimmten Zeitpunkt in Paris heiraten muss, wenn seine Braut nicht das ihr unter dieser Bedingung vermachte Erbe verlieren soll. Als Braut, zukünftige Schwiegermutter, Freund und dessen Flirtbekanntschaft von der asiatischen Hochzeit hören, schiffen sie sich nach Vietnam ein, trennen das Paar und retten das Erbe durch die dafür notwendige Hochzeit. Die Dschainah verzichtet schweren Herzens auf ihr Liebesglück, nimmt aber nicht Butterflys Ende, sondern begegnet dem Ex-Ehemann als Gattin eines Großmoguls noch einmal in Paris.

Interesssant ist die Entstehungsgeschichte der Großen Operette in zwei Akten: der reiche Fabrikant Julius Meinl II. bestellte sie, nachdem Kalman die Arbeit daran eingestellt hatte für seine junge Frau Michiko Tanaka, die nach ihm nicht nur einige Liebhaber wie Zuckmayer hatte, sondern in zweiter Ehe mit Victor de Kowa verheiratet war, Karajan mit Ozawa bekannt machte. Zwar erreichte das Stück mit 57 Aufführungen einen gewissen Erfolg, der aber nicht verhindern konnte, dass das Theater an der Wien Pleite ging.

Da Michiko Tanaka eine ausgebildete Opernsängerin war, die auch Butterfly verkörperte, ist die Partie sehr anspruchsvoll. Hera Hyesang Park ist nicht nur optisch die pure Anmut, sondern kann auch einen farbigen, substanzreichen Sopran für die Dschainah einsetzen. Auch beweist sie trotz diskussionswürdiger Nerzstola einen besseren Geschmack als ihre, auch wenn man die Zeit der Handlung berücksichtigt, in allzu plüschige Gewandung gehüllten Kolleginnen. Ihre glücklichere Rivalin ist Mirka Wagner als Yvonne mit hellem, in der Höhe recht grellem Sopran. Darstellerisches und tänzerisches Talent stellt Talya Lieberman als Musotte unter Beweis und setzt außerdem einen angenehm weichen Sopran ein. Eher durch ihre Optik als durch Gesang erregt Zazie de Paris Staunen. Einen durchschlagskräftigen, höhensicheren Tenor und darstellerischen Charme hat Johannes Dunz für den wankelmütigen Pierre Claudel (nach Programmheft zusammengesetzt aus Pierre Loti und Paul Claudel). Dániel Foki aus dem Opernstudio hat einen hochpräsenten Bariton und viel Spiellaune für den Buffo Bogumil.

Zwar outet sich der Buffo in seiner Rolle als Pole, seine Musik ist jedoch eher ungarisch wie vieles an diesem Abend, dazu kommen natürlich exotische Klänge, durch die entsprechenden Instrumente erzeugt, dazu gibt es Jazziges und unter Hendrik Vestmann ein temperamentvoll beschwingt aufspielendes Orchester. Auch der Chor ist mit hörbarem Engagement bei der Sache, die Damen lassen liebliche Klänge aus dem Sing-Song-House ertönen.

Am 30.12. gibt es noch eine zweite Aufführung.

22.12.2019 Ingrid Wanja