Coburg: „Der Rosenkavalier“

Besuchte Aufführung: 10.4.2016

Premiere. 6.3.2016

Schöne Erzählweise ohne innovativen Anspruch

Richard Strauss’ „Rosenkavalier“ stellt mit Sicherheit eine der größten Herausforderungen für jedes Opernhaus dar. Das aufzubietende Personal ist beträchtlich und der Orchesterapparat sehr ausgedehnt. Dennoch kommen immer wieder auch an sog. kleinen und mittleren Häusern beachtliche Aufführungen des Werkes zustande, wie jetzt am Landestheater Coburg. Dass dieses lobenswerte kleine Theater die Fähigkeit besitzt, dieses gewaltige Stück auf die Bühne zu bringen, wurde schon im Jahre 1911 deutlich. Bereits einige Monate nach der umjubelten Dresdener Premiere wurde es von dem damaligen Coburger Intendanten Oscar Benda auf den Spielplan gesetzt und Strauss höchstpersönlich als Dirigent in den Orchestergraben geschickt.

Verena Usemann (Octavian), Betsy Horne (Feldmarschallin)

Von dieser Aufführung waren im Fundus des Coburger Landestheaters noch zahlreiche Kostüme und Figurinen vorhanden, auf die Sven Bindseil dann auch für die Neuproduktion zurückgriff. Er hat die vorgefundenen Kostüme in einer Art und Weise bearbeitet, dass es eine Freude war. Alt und verstaubt haben diese dem Rokoko verpflichteten Kleider in keinster Weise gewirkt, sondern frisch und farbenreich. Besonders der Detailreichtum, mit dem Bindseil ans Werk ging, war sehr bemerkenswert. Diese Kostüme waren eine wahre Augenweide und trugen nicht zu knapp zum Erfolg der Vorstellung bei.

Michael Lion (Baron Ochs auf Lerchenau), Verena Usemann (Octavian), Betsy Horne (Feldmarschallin)

Was an diesem Nachmittag über die Bühne des Landestheaters Coburg ging, war in hohem Maße publikumswirksam. Die überaus zufriedenen Zuschauer sparten dann am Ende auch nicht mit herzlichem Applaus und einigen begeisterten Bravorufen. Geistig und intellektuell wurde den Besuchern allerdings nicht viel abverlangt. Es konnte sich gemütlich zurücklehnen und die Aufführung genießen, denn Jakob Peters-Messer, der in Coburg kein Unbekannter mehr ist, stellte bei seiner Neuproduktion an das Auditorium nicht zu hohe Ansprüche, hat aber den Kern des Stückes voll und ganz getroffen. Er versteht Strauss’ Werk, in dem es u. a. um das gnadenlose Verrinnen der Zeit geht – die Feldmarschallin spricht es deutlich aus -, als „Komödie mit Trauerflor“, die er mit Hilfe einer ausgefeilten, spritzig-lebendigen Personenregie und einer gelungenen Massenchoreographie auch genauso in Szene setzte.

Betsy Horne (Feldmarschallin)

Markus Meyer hat ihm einen von Schwarz-Weiß-Gegensätzen bestimmten Raum geschaffen, der von teils prächtigen, teils etwas marode wirkenden weißen Wänden dominiert wird. Mit Hilfe der Drehbühne lassen sich immer wieder neue Räume herstellen, so das Schlafzimmer der Marschallin, ihr Vorzimmer, das Palais des von der Regie reichlich schnöde gezeichneten Herrn von Faninal sowie das Wirtshaus des Schlussaktes. Ein visueller Höhepunkt der Aufführung war die Überreichung der silbernen Rose, in der Octavian vor einer Spiegelwand auf einem mannshohen künstlichen Ross sitzt. Elegant hält er die Rose in die Höhe während Sophie entzückt in sich zusammensinkt. Es sind schon recht vielfältige Eindrücke, die dem Auge hier geboten werden, die aber durchweg recht gefällig wirken. Diese wohltuende Optik war wahrlich ein Labsal für die Sinne.

Sophie, Verena Usemann (Octavian)

Schade war nur, dass Strauss’ Werk auf diese Weise etwas zum reinen Ausstattungsstück verkam. Bei aller Schönheit des äußeren Rahmens wäre etwas mehr Interpretation seitens des Regisseurs wünschenswert gewesen. Darauf hat er aber leider verzichtet. Zwar bieten er und sein Team dem Auge viel, dem neugierigen Intellekt aber gar nichts, was schade ist. In dem geschilderten konventionellen Rahmen bewegt sich Peters-Messer durchweg nah am Textbuch, ohne das in dem Werk zweifellos enthaltene Auslegungspotential zu berücksichtigen. Er erzählt technisch perfekt und schnörkellos eine kurzweilige Geschichte, setzt sich mit dieser aber nicht auseinander und deutet deren Subtext nicht aus, was schade ist. Etwas mehr Tiefgang wäre schon schön gewesen. Hier ist eine Chance vertan wurden.

Sophie, Michael Lion (Baron Ochs auf Lerchenau), Verena Usemann (Octavian), Chor des Landestheaters Coburg

Gesanglich hat das Landestheater Coburg einmal mehr sein hohes Niveau nachhaltig unter Beweis gestellt. An erster Stelle ist hier Betsy Horne zu nennen, die in der Rolle der Feldmarschallin voll aufging. Darstellerisch gab sie eine mal melancholische, mal leidenschaftliche, aber stets ganz über den Dingen stehende Frau, die vergeblich gegen das Verrinnen der Zeit ankämpft. Auch stimmlich vermochte sie mit ihrem hervorragend fokussierten, differenzierten, farben- und nuancenreichen jugendlich-dramatischen Sopran zu begeistern. Schauspielerisch sehr vielseitig zeigte sich Verena Usemann, die dem Octavian mit ihrem emotional angehauchten, bestens gestützten und wandelbaren Mezzosopran auch vokal gut entsprach. Eine äußerlich recht temperamentvolle und energiegeladene Sophie war Ana- Cvetkovic-Stojnic. Gesanglich stand sie mit in jeder Lage gut verankertem und über eine schöne Pianokultur verfügendem lyrischem Sopran ihren beiden Mitstreiterinnen in nichts nach. Kein Wunder, dass das Terzett der drei Damen im dritten Aufzug zum Höhepunkt der Aufführung wurde. Ausgezeichnet war auch Michael Lion, der mit markantem, vorbildlich italienisch fundiertem und differenziert eingesetztem Bass einen äußerlich ungehobelten, nichtsdestotrotz aber auch lustigen und nicht unsympathischen Baron Ochs auf Lerchenau sang. Schönes sonores Bariton-Material brachte Peter Schöne für den Herrn von Faninal mit. Trefflich mit locker ansprechendem Sopran bewältigte Heidi Lynn Peters die Höhenflüge der Marianne Leitmetzerin. Solide sang die Annina von Emily Lorini, während Dirk Mestmacher s darstellerisch tadelloser Valzacchi reichlich dünn und kopfig klang. Feinen lyrischen Wohlklang verbreitete Milen Bozhkov mit der Arie des Sängers. Nach mehr hörte sich David Zimmer an, der mit frischem, breit klingendem Tenor die kleinen Rollen des Haushofmeisters bei Faninal und des Wirtes aufwertete. Flachstimmig präsentierte sich dagegen Sascha Mai als Haushofmeister der Marschallin. In der Doppelrolle des Polizeikommissars und des Notars gefiel mit tadelloser Bassstimme Felix Rathgeber. Monika Tahal (Modistin) und Marino Polanco (Tierhändler) rundeten das Sängerensemble ab. In der stummen Rolle des hier zur alten Frau umgedeuteten Mohammed war Christa Fedder zu erleben. Als Ochs’ Sohn Leopold erschien Ruslan Wacker auf der Bühne. Wieder einmal in überzeugender Form präsentierte sich der von Lorenzo da Rio einstudierte Opernchor des Landestheaters Coburg. Leider war im dritten Akt der Kinderchor mit seinen „Papa“-Rufen kaum zu hören.

Verena Usemann (Octavian), Michael Lion (Baron Ochs auf Lerchenau)

Bei GMD Roland Kluttig war Strauss’ Oper in besten Händen. Zusammen mit dem brillant aufspielenden Philharmonischen Orchester Landestheater Coburg entfaltete er einen opulenten Klangrausch voller Intensität und schwelgerischer Inbrunst. Bezeichnend war, dass der Dirigent trotz der manchmal sehr imposanten Klangwogen die Sänger nie zudeckte. Das war wahrlich ein Fest für die Ohren.

Fazit: Ein schöner, wenn auch nicht sonderlich aufregender Opernnachmittag, der sich aber wegen der größtenteils hervorragenden Sänger und dem ausgezeichneten Dirigenten gelohnt hat.

Ludwig Steinbach, 11.4.2016

Die Bilder stammen von Andrea Kremper