Au weiha – eigentlich die OPERNFREUND SCHNUPPE wert…
Unterhaltung, und Musiktheater ist Unterhaltung, soll vom täglichen Geschehen ablenken. Sie muss den Geist freimachen für positive Erlebnisse welche wir immer wieder erleben dürfen. Wenn nun in einer Produktion gerade der negative Aspekt des Alltags, im aktuellen Fall die Pandemie, thematisiert wird, geht zumeist der Unterhaltungseffekt, die Erholung verloren und es rücken die Schwierigkeiten des täglichen Lebens in den Vordergrund. Und genau dies passiert in der Luzerner Produktion ‘IL BARBIERE DI SEVILLA’. Mann/Frau will nicht im Theater mit dem gleichen Thema, welches seit Monaten alle Medien beschäftigt, konfrontiert zu werden. Es reicht, wenn auch im Theater der Mundschutz und ‘social distancing’ zwingend empfohlen wird.
Trotz hervorragender Personenführung des Regisseurs Martin G. Berger, gleitet die Inszenierung in eine musicalartige Komödie ab, in einen dem Thema nicht entsprechenden Sauglattismus. Ich habe nichts gegen gut inszenierte Musicals, diese bieten gute Unterhaltung und segeln fast nie unter falscher Flagge. Bergers dramaturgische Umsetzung von Rossinis Werk ist nicht stringent. So ist es zum Beispiel irreführend, wenn der ‚arbeitslose’ Figaro singt:“Tutti mi chiedono, tutti mi vogliono, Donne, ragazzi, vecchi, fanciulle“. Rossinis Rezitative, welche die Handlung unterstützen und vorwärts treiben, fehlen. Sie werden in Luzern ersetzt durch Dialoge in deutscher Sprache, welche zu stark mit dem Gesang der SolistInnen in Italienisch kontrastieren. Die Intendanz in Luzern sollte die Produktion als “IL BARBIERE DI SEVIGLIA“, Opera Buffa von Martin G. Berger nach Gioachino Rossini anbieten.
Mit Rossini hat diese Produktion in der vorliegenden Form nur sehr wenig zu tun, ausser dass die Musik von Rossini stammt. Die Originalpartitur wurde von Alexander Krampe für ein Kammerensemble bearbeitet.
Die musikalische Umsetzung durch das Sinfonieorchester Luzern, geleitet von Alexander Sinan Binder ist hervorragend gelungen. Subtil und präzisen interpretieren die Musikerinnen und Musiker Rossinis Komposition, nicht aus dem Orchestergrabe, sondern auf der Hinterbühne.
Es ist anzumerken, dass die schauspielerische Leistung der Sängerinnen und Sänger keinen Wunsch übrig lässt. Diana Schnürpel als Rosina singt mit hervorragender Intonation und Diktion. Ihr Höhen wirken eher scharf, dafür ohne unnötige Vibrati. Ihre Mimik, Gestik und Körpersprache überzeugen. Bartolo, Doktor der Virologie, wird von Flurin Caduff interpretiert. Seine Intonation und Diktion sind makellos, seine Tiefen profund und überzeugen in jeder Passage. Hyojong Kim als Graf Almaviva überzeugt mit strahlendem Tenor und klarer Diktion.
Seine Körpersprache, Mimik und Gestik überzeugen nicht zu hundert Prozent, wirken etwas aufgesetzt. Eungkwang Lee als arbeitsloser Figaro hat etwas Mühe mit der italienischen Diktion, dies vor allem in den schnellen Passagen seiner Arien. Auch seine Körperarbeit bleibt hinter den komödiantischen Fähigkeiten von Frau Schnürpel zurück. In weiteren Rollen zu sehen und hören: Vuyani Mlinde als Don Basilio, Camila Meneses, ihr Luzerner Debut, als Berta, und Robert Maszl als Fiorello, der Revolutionär. Maszl spricht auch die erklärenden, sehr notwendigen Zwischentexte.
Der Herrenchor und die Statisterie des Luzerner Theaters meistern ihre Aufgabe innerhalb dieser Inszenierungen mit Geschick und Freude.
Eine Inszenierung, welche bei mir einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt!
Peter Heuberger, Basel