Mannheim: Francesca da Rimini, Sergej Rachmaninov

Konzertante Aufführung am 18. April 2019

Musikalische Leitung: Benjamin Reiners

Chor: Dani Juris

Vergils Geist: Ilya Lapich

Dante: Juray Holly

Lanciotto Malatesta: Bartosz Urbanowicz

Francesca: Astrid Kessler

Paolo: Yoonki Baek

Eine absolute Seltenheit an deutschen Bühnen ist das Opernschaffen von Sergej Rachmaninov. Umso mehr ist die Entscheidung des Nationaltheaters Mannheim zu begrüßen, im Rahmen ihrer konzertanten Opernaufführungen, den Fokus auf dessen „Francesca da Rimini“ zu legen. Es war zudem eine gute Überlegung, dieses gut 70minütige Werk alleine zu spielen, so stand es ganz im Fokus der Zuhörer.

Die Handlung beschreibt die unglückliche Liebesgeschichte zwischen Francesca und Paolo, dem jüngeren Bruder, des Kriegers Lanciotto. Francesca hatte einst ihm die Treue geschworen und entbrannte dann doch in tiefer Liebe zu Paolo. Beide gehen in eine Falle, die der listige, missgestaltete Lanciotto ihnen stellte, so dass dieser die Liebenden dann erdolcht. In der Hölle begegnen der Geist Vergils und Dante den Liebenden.

Rachmaninov erzählt diese krude Geschichte als Rückblende, eingerahmt von einem Prolog und einem Epilog, die jeweils in der Hölle spielen. Besonderer Handlungsträger ist dabei das viel geforderte Orchester, das im deutlich spät romantischen Duktus den Handlungsverlauf kommentiert und mit allerlei musikalischem Subtext unterlegt. Dabei rauscht es gewaltig im Orchester auf, die Singstimmen sind deutlich zur Emphase aufgefordert, vor allem im groß angelegten Liebesduett zwischen Francesca und Paolo. Rachmaninovs Werk nimmt sich viel Zeit, bis es musikalisch feste, farbige Gestalt einnimmt. Immer wieder sind in den Höllenbildern die Klagelaute der Verdammten in endlosen Vokalisen des geforderten Chores zu hören.

Die letzte Aufführung dieser kleinen konzertanten Serie am Nationaltheater Mannheim erfuhr eine mitreißende Darbietung. Erfreulich, dass die Sänger ihre Rollen szenisch andeuteten, so dass viel von der breiten Gefühlsskala die Zuhörer erreichen konnte.

In der Titelpartie war mit Astrid Kessler eine sehr überzeugende Sängerin aufgeboten. Erstaunlich, wie gut sie sich in das russische Sprachidiom einfühlte, die Rolle intensiv von innen heraus erlebte. Ihr leicht herbes Soprantimbre korrespondierte gut mit den Anforderungen der Partie, breit war die Skala der Farben, der Zwischentöne, die Kessler gekonnt nutzte. Dazu eine mühelos aufstrahlende Höhe und immer wieder ein Hineinhören in den Rollencharakter. Eine tolle Besetzung.

Ihr Liebhaber Paolo sollte von Andreas Hermann gesungen werden. Für ihn sprang Yoonki Baek ein. Der Südkoreaner hat diese Partie bereits szenisch am Opernhaus Kiel gesungen. Sein warmer, klangschöner Tenor wurde von ihm musikalisch und sehr kultiviert geführt. Niemals ließ er sich in den Ausbrüchen zum Forcieren verleiten. Dabei achtete er auf eine breite dynamische Skala und konnte so manch schönen Mezzavoce Effekt gewinnend nutzen. Lediglich so manch zu offen gesungene Höhe beraubte ihn ein wenig der möglichen Durchschlagskraft. Dennoch auch er war eine sehr gute Wahl.

Bartosz Urbanowicz war ein überragend böser Lanciotto, der mit perfekt geführter Stimme in Wut und Klage alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Mit Gehstock in der Hand spielte er die Behinderung seines Rollencharakters bestechend aus. Intensives Mienenspiel und die Unbedingtheit seines Ausdruckes schufen eine große Vielschichtigkeit. Überdeutlich in der Ausstrahlung und markant in der sprachlichen Gestaltung schuf er ein mitreißendes, unvergessliches Rollenportrait des Verschmähten. Sein kompakter Bass-Bariton ertönte dominant und raumgreifend. Großartig!

Vergils Schatten wurde von Ilya Lapich mit gut geführtem, markanten Bariton gesungen. Eine schöne Tenorstimme in der Rolle des Dante zeigte Juray Holly.

Der sehr geforderte Chor des Nationaltheaters Mannheim wurde von Dani Juris ausgezeichnet einstudiert und begeisterte mit Stimmstärke und engagiertem Vortrag.

Großes leistete das entfesselt aufspielende Orchester des Nationaltheaters unter der unermüdlichen befeuernden Leitung von Benjamin Reiners. Erkennbar groß war die Begeisterung des Dirigenten für das herrliche Werk, das so selten zu hören ist. Sein Dirigat war voller Leidenschaft und stand unter permanenter Hochspannung. Klar in der Zeichengebung und dazu überlegen in der dynamischen Auslegung war er die gestaltende Kraft des Abends. Dazu trug er seine Sänger auf Händen. Das Orchester des Nationaltheaters Mannheim ließ sich nicht lange bitten und agierte in vorzüglicher Geberlaune. Die Zuhörer erlebten orchestrale Wonnen auf hohem Niveau und das in allen Spielgruppen.

Das erfreulich zahlreiche Publikum würdigte diesen besonderen Abend mit frenetischer Begeisterung. Ein ungemein lohnender, unvergesslicher Abend am Nationaltheater Mannheim.

Dirk Schauss 21.4.2019