Berlin: „(Ohn-)Macht des Schicksals“

„Wir wollen Verdi hören – hau ab nach drüben!“

So tönte es bei der Premiere aus dem Publikum. Die Zuschauer forderten Abbruch. Eine ganze Viertelstunde lang war die Aufführung unterbrochen. Wir konstatieren:

Bezug zu Verdis Werk: null. Personenführung: null Komma null. Spannung nicht vorhanden. Bluttriefend nervende Dauerberieselung nichtssagender Videos. Ärgerfaktor: 110 Prozent. Was will dieser DDR-Schauspiel-Regisseur, der ja schon den Bayreuther Ring komplett verhunzt hat, eigentlich? Zurück in die Ostzone? Sehnsucht nach dem Arbeiter- und Bauernparadies, welches so toll war, daß man eine Mauer mit Sprengfallen drum herum baute und den Menschen, die eben dieses Paradies nicht wertschätzten und es verlassen wollten erbarmungslos in den Rücken schoss. Lassen wir den Agitator zu Wort kommen:

Das Besondere an Verdis LA FORZA DEL DESTINO ist, dass der Alltag in die hohe Kunst der Oper einbricht. Es ist Krieg, Krieg, Krieg. Bei Verdi kämpfen spanische Truppen gegen die Habsburger. Dieser Krieg ist merkwürdig beschrieben. In einer Szene singt eine Zigeunerin: „Der Krieg ist das Beste, was es gibt, wir sind stolz auf den Krieg!“ Bei Verdi spiegelt sich Zerstörung auch in einer bestimmten Ästhetik, Opern zu schreiben. Er löst die Zeit auf, die Handlung, den Raum. Und ich ziehe mit Verdi ins Neapel 1943, in die Welt des Schriftstellers Curzio Malaparte, der in seinem Roman „Die Haut“ beschreibt, wie die Amerikaner in Sizilien landen. Wie Mussolini gestürzt wird. Wie Italiener, die zuvor im Widerstand gegen die Faschisten gearbeitet haben, plötzlich ihre Brüder, Töchter, Mütter verkaufen. Es herrscht Sodom und Gomorrha. Auch so kann Befreiung aussehen. Manchmal ist es schwerer, Befreiung zu ertragen, als besiegt zu werden, schreibt Malaparte. Solche Brutalität interessiert mich, deshalb suche ich diese Stoffe. Es wird heftig. Aber ich weiß, dass Verdi nicht das Organische wollte, sondern das Disparate. Die Musik ist so schön, aber Verdi wollte wachrütteln. Für mich gehören diese Kriege zusammen – literarisch, historisch, assoziativ. (Frank Castorf)

Das sollte also bei Ihnen, liebe Leserschaft, auch null Erwartung auf Verdi wecken. Wenn doch und Ihnen das obige Gesülze etwas sagt, dann gehen Sie bitte rein – aber beklagen Sie sich nicht später bei uns. Wir haben Sie gewarnt!

Diese Aufführung sollte Ihnen wahrlich Schnuppe sein. Gehen Sie lieber an diesem Abend ins Kino, oder lecker Essen. Das Leben ist zu kurz um es mit solchem Kappes zu verschwenden.

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Peter Bilsing 9.8.2019