Köln: „Im weißen Rössl“

Nichts gegen Ralph Benatzky und sein „Weißes Rössl“, wirklich nicht. Dennoch sei empfohlen, sich die Einschätzung des Werkes durch Volker Klotz in seinem „Handbuch einer unerhörten Kunst“ zu vergegenwärtigen. Der Autor mißt das Genre an dem, was ein Jacques Offenbach einst ironisch gepfeffert und zeitsatirisch auf die Bühne brachte. Anno 2019, zum 200. Geburtstag des „Orpheus der Champs-Elysées“ wird Köln nachdrücklich an diesen Komponisten erinnern, was umso dringlicher ist, als Offenbach in der Rheinmetropole das Licht der Welt erblickte.

Nochmal: nichts gegen Benatzky und sein „Weißes Rössl“ in Köln. Aber die Werkwahl ignoriert, daß das Genre der goldenen und silbernen Operette sehr viel mehr aufführungswürdige Werke zählt, als wie heutzutage aufgeführt. Aktuell sei nur an Joseph Beers „Polnische Hochzeit“ in Graz oder an Abrahams „Märchen im Grand Hotel“ an der Komischen Oper Berlin erinnert, von Offenbachs „Barkouf“ in Strasbourg gar nicht erst zu reden. Krefeld/Mönchengladbach setzte sich in jüngerer Zeit für die „Lustigen Nibelungen“ von Oscar Straus und Kálmáns „Faschingsfee“ ein. In den Kölner Annalen findet sich immerhin für das Jahr 2004 die Ausgrabung von Künnekes „Lady Hamilton“. Aber warum wird der (freilich stark an die englische Mentalität gebundene) Arthur Sullivan so nachhaltig ignoriert, von einer aktuellen Produktion der „Piraten“ in Meiningen abgesehen?

Das „Weiße Rössl“ ist eine krachlederne Operette mit viel Sentiment, gekrönt vom finalen, fast schon nicht mehr ertragbaren Kaiser-Auftritt. Da gibt es natürlich kein Vorbeikommen. Dennoch kann man dagegen inspiriert angehen, wie es beispielsweise bei der Aufführung in der Berliner Bar der Vernunft 1994 geschah. Doch hier benötigte man nur ein kleines Instrumentalensemble. Inzwischen wurde aber die Originalinstrumentation wiederaufgefunden (wo und wie verrät der fachkundige Programmheftbeitrag von Stefan Frey leider nicht), die wegen ihrer Authentizität fraglos Präsenzrecht beanspruchen kann. Bei der Kölner „Rössl“-Produktion wirkt der Klang, welchen das rückwärtig hinter der Szene positionierte Gürzenich-Orchester unter Uwe Theimer erzeugt, freilich etwas scwammig, auch fehlt es teilweise an stimulierendem Pep.

Für die Benatzky-Operette erhielt Eike Ecker eine neue Regie-Chance. Die Oberspielleiterin des Hauses, welche sich früher bei der Kinderoper verdient machte und in jüngerer Zeit neben Viktor Ullmanns „Kaiser von Atlantis“ vor allem im unterhaltenden Genre tätig war, inszeniert sozusagen aus vollen Händen. Wirklich großartig ihre optische Fantasie und die überbordend lebendige Personenführung. Tänzer bringen zusätzlich Schwung in die Aufführung. Auch bei der Ausstattung (Bühne: Darko Petrovic, Kostüme: Ulrich Schulz) wurde nicht gegeizt. An alledem kann man also Freude haben, wie das zuletzt im Takt mitklatschende Publikum demonstrierte. Freilich muß nicht unbedingt jedermann diese Spaßeslust gegeben sein.

Für die die sängerischen Höhenflüge der Aufführung setzt gleich zu Anfang die Oberförsterin von Eva Budde ein vielversprechendes Signal. Daß Claudia Rohrbach eine propere Josefa Vogelhuber abgeben würde, hatte wohl niemand bezweifelt. Die in Köln außerordentlich beliebte und äußerst vielseitige Sopranistin´(vor kurzem Sieglinde“ in der Kinderopern-Version der „Walküre“) bietet fraulichen Gesang und charmantes Bühnenspiel. Dennoch möchte man Martin Koch noch eine Stufe höher stellen. Er ist ein echtes Bühnentier, das weiß man aus vielen Vorstellungen (Eike Ecker inszenierte mit ihm 2017 Georg Kreislers „Adam Schaf hat Angst“, eine umwerfende Solo-Performance). Aber daß gerade die buffoneske Partie des Zahlkellners Leopold seine belcantesken Fähigkeiten incl. einer eminent sicheren Höhe herausstellen würde, überrascht dann doch. Da muß sich sogar Michael Siemon fast etwas verstecken, der als Dr. Siedler ansonsten einen echten tenoralen Strahlemann abgibt. Als „schöner“ Sigismund macht Miljenko Turk wieder einmal Furore. Die Partien von Ottilie und Klärchen sind mit Jutta Maria Böhnert und MAIKE RASCHKE liebenswürdig besetzt wie auch die des Kaisers mit dem lange dem Kölner Schauspielensemble angehörenden Bert Oberdorfer.

Positiv zu ergänzen sind noch Matthias Friedrich (Giesecke), Alexander Fedin (Hinzelmann) und der Opernchor (Rustam Samedow). Einen besonderen Charme offeriert Nikolaas Von Schrader als Piccolo.

Bilder (c) Paul Leclaire

Christoph Zimmermann (16.12.2018)