Lüttich: „Aida“

Premiere: 26. Februar 2019

Soviel Ägypten wie in dieser „Aida“ der Opera Royal Wallonie wird man in Deutschland nirgendwo zu sehen bekommen. Bühnenbildner Jean-Guy Lecat greift bei dieser Produktion tief in die Trickkiste des klassischen Illusionstheaters.

Intendant Stefano Mazzonis di Pralafera bezeichnet sein Haus gerne als das nördlichste Opernhaus Italiens“. So gibt es in seiner Neuinszenierung lediglich eine klare und einfache Nacherzählung der Geschichte, die auf jede Interpretation verzichtet. Eine Hinterfragung der Charaktere oder eine Neu- oder Umdeutung der Geschichte gibt es hier nicht.

Als deutscher Zuschauer erwartet man, dass die Tempeltänzerinnen vor dem Kriegszug noch in einem blutigen Ritual geopfert werden, doch hier tanzen die Tempeltänzerinnen bloß und sind hübsches Dekor. Solch ein naiver Zugang ist natürlich eine interessante Abwechslung zum deutschen Regietheater, man merkt aber auch, dass man sich als Opernfan langweilen würde, wenn jede „Aida“ so aussehen würde.

Bühnenbildner Jean-Guy Lecat bietet eine Menge für das Auge: Da gibt es einen Tempel mit Säulen und goldener Götterstatue, Privaträume der Amneris mit Hieroglyphen und Wandmalereien sowie einen Schilfwald im Nilbild. Spektakulär ist der Moment, wenn für den Triumphmarsch die Podien bis in den Schnürboden fahren und aus der Untermaschinerie die Tribüne mit der ägyptischen Festgesellschaft auftaucht.

Zwar schreibt Intendant Stefano Mazzonis di Pralafera im Programmheft, dass er „Aida“ als Kammeroper sehen würde, aber in den Aufmärschen und Volksszenen gibt es neben den prächtig singenden Chor noch 25 Statisten, 17 Tänzern und vier Artisten.

Den Spagat zwischen Kammerspiel und Grand Opera gelingt Chefdirigentin Speranza Scapucci. Vorspiel, Nilszene und Schlussduett klingen bei ihr schon fast impressionistisch. In den großen Volksszenen und Ensembles lässt sie das Orchester aber mit großer Leidenschaft und Pomp aufspielen.

In der Titelrolle beeindruckt Elaine Alvarez mit der Wucht ihrer Stimme. Problematisch ist aber ihr ausgeprägtes Vibrato, das sich in der Höhe einstellt. Als Amneris betont Nino Surguladze den lyrischen Charakter ihrer Rolle. Ihre großen dramatischen Szenen verkörpert sie aber mit viel Leidenschaft.

Als Radames glänzt Marcello Giordano mit trompetenartigen Spitzentönen, über die nur wenige Sänger verfügen. In der Tiefe verliert die Stimme aber an Präzision. Bariton Lionel Lhote lässt als Amonasro seine Stimme voluminös strömen. Beeindruckend ist, wie er sich dann in den Ensembles und großen Ausbrüchen immer noch weiter steigert. Mit kantigem Bass glänzt Luca dall´Amico als Oberpriester Ramfis.

Diese „Aida“ überrascht die deutschen Zuschauer mit ihrer naiven Regie in einem sehenswerten Bühnenbild. Als nächste Produktion steht in Liege mit Gaetano Donizettis „Anna Bolena“ Belcanto-Pur auf dem Spielplan (9. bis 20. April). Die Titelpartie singt Olga Peratyatko.

Rudolf Hermes 5.3.2019

Bilder (c) Opéra Royal de Wallonie-Liège