Zum Zweiten
Eine Koproduktion der Theater Chemnitz und der Volksoper Wien
28.04.2019
Franz von Suppé, dessen 200. Geburtstag wir 2019 feiern, schrieb 1878 mit seinem Teufel auf Erden ein zeitkritisches Bühnenwerk in bester Offenbach – Tradition und traf damit auch inhaltlich seinerzeit den Nerv des Wiener Publikums. In der heutigen Fassung von Alexander Kuchinka wurde dieses Werk komplett neu bearbeitet, dessen dramatische Struktur keineswegs an aktueller – zeitkritischer Attraktivität verloren hat. Ein großartiges teuflisches Verwirrungsspiel zwischen Gut und Böse ist hier entstanden, eine gesellschaftssatirische Zeitreise vom 17. – bis ins 21.Jahrhundert, in dem politische Machenschaften und Korruption, die Bigotterie der katholischen Kirche, hier die teuflische Verlogenheit im Kloster, sich zu einem verräterischen Spiel entpuppen, die von Reliquienfälschung bis hin zur Unzucht reichen. Hier wird wahrlich dem Zuschauer wieder einmal der Spiegel vor Augen gehalten, und dass in einer derart ironischen, grotesken Version, in der alle Dekadenz auch in der heutigen Zeit, so unberührt vom dem Geschehen, aus Fehlern sich doch nichts lernen lässt! Im Teufelskreis der Oberflächlichkeit, in der wir uns heute bewegen, sind wir von einer derartigen Kälte und Gleichgültigkeit befallen, sodass am Ende der Teufel wohl auf alle Menschen gleichermaßen ist verteilt, wo wir nur noch dem Untergang geweiht sind. Und mögen wir auch den Ernst dieser Thematik in der textlichen Neufassung erkennen, so ist dies doch von einer derart sprühenden, satirischen Komik, dass man nicht nur über sich selbst, sondern über das gesamte Werk lachen und sich derart amüsieren kann, sodass dies selbst schon als Burleske erscheinen mag. Durch Satans Hölle im Jenseits und auf Erden – welch himmlisches Entzücken! Denn offenbar hat der Himmel für viele Menschen als Paradies ausgedient. Und so beginnt bereits auch das 1.Bild mit einem ungeheueren Spektakel, wo der Höllenpförtner Haderer, gespielt von Matthias OTTE, ins Schwitzen gerät , weil ein wahres Geriss darum herrscht, in der Hölle aufgenommen zu werden, weil es doch im Himmel so ohne Action total langweilig ist. Allein in diesem Bild sind insbesondere die Ensembleszenen lobenswert hervorzuheben, wo die Damen und Herren des Opernchores mit großer Spiel – und Sangesfreude zur Lebendigkeit der einzelnen Szenenabläufe beitragen.
In dieser großartigen Inszenierung von Hinrich Horstkotte, der auch für Bühne und Kostüme verantwortlich, entsteht ein mit Tempo gespieltes, in Szene gesetztes derart menschliches Tohuwabohu, wo die Charaktere gut herausgearbeitet und ideal besetzt sind. In Alexander Kuchinka in der Titelpartie als Ruprecht und Höllenknecht, erkennen wir die Vielseitigkeit des Wiener Künstlers, der neben seinen autorischen, kompositorischen und gesanglichen Fähigkeiten, ebenso auch schauspielerische Größe auf der Bühne beweist. Mit dieser ungeheueren Bandbreite, auch in der Regiearbeit, könnte man ihn durchaus als den heutigen Schikaneder bezeichnen. Von so einem Ideenreichtum gesegnet findet man nur noch wenige, die ebenso auch wie Kuchinka zu den Fleißigsten seiner Kunst zählen. Sein Gegenspieler Matthias Winter in der Rolle als Rupert, Engel außer Dienst überzeugt mit einer schauspielerischen, aber auch humorvollen Sanftmut, und im Grunde genommen ist er gar kein Gegenspieler, sondern versucht die Bösen doch eher des Besseren zu belehren, und dient ebenso als Liebesengel um verirrte Seelen wieder zusammenzubringen.
Trotz allem wütenden und grotesken Geschickes, begegnen wir hier auch immer einer gewissen Melancholie zwischen zwei Liebenden. Wo gleich in vier Rollen (Amanda, Amalia, Amira, Tanzschülerin) Franziska Krötenheerdt schauspielerisch als auch gesanglich auftrumpft; und ihr so verliebter Isidor, gespielt von Andreas Beinhauer, hier ebenso in den zeitgeschichtlichen Abläufen die Verwandlungsfähigkeit besitzt, in die verschiedensten Rollen zu schlüpfen. Mit großer darstellerischer Überzeugungskunst, und einer sehr lyrischen Stimme, Beinhauer ein großes Potential an künstlerischer Vielseitigkeit unter Beweis stellt. Mit welcher Feinfühligkeit hier der Regisseur an die einzelnen Szenen herangeht ist deutlich zu spüren. Im Gegensatz zu der eher sanftmütigen und naiven Schwester, zeigt sich Sylvia Rena Ziegler, die ebenso als Nonne Isabella im 2.Bild/1.Akt den energischen und autoritären Charakter verkörpert, und in den anderen Bildern als Isolde, Iska und Tanzschülerin eine schauspielerische vielseitige Wandlungsfähigkeit zeigt. Des Weiteren zu erwähnen wäre, dass alle Charaktere, als die des Halunken Reinhardt und Kadetten Reinwald, gespielt von Reto Rosin geradezu ideal besetzt sind. Ideal besetzt auch Dagmar Schellenberger als energische Stiftsvorsteherin Mutter Aglaja, die sich zu einer wahren Heuchlerin entpuppt, und wo sich am Ende herausstellt, das sie als Satans Tochter, sogar ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hat. Gerhard Etnst ist ein wahres Unikum auf der Bühne, bringt er doch in der Darstellung des preußischen Oberst Donnersbach, Kompaniechef im 3.Bild/2.Akt, das Publikum wahrlich zum Lachen. Auch Matthias Otte als betrunkener Vizeleutnant Nebel, Spieß sorgt für ungeheuren Humor, Höllenpförtner Haderer und Thomas, Klosterpförtnerversteht Pointen richtig zu setzen, so wie sein Kollege Ernst. Als Ballorganisator zeigt er sich charakteristisch dann wiederum von einer ganz anderen Seite, welches ein Beweis dafür ist, dass wir hier es neben Freude am Spiel, mit professionellen, schauspielerischen Größen zutun haben. So wie eben auch Tilo Kühl-Schimmel, Christoph Dittrich, Peter Heber, und der Rest des Ensembles zu diesem gelungenen Abend beitrugen.
Abgesehen von dem opulenten und farbenprächtigen Bühnenbild als auch der Kostüme, so wie die Choreographie von Sabrina Sadowska, so ist hier insbesondere auch das Orchester unter dem Dirigat von Jakob Brenner hervorzuheben. Natürlich gab es auch hier eine revidierte musikalische Fassung, die aber auf Suppés Originalpartitur basiert, und letztendlich vom musikalischem Leiter und Dirigenten in die moderne Notenschrift übertragen wurde. Und obwohl einiger Korrekturen, um eben auch einige Nummern dem Libretto musikalisch besser anzupassen, hier aber trotz einiger Änderungen die musikalische Grundstruktur erhalten geblieben ist. Welches Suppés musikalisches Feuerwerk, gespielt von der Robert – Schumann – Philharmonie voll zum erklingen brachte.
Ein musikalisch, brisantes und höchst unterhaltsames Bühnenspektakel endete mit viel Applaus, Standing Ovations für die Solisten und für das gesamte Ensemble – ein Bravo für Regie und für die musikalische Leitung, als all jenen die ihren Beitrag zu diesem Premierenerfolg beigetragen haben.
Eine verdammt gute teuflische Leistung – und obwohl dieses Thema schon in den verschiedensten Fassungen bearbeitet wurde, so scheint dieses doch wohl die beste Produktion zu sein, welche in den letzten Jahren auf die Bühne gestellt wurde.
Manuela Miebach 7.5.2019
Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)
Bilder siehe unten!