Dresden: „Der Vetter aus Dingsda“ knallig und bunt

Zwei Operetten als Revueoperetten in der Staatsoperette Dresden

Aufführung in der Staatsoperette Dresden am 08. Juli 2022

Premiere am 29. Januar 2022

Viel Beifall für eine Aufführung der etwas anderen Art

Endlich – nach zweijährigem Aussetzen – kann ich mit meiner Gruppe wieder die Staatsoperette Dresden besuchen und alle haben sich unheimlich darauf gefreut. Vor einigen Jahren der Ausfall durch die Überschwemmung im Haus, jetzt zwei Jahre Ausfall durch Corona, irgendwie reicht es dem Musikfreund und endlich geht es wieder – hoffentlich lange – weiter.

Regie in dem bunten Märchen führt Jan Neumann und er lässt nicht nur mich mit etlichen Fragezeichen zurück. Er versucht die Leichtigkeit und Spritzigkeit der Operette mit tiefsinnigen Erläuterungen und Bearbeitungen auf ein einheitliches Niveau zu bringen – für mich ist das nicht sonderlich gelungen. Der Spagat zwischen Trübsinn und überbordender Freude ist fast nicht machbar – und auch nicht an diesem Abend. Außerdem hat Operette die Aufgabe, jedenfalls nach meiner Auffassung, zu unterhalten, von den Sorgen abzulenken, die Menschen zu erfreuen und nicht Probleme anzureißen oder gar zu lösen. Freuen wir uns, dass wenigstens die musikalische Seite nicht groß angekratzt werden konnte. Das Bühnenbild von Cary Gayler, teilweise bombastisch, teilweise einfach nur albern, lässt riesengroße Biergläser und überdimensionierte Hühnchen auf die Bühne befördern, für mich einfach nur kitschig und ohne jeden Bezug. Aber das ist halt nur meine Meinung und Meinungen sind immer subjektiv. Handwerklich – und das muss man auch sagen – eine aufwendige Arbeit, die hier geleistet wurde. Für mich ist diese wunderschöne kleine Operette, die ich recht gerne höre und sehe, jedoch etwas der Lächerlichkeit preisgegeben worden. Schade, gerade eine Staatsoperette hätte sich mehr auf das Wörtchen Operette einlassen und nicht den Versuch einer tiefsinnigen Deutung probieren sollen und auch nicht jede Operette ist unbedingt geeignet, als Revueoperette in dieser Form umgewandelt zu werden. Die Kostüme von Nini von Selzam sind bunt, knallig, aber der Inszenierung angepasst und schön anzusehen.

Amelie Müller

Der Inhalt dürfte dem Musikfreund ja bekannt sein. Julia kann nicht von ihrer Jugendliebe lassen und schwärmt sein Jahren von ihrem Roderich, mit dem sie jeden Abend ein Rendezvous über den Mond hat. Egon von Wildenhagen, der ein Auge auf sie geworfen hat, hat dagegen keine Chance und Julia träumt bald frei von Onkel und Tante zu leben. Ihre Freundin Hannchen unterstützt sie dabei. Ein Fremder, wird empfangen und bewirtet und gibt sich, nach dem er Hannchen schön und erfolgreich ausgefragt hat, als die verschwundene Jugendliebe Roderich aus, Julia ist glücklich, die Liebe entfacht, bis Egon von Wildenhagen den Schwindel aufdeckt, Julia wendet sich von ihm ab, obwohl sie ihn liebt, aber er ist halt nicht Roderich, der bald darauf erscheint, keine Gedanken je an Julia verschwendet hat, sich Hannchen zuwendet und Julia merkt, dass es nicht auf den Namen, sondern auf den Menschen ankommt – und schon gibt es zwei glückliche Paare. Ach ja, mit mehr Vertrauen in das Original dieser leichtfüßigen Operette hätte man so viel machen können, aber man wollte einfach zu viel – und das war es dann auch schon. Leider war ich doch schon recht enttäuscht von dieser – einfach nicht stimmigen – Darbietung dieser Operette.

Markus Liske, Ingeborg Schöpf

Am Dirigentenpult steht Chefdirigent Johannes Pell, er spielt mit dem Orchester der Staatsoperette recht flott auf, packend, vielleicht manchmal ein kleines bisschen zu laut, aber er hat alles im Griff und liefert eine mehr als gute Leistung ab. Den Musikern merkt man auch an, dass sie Freude an den Melodien haben, die sie sauber und ohne Fehl und Tadel abliefern. Zu Recht mit viel Beifall bedacht. Bei den Sängern gibt es diesmal viel Licht, aber auch einige Schatten. Doch der Reihe nach.

Zuerst zu nennen ist die Berlinerin Amelie Müller, die Julia de Weert verkörpert. Ihr klarer, schöner und ausdrucksstarker Sopran weiß zu gefallen, auch spielerisch gibt sie alles, soweit es in den Rahmen der Regie passt. Auf jeden Fall ist sie ein ausgesprochener Positivposten. Ebenso wie die geborene Österreicherin Christina Maria Fercher als ihre Freundin Hannchen. Sie besitzt eine hübsche, quirlige Stimme, sicher und geschmackvoll geführt, mit leidenschaftlichem Charme. Leider muss sie von der Regie her teilweise herumhampeln, hektisch und unkoordiniert, warum, weiß vermutlich nur der Regisseur. Schade, dass dadurch ihre blitzsaubere Leistung etwas geschmälert wird. Aber das ist nicht ihr anzulasten.

Onkel Josef Kuhbrot wird von dem geborenen Berliner Markus Liske vollkommen rollendeckend dargeboten. Sein markanter, durchschlagskräftiger Bariton und seine darstellerische Leistung machen sogar richtig Spaß, ebenso wie der Auftritt seiner Gattin Wimpel, die von der geborenen Österreicherin Ingeborg Schöpf dargestellt wird. Sie, ein Urgestein der Staatsoperette Dresden, steht hier seit 24 Jahren auf der Bühne und diese Erfahrung merkt man ihr bei jedem Ton und jeder Geste an. Gemeinsam mit ihrem Partner macht sie ein kleines Kabinettstückchen aus der Rolle, in der sie auch gesanglich ohne Fehl und Tadel bleibt.

Nikolaus Nitzsche, Christina Maria Fercher

Ein weiteres Urgestein der Staatsoperette ist der Wiener Andreas Sauerzapf. Er, der seit 12 Jahren in Dresden ist, verkörpert Egon von Wildenhagen. Gesanglich hat er keinerlei Probleme, sein gefälliger, leichter und stimmschöner Tenor geht richtig in der kleinen Rolle auf, die er natürlich auch gestalterisch exzellent verkörpert. Dass er seinem Pferd leider manchmal ein bisschen zu viel Zucker geben muss, liegt wieder an der Regie und kann man ihm nicht vorwerfen. Der tschechische Tenor Václav Vallon, der seine erste Saison in Dresden ist, verkörpert den 1. Fremden (August Kuhbrot). Bei ihm bin ich etwas geteilter Auffassung. Auf der einen Seite lässt er durchaus einen gefälligen, weichen, sanften, wohlklingenden Tenor durchblicken, auf der anderen Seite, ist er für mich insgesamt etwas zu schwach, zu zurückhaltend, zu viel gebremster Schaum, zu wenig durchschlagskräftig. Sicher kann er sich hier in der Zukunft noch entsprechend steigern, zu wünschen ist es ihm und natürlich auch seinem Publikum. Darstellerisch hat der die Rolle durchaus im Griff. Nikolaus Nitzsche, in Riesa, im sächsischen Landkreis Meißen geboren, gibt den 2. Fremden (Roderich de Weert) und er tut dies mehr als überzeugend. Mit seinem kräftigem, robusten, voluminösem und stimmschönem Bariton weiß er zu überzeugen und es ist schade, dass er nur diese kleine Rolle verkörpert. Eine sehr gute Leistung.

Als Dienerpaar Karl und Hans stehen Dag Hornschild und Christian Berger auf der Bühne. Sie geben schauspielerisch alles und füllen ihre Rollen völlig aus.

Wie schön wäre doch ein Besuch in der Staatsoperette Dresden, wenn nicht Schicksalsbewältigung sondern Operette auf dem Spieleplan stände, wenn weniger Revue und mehr Operette verwirklicht werden würde und wenn auch Regisseure langsam verstehen lernen, dass ein Publikum, gerade in der heutigen Zeit, unbeschwert unterhalten werden, einige Stunden vom Alltagstrott abschalten möchte und nicht auf der Operettenbühne mit einer aufgezwungen, durch nichts gerechtfertigten Problematik konfrontiert wird.