Eine Ära geht zu Ende an der Staatsoperette Dresden
am 30. April 2016
Premiere am 29. April 2016
Tosender Beifall für eine tolle Aufführung und Wehmut wegen des Abschieds vom „alten Haus“
Die letzte Premiere im alten Haus, welches am 02.10.1947 mit „Die lustige Witwe“ eröffnet wurde, ist – wie könnte es anders sein wieder diese „Die lustige Witwe“. So schließt sich der Kreis nach fast 70 Jahren. Das Ausweichquartier in Leuben wird bald Geschichte sein und mitten in der Innenstadt Dresdens wird im Dezember dieses Jahres ein neu gebautes Operettenhaus seine Pforten öffnen. In der heutigen Zeit ein Schritt, der von Weitblick und Mut zeugt, aber auch von der Tatsache, dass Dresden die Verschuldungen anderer Städte nicht in dem Umfang hat und sich den Neubau „seiner“ Staatsoperette leisten kann und vor allem will. Das Publikum, welches auch in Leuben treu geblieben war, wird es ihm danken. Der rührige Intendant Wolfgang Schaller steht kurz vor der Erfüllung seine Lebenstraumes – Operette im neuen Haus mit Drehbühne, mit genügend Umkleiden, mit allen technischen Vorzügen der Neuzeit usw. Wenn er vom Umzug spricht, strahlen seine Augen und das kleine bisschen Nostalgie, welches am alten Haus hängt, ist schnell verflogen. Auch beim Publikum, welches den Umzug kaum erwarten kann, was ich in vielen Gesprächen in der Pause und auch nach der Aufführung hautnah erleben konnte, ist die Vorfreude auf das neue Haus hautnah zu spüren. Und ja, auch ich freue mich, dass es das noch gibt, dass in der heutigen Zeit ein modernes Musiktheater der leichten Muse entsteht – und dies gibt Hoffnung.
Ingeborg Schöpf als Hanna Glawari
Wie sagt Franz Lehár selbst über sein Meisterwerk: „In der lustigen Witwe habe ich versucht, auf die Bretter der Operettenbühne lebendige Menschen zu bringen. Der Held der Operette Danilo, will die reiche Witwe nicht heiraten, weil er sich eben nicht verkaufen möchte. Erst als er von ihr hört, dass sie angeblich arm ist (da ihr Geld ihr neuer Gemahl erhält) gibt er seiner Liebe Ausdruck. Der Triumph der Liebe über den Materialismus, das ist der ethische Sinn der Handlung trotz der Operettenausstattung“ Soweit Lehár. Gott sei Dank, dass seine Musik weitaus schmissiger ist, als seine fast philosophischen Worte zu dem Stück.
Und wir bekommen heute eine exzellente Aufführung zu hören und zu sehen. Sebastian Ritschel, der für die Inszenierung verantwortlich ist, nimmt das Stück ernst. Zusammen mit Radek Stopka, der für die Choreografie verantwortlich zeichnet und Christof Cremer, der für das Bühnenbild und die Kostüme zuständig ist, zaubern sie ein märchenhaftes Stück auf die Bühne. Gut, manches ist etwas stilisiert, so der große Tresor inmitten der Bühne, aus welcher die reiche Erbin auftritt, ebenso wie die leeren Schließfächer, wo in einem Danilo nach seiner durchzechten Nacht ausschlafen will. Jedoch es passt alles, vor allem dann im dritten Akt, wo das Ballett zu den Klängen aus „Pariser Leben“ von Jaques Offenbach einen wilden CanCan Ritt auf die Bretter, die die Welt bedeuten, zaubert. Das Ballett der Staatsoperette kann sich sehen lassen und trägt viel zum Erfolg der Aufführung bei.
Das Orchester der Staatsoperette Dresden ist an diesem Abend wieder einmal sehr gut aufgelegt. Es lässt es richtig krachen, schwungvoll, fast übermütig und toll aufgelegt, aber auch die sentimentalen Passagen problemlos meisternd, sind sie der Garant der Aufführung, der Boden auf dem sich alles andere aufbaut. Andreas Schüller lässt das Orchester galoppieren, seufzen und in schwelgerischen Tönen baden, wie es gerade gebraucht wird. Er führt es mit sicherer Hand und nimmt es behutsam. zurück, wenn die Orchesterwogen drohen die Sänger zu übertönen. Ein gut aufeinander eingespieltes Team bringt Höchstleistung und erarbeitet sich völlig zu Recht den Applaus des Publikums.
Andreas Sauerzapf und Christian Grygas als Danilo
Der nun ja, sagen wir mal der Arbeit nicht gerade zugetane Lebemann Graf Danilo Danilowitsch, ein Schwerenöter, Weiberheld und Lebenskünstler wird eindrucksvoll von Christian Grygas gesungen und gespielt. Sein gepflegter klangschöner und voller Bariton weiß in jeder Sekunde voll zu überzeugen, ob in seinen Soli oder in den gefühlvollen Duetten. Er trägt die Operette und er macht dies auf eine ganz überzeugende Art und Weise. Ihm zur Seite Ingeborg Schöpf als lebenslustige Hanna Glawari, die lustige Witwe. Ingeborg Schöpf ist seit vielen Jahren eine Stütze der Staatsoperette und es ist beeindruckend, wie sie immer noch diese Rolle voller Saft und Kraft gestaltet. Mit zartem, aber auch feurigem und strahlendem Sopran reißt sie das Publikum zu Beifallsstürmen hin. Ihr Pianissimo dringt in den letzten Winkel der alten Staatsoperette und man merkt richtig, wie das Publikum die Luft anhält um die letzten flirrenden Töne ja nicht zu verpassen. Für mich ein Traumpaar, welches bei dieser Zweitpremiere auf den Brettern steht. Eine solide Leistung bringt Gerd Wiemer in der kleinen Rolle des Baron Mirko Zeta.
Ingeborg Schöpf und Christian Grygas
Seine Frau Valencienne, die ja, wie wir alle wissen eine anständige Frau ist, wird von Maria Perlt verkörpert. Sie, die mich schon so oft begeistert hat, ist an diesem heutigen Abend etwas zu zurückhaltend, manchmal auch etwas schwer zu verstehen. Vielleicht eine kleine Indisposition, die nicht angesagt wurde. Ihr tenoraler Liebhaber wird von Richard Samek mit durchschlagendem kräftigem Tenor gegeben, er meistert die teilweise problematischen Tücken dieser Rolle ohne Fehl und Tadel. Auch in den Duetten mit Maria Perlt weiß er zu überzeugen und auch sie geht hier etwas mehr aus sich heraus. In allen weiteren, recht vielen kleinen Nebenrollen gibt es keinerlei Ausfälle, alle wissen zu überzeugen. Einer jedoch muss noch besonders hervorgehoben werden. Andreas Sauerzapf in der eigentlich kleinen und unbedeutenden Rolle als Kanzlist Njegus hat einen wesentlich bedeutenderen Part als kommentierenden und lenkenden Tanzmeister in der Operette übernommen. Er führt praktisch durch das Geschehen und er tut dies so, dass ihm prasselnder Zwischenapplaus bei seinen Auftritten völlig zurecht zukommt. Eine Art Mephisto, der alle Fäden in der Hand zu haben scheint und mit eindrucksvollen Auftritten fast zu einer Hauptfigur dieser Inszenierung wird. Ein toller Einfall, der auch völlig zu Recht beim Publikum punktet. Nicht zu vergessen auch der Chor, der mit vielen Auftritten vorzüglich von Thomas Runge eingestimmt worden ist.
Schlussapplaus mit Ensemble und Dirigent
Insgesamt macht diese letzte Premiere im alten Haus der Staatsoperette Spaß. Sie gefällt, nimmt das Publikum mit und lässt für das neue Haus hoffen. Ich bin gespannt, wie es im Dezember in der neuen Staatsoperette weitergehen wird. „Orpheus in der Unterwelt“, also Jaques Offenbach, der ja heute schon in der „Lustigen Witwe“ angeklungen ist, wird die neue Spielzeit als Operette vermutlich eröffnen. Ich bin gespannt auf die Inszenierung, aber mehr noch auf das neue Haus und werde sicher nicht das letzte Mal in Dresden gewesen sein.
Manfred Drescher 10. Mai 2016
Bild 1 und 2 von Marlies Kross, 3 und 4 Eigenaufnahmen