Bremerhaven: „Der Liebestrank“

Premiere am 28.04.2018

Von bezaubernder Leichtigkeit

Er hat es – das leichte Händchen für Operetten und komische Opern. Und er hat es in Bremerhaven wiederholt bewiesen, bei „Gräfin Mariza“, bei „Madame Pompadour“, bei „Othello darf nicht platzen“ und (mit kleinen Einschränkungen) auch beim „Vetter aus Dingsda“. Die Rede ist vom Regisseur Ansgar Weigner, dem jetzt mit Gaetano Donizettis „L’elisir d’amore“ („Der Liebestrank“) wieder ein veritabler Volltreffer gelungen ist.

Schon das Bühnenbild von Martin Käser sorgt für gute Laune: Ein Platz in einem italienischen Städtchen mit einer Bar, einer Kirche und einer Autowerkstatt mit dem Namen „Riat“ – alles in vergnüglichen, quietschbunten Bonbonfarben. Wäsche hängt an den über die Gassen gespannten Leinen; und auf dem Platz tummelt sich vom Bäcker und vom Portier bis zum Gärtner und zum Pfarrer die ganze Dorfgemeinschaft.

Nemorino arbeitet in der Autowerkstatt, Gianetta ist die Kellnerin in der Bar. Adina tritt in signalrotem Kleid und mit einem Koffer auf. Sie ist gebildet und belesen und hat, nicht nur durch die Brille, die sie trägt, den Durchblick. Im Programmheft heißt es: „Adina kehrt heim aus der großen, weiten Welt in die Kleinstadtidylle ihrer Jugend.“

Weigner bringt das turbulente Geschehen in dieser Kleinstadtidylle mit bezaubernder Leichtigkeit auf die Bühne. Kleine Gags werden dezent und wohldosiert gesetzt. Die Inszenierung ist durchgängig von wohltuender Frische und Herzlichkeit geprägt und bleibt dabei völlig klamaukfrei, obwohl tatsächlich einmal eine Sahnetorte fliegt. Und auch kleine ironische Tupfer hält Weigner bereit, etwa wenn die Chordamen beim Kuss von Adina und Nemorino verzückt aufseufzen.

Mit viel Liebe zum Detail charakterisiert er die Personen. Herrlich gelingt das bei dem eitlen und narzisstischen Belcore, der trotz aller Selbstgefälligkeit sympathisch bleibt. Dulcamara kommt mit Hornbrille, blonder Mähne und extravagantem Anzug wie ein verkrachter, aber schlitzohriger Intellektueller daher. Nemorino ist alles andere als ein Tollpatsch, aber seine verzweifelte Liebe zu Adina macht ihn anfällig für Dulcamaras Liebestrank-Versprechen.

So vergnüglich wie die szenische Gestaltung, so beglückend fällt auch die musikalische Seite aus. Ektoras Tartanis sorgt am Pult des Philharmonischen Orchesters für lebendigen Schwung. Er begleitet die Sänger sensibel, heizt aber in den Finali auch das Tempo gehörig an.

Der Chor (in der bewährten Einstudierung von Mario Orlando El Fakih Hernández) präsentiert sich, auch im Spiel, in Bestform. Mit Tijana Grujic steht eine anmutige, selbstbewusste Adina zur Verfügung, die auch stimmlich aus dem Vollen schöpft. Vikrant Subramanian glänzt mit elegantem Bariton und ausgesprochener Spielfreude als Belcore. Für Leo Yeun-Ku Chu ist die Partie des Dulcama ein „gefundenes Fressen“, in der er seine Bassqualitäten und sein komödiantisches Talent bestens zur Geltung bringt. Alice Fuder gibt die Gianetta mit Charme und Präsenz. Aber für das herausragende sängerische Ereignis sorgt Kwonsoo Jeon als Nemorino. Was für ein Tenor! Die Stimme hat einen runden Klang und ein ausgesprochen schönes Timbre. In allen Lagen strömt sie mit ungefährdetem Glanz. „Una furtiva lagrima“ ist natürlich der Höhepunkt, für den es besonders begeisterten Beifall gibt. Aber die Leistung von Jeon ist durch die ganze Partie ohne jegliche Abstriche beglückend. Belcanto vom Feinsten in Bremerhaven!

Wolfgang Denker, 29.04.2018

Fotos von Heiko Sandelmann