Bern: „Tod eines Handlungsreisenden“

Arthur Miller

Premiere: 15. Februar 2020

Besuchte Vorstellung: 20. Februar 2020

Das Schauspiel von Arthur Miller in der deutschen Fassung von Volker Schlöndorff hat nichts von seiner Aktualität verloren. Das Werk wurde 1949 zu Beginn der McCarthy-Ära uraufgeführt. Miller, der 1953 in seinem Theaterstück Hexenjagd die Hetze der McCarthy-Ära kaum verhohlen kritisiert hatte, wurde 1956 von der Untersuchungsbehörde “Committee on Government Operations“ vorgeladen. Er erschien in Begleitung seiner Frau Marilyn Monroe und weigerte sich, irgendwelche Namen von Weggefährten zu nennen. Arthur Miller wurde verurteilt und legte Berufung ein, welcher schlussendlich 1958 vom Appellationsgericht in Washington stattgegeben wurde.

Dies könnte auch unter der heutigen amerikanischen Administration geschehen. Die sozialen Missstände in Amerika haben sich in den letzten 71 Jahren für einen grossen Teil der Bevölkerung Amerikas nur unmerklich verbessert. Der “AMERICAN DREAM“, vom Tellerwäscher zum Millionär, wird von Donald Trump zwar beschworen aber ad absurdum geführt. Die amerikanischen Militärausgaben steigen ins unermessliche, Steuern für Reiche werden gesenkt und dafür die Sozialleistungen für grosse Teile der Bewohner der USA gekürzt oder gleich ganz gestrichen.

Die Personenführung des Regisseurs Gerd Heinz legt grossen Wert auf die Übereinstimmung von Text mit der Körpersprache, der Mimik und der Gestik. Dies ist ihm bei seinem Bühnenteam hervorragend gelungen. Dazu kommt, dass er die gesamte Tiefe und Breite der Berner Bühne als Spielort verwendet.

Interessant ist auch die dramaturgische Darstellung der Zeitsprünge, welch von der Gegenwart in die Zukunft und wieder zurück in die Gegenwart pendelt und im Tode Willy Lomans endet. Eigentlich erlebt die Zuschauerin, der Zuschauer das Stück als ein “Memento Mori“, als eine Rückerinnerung.

Was auffällt, ist der fehlende Bezug zur heutigen Zeit sowohl im politischen als auch im gesellschaftlich/sozialen Kontext. Gerd Heinz zeigt ein Frauenbild aus dem Jahr 1949. Die #MeToo 2019 Bewegung aber hat auf die Regie keinen Einfluss gehabt. Ebenfalls wird ausgeklammert, dass sich die amerikanische Gesellschaft zwar verändert hat, dass aber die soziale Ungleichheit, Ungerechtigkeit heute ebenso gross ist wie nach dem zweiten Weltkrieg. Vom Dramaturgen hätte man sich eine modernere Aufarbeitung des Werkes erwartet. Schade!

Die Schauspielerinnen und Schauspieler interpretieren ihr Rollen innerhalb der in der Spielanlage gesetzten Grenzen ausgezeichnet. Speziell fällt dabei allen voran Jürg Wisbach als Kaufmann Willy Loman und Chantal Le Moign als dessen Frau Linda. Da wird auf hohem Niveau Theater gemacht. Gut gefallen haben auch die beiden Söhne, Luka Dimic spielte den kritisch eingestellten Sohn Biff Loman und Gabriel Schneider als Happy Loman. Speziell erwähnenswert ist die live gespielte Bühnenmusik, komponiert und auf dem Tenorsaxophon interpretiert von Marc Stucki.

Die Bühne und die Kostüme wurden von Lilot Hegi entworfen. Das stimmige Lichtdesign stammt von Christian Aufderstroth.

“DAS IST EINE ZEITBOMBE UNTER DEM AMERIKANISCHEN KAPITALISMUS“ (Zwischenruf bei der Uraufführung am Broadway) Nun, diese Zeitbombe hat im Jahr 2020 in Bern nicht gezündet.

Das Publikum belohnte die Arbeit mit dem verdienten Applaus vor allem für die hervorragende schauspielerische Leistung.

Peter Heuberger, Basel

© Annette Boutellier