Mailand: „La Rondine“, Giacomo Puccini

© Brescia&Amisano

Giacomo Puccinis unpopulärstes und am seltensten gespieltes Werk fand nun, im Puccini-Jahr, Produktionen an verschiedenen Haeusern, so auch an der Scala, wo es bisher überhaupt erst zweimal (1940 und 1994) gegeben worden war.  Die Inszenierung dieser Komposition, die so gern als Zwitterwesen zwischen Oper und Operette bezeichnet wird, fällt – nach den bisherigen Kritiken zu urteilen – den damit beauftragten alles andere als leicht, obwohl es meiner Ansicht nach das Beste wäre, sich an Puccinis Korrespondenz zu halten, in der sehr deutlich steht, dass er keine Operette zu schreiben wünsche. Was er als „Commedia lirica“ bezeichnete, würde man im Deutschen wohl am ehesten ein „Konversationsstück“ nennen. (Immerhin hat er auf den „Rosenkavalier“ Bezug genommen, nur sollte der Text etwas weniger „wortreich“ sein, wie er schrieb). Und so müsste eine gelungene szenische Umsetzung wohl sein – leicht, duftig. Dazu bedürfte es allerdings auch bei diesem vernachlässigten Stück einer szenischen Leitung, die sich an diese Vorgaben hält.

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Das traf auf Regisseurin Irina Brook leider ganz und gar nicht zu. Sich wieder einmal am eigenen Ego abarbeitend, stellt sie ein alter ego auf die Bühne, das die Geschichte von Magda und Ruggero ihrerseits inszeniert. Also wieder einmal mehrere Interpretationsschichten, die einem so zarten, eben duftigem Werk nur schaden können. In grellem Zirkusmilieu (Bühnenbild: Patrick Kinmonth, von dem auch die banalen Kostüme stammen) läuft der erste Akt ab, der doch gepflegte Salonkonversation vermitteln sollte, unsäglich das Ballett im zweiten Akt (Choreographie: Paul Pui Wo Lee), in dem sich Zirkusleute tummeln, während der (sehr laute) Chor nur herumsteht. Dazu stört die fingierte Regisseurin, die als Double Magdas deren innere Zerrissenheit darstellen soll (als ob Puccinis Musik das Schwanken zwischen Exaltiertheit und bösen Ahnungen nicht genug zum Ausdruck brächte). Die Meereslandschaft im 3. Akt, in die sich das Liebespaar zurückgezogen hat, sieht dann recht hübsch aus, obwohl mir der Hinweis auf einen vom Libretto vorgeschriebenen Pavillon in Form eines winzigen Modells kindisch erschien. Hier wuseln dann mehrere Magdas (ich glaube, es waren sechs) herum, offenbar um das Auf und Ab der Gefühle der Protagonistin zu verkörpern. Puccini, der mit dem Schluss unzufrieden war, bastelte noch zwei andere Altschlüsse mit dramaturgisch verschiedenen Lösungen, aber an der Scala wurde die erste Fassung gegeben (abgesehen davon, dass vor kurzer Zeit auch eine Art Urfassung gefunden wurde, die dem Komponisten offenbar zu kühn war, denn hier kehrte die Kurtisane zu ihrem Bankier zurück, als ihr klar wurde, dass sie für ein stilles Hausfrauenleben unter dem wachsamen Auge der Schwiegermutter nicht gemacht war). Es kommt zu Magdas tränenreichem Verzicht, der Ruggero (warum eigentlich nicht Roger?) verzweifelt zurücklässt.

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Die musikalische Seite ließ schon insofern zu wünschen übrig, als Riccardo Chailly am Pult des Orchesters des Hauses einem harten Zugriff frönte und immer wieder zu laut spielen ließ. Vor allem das große Ensemble im zweiten Akt artete punkto Lautstärke aus, wurde aber vom Publikum mit Szenenapplaus merklich goutiert. Die titelgebende Schwalbe fand in Mariangela Sicilia eine stimmlich würdige Vertreterin mit wunderschönen filati (wobei sie allerdings vor deren übermäßigem Gebrauch gewarnt sei). Trotz ihres guten Aussehens fehlte ihr ein wenig die Ausstrahlung, doch war ihr das Fehlen einer geeigneten Regie sicher keine Hilfe. Ruggero, eine wenig charakterisierte, undankbare Rolle, wurde von Marcello Lippi stimmlich gut  verkörpert; sein etwas tollpatschiges Auftreten passte zu der Figur, die noch durch eine scheußliche Brille verunstaltet wurde (seit dem von Konwitschny als laxer Bücherwurm gezeichneten „Traviata“-Alfredo offenbar ein must für wehleidige Tenorfiguren). Dem Poeten Prunier verlieh Giovanni Sala, dessen Organ stark zum Charaktertenor neigt, scharfes Profil. (Dass damit auch der damals im Schwange stehende Dichter Gabriele d’Annunzio karikiert wurde, dürfte der Regisseurin entgangen sein. Ein Beweis dafür ist Pruniers Verhältnis mit Lisette, der Zofe Magdas, schenkte d’Annunzio trotz hochtrabender Töne doch im geheimen seine Gunst gern dem weiblichen Dienstpersonal). Diese Lisette gestaltete die junge Spanierin Rosalia Cid mit unbefangenem Auftreten und klarer, schön geführter Stimme. Der Bankier Rambaldo, Magdas Liebhaber, fand in Pietro Spagnoli einen eleganten Vertreter. Mit Ausnahme der Damen Aleksandrina Mihaylova (Yvette), Martina Russomanno (Bianca) und Andrea Nino (Suzy), Freundinnen Magdas, bestand die gesamte restliche Besetzung aus Mitgliedern der Accademia della Scala bzw. Chorsolisten.

Der Schlussapplaus reichte nicht für Einzelvorhänge – eigentlich kein Wunder, wenn 105 Minuten Musik mit zwei Pausen à 25 Minuten aufgeblasen werden und ein ermüdetes Publikum das Weite sucht.

Eva Pleus, 26. April 2024


La Rondine
Giacomo Puccini

Teatro alla Scala, Mailand

12. April 2024

Inszenierung: Irina Brook
Musikalische Leitung: Riccardo Chailly
Orchestra del Teatro alla Scala