Novara: „Donna di Veleni“

Aufführung am 14.2.20 (Uraufführung)

Geheimnisvolles Sizilien

Das Haus, das in den letzten Jahren so viele interessant besetzte und vorzüglich dirigierte Opern herausgebracht hat, setzte nun wieder einmal auf ein Auftragswerk. Marco Podda, in Triest niedergelassener Spezialist für Phoniatrie, hat sich auch als Komponist einen Namen gemacht und wurde beauftragt, ein Libretto von Emilio Jona zu vertonen. Der 1927 in Biella geborene Autor, u.a. Verfasser des Librettos von Giacomo Manzonis „Atomtod“ (1964), ließ sich vom reichen Sagenschatz Siziliens inspirieren, in dem einer Donna di veleni immer wieder große Bedeutung zukommt. Wörtlich übersetzt bedeutet der Ausdruck „Giftfrau“, aber gemeint ist damit die archaische Frau, die um Kräuter und deren Wirkung, um Liebestränke und den „bösen Blick“ weiß. Also keine Hexe, aber als zauberisches Wesen doch in der Lage, das Schicksal von Menschen, die zu ihr um Rat kommen, zu beeinflussen.

Erzählt wird die Geschichte von Maria, einer jungen Frau, die als Neugeborenes in einem Kloster abgegeben wurde, weil es sich um eine „Frucht der Schuld“ handelt. Herangewachsen, verliebt sie sich in einen Burschen, der ihr aber nicht nahekommen darf. Kurz darauf wird sie von dem reichen Ruggero entführt und vergewaltigt, was zu einer „reparierenden“ Eheschließung (=matrimonio riparatore) führt. Maria hasst ihren Gatten dafür und begibt sich schließlich zu der Zauberin, gefolgt von Ruggero. Beide bitten sie um einen Trank: Maria will damit Ruggero töten, Ruggero hingegen damit Marias Liebe erlangen. Die weise Frau bereitet einen solchen zu und prophezeit, dass er für eine der beiden Personen tödlich sein wird. Schließlich trinkt ihn Ruggero und stirbt tatsächlich. Die Zauberfrau führt Maria, die nun ein neues Leben beginnen kann, in dem auch ihr vormaliger Schwarm keine Rolle mehr spielen wird, hinweg.

Der Text ist mit zahlreichen Wörtern des sizilianischen Dialekts angereichert und klingt sehr poetisch, obwohl die Handlung etwas abstrus erscheinen mag. Poddas Musik ist auch immer wieder von sizilianischen Volksliedern inspiriert, gibt den Holz- wie den Blechbläsern viel Raum, bleibt tonal und tut niemandem weh.

Ziemlich speziell fiel die Regie von Alberto Jona aus, ist er doch der Begründer des schon länger bestehenden Controluce, Teatro d’ombre (=Gegenlicht, Schattentheater), wo mit Hilfe von Cora De Maria und Jenaro Meléndrez Chas visuelle Effekte erzielt werden, die sehr gut zu dem geheimnisvollen Sujet passten. Ergänzt wurde dieser Eindruck zwischen Traum und Wachsein durch das Bühnenbild (Alice Delorenzi), das zunächst ein großes Himmelbett zeigte, später dann eine Art Höhle für die Magierin.

Die Rollen sind sehr singbar, obwohl von Ruggero (Tenor) einige recht dramatische Ausbrüche verlangt werden. Danilo Formaggia ist vom Auftreten und der Physis her nicht das egoistische Mannsbild, das sich eine Frau einfach „einverleibt“, sang aber überzeugend sowohl die dramatischen, als auch die lyrisch flehenden Stellen. Der nur „Amante“ genannte Bursche, auch Tenor, wurde von Matteo Mezzaro, meist aus dem Off, strahlend gesungen. Maria schien mir mit Júlia Farrés-Llonguerras etwas unterbesetzt, entledigte sich ihrer Aufgabe aber mit Anstand. Über allen stand, stimmlich und vor allem als Persönlichkeit, Paoletta Marrocu in der Titelrolle, der man ihre ambivalente Stellung gegenüber der Welt jederzeit abnahm, wobei sie bedeutende Höhen und Tiefen beeindruckend meisterte.

Der Coro San Gregorio Magno unter Mauro Rolfi und der Kinderchor des Teatro Coccia (Paolo Beretta und Alberto Veggiotti) setzten ihre umfangreichen Parts bewundernswert sicher um. Vittorio Parisi leitete umsichtig das aus 20 Elementen bestehende Dèdalo Ensemble.

Freundliche Zustimmung für die doch eine Herausforderung bedeutende Uraufführung.

Eva Pleus 18.2.20

Bilder: Mario Finotti