Novara: „Madama Butterfly“

Premiere am 24.2.17

Gott, war das schön!

Das war eine der erschütterndsten Produktionen, die ich in meinem an Vorstellungen des Meisterwerks von Giacomo Puccini reichen Opernleben gesehen und gehört habe. Doch bevor über die stimmige Inszenierung berichtet werden soll, möchte ich die Interpretin der Titelrolle vorstellen, die Slowenin Rebeka Lokar.

Die aus Marburg stammende Künstlerin wurde zunächst als Mezzo ausgebildet und sattelte Ende 2010 auf Sopran um. In diesem Fach singt sie so dramatische Rollen wie Abigaille, Turandot oder Manon Lescaut. Für mich war sie in diesem ihrem Rollendebüt eine richtige Entdeckung, denn es handelt sich um eine wirklich große Stimme mit apartem Timbre, die auf fundierter Technik aufbaut. Dazu ist die groß gewachsene Sängerin eine intensive Gestalterin, die auch mimisch viel zu bieten hat. Es gab nicht nur nach „Un bel dì vedremo“ Szenenapplaus, sondern es wurde zweimal im 2. Akt spontan geklatscht, weil sich das Publikum ihrer Leistung nicht entziehen konnte. Ich muss gestehen, dass ich alle meinen bei der trotz des großartigen Dirigats von Riccardo Chailly kalt lassenden Produktion der Scala-Eröffnung 2016/17 nicht vergossenen Tränen hier freien Lauf lassen konnte…

Sehr berührend im Spiel und mit pastosem Mezzo war die Suzuki der Georgierin Sofia Janelidze und besonders scharf charakterisiert der verschlagen-komödiantische Goro des Spaniers Jorge Juan Morata. Der Pinkerton von Ivan Defabiani ließ mehr sein hochinteressantes, strahlendes Material sprechen, als die Figur zu verkörpern, aber das passt eigentlich ganz gut zu dem oberflächlich fühlenden Mann. Sehr elegant, zunächst distanziert, dann mitfühlend gestaltete Sergio Bologna den Sharpless. Der Italokanadier Enrico Rinaldo gab einen bedrohlichen Zio Bonzo, Vittoria Vimercati eine verschüchtert wirkende Kate Pinkerton. Nur der Yamadori von Lorenzo Malagola Barbieri klang recht brüchig. Intensiv und beteiligt spielte die kleine Susanna Gallese Butterflys Kind Dolore.

Damit wären wir bei der Regie von Renato Bonajuto, die im traditionellen Rahmen der wunderbar pastellfarbenen Ausstattung von Laura Marocchino auf allzu aufdringliches Trippeln der weiblichen Figuren verzichtete und die Tragödie der „kleinen Japanerin“ intensiv herausarbeitete bis hin zum selten so eindringlich gesehenen Selbstmord. Es war auch bewundernswert, wie es dem Regisseur gelang, die eher klein gewachsenen Interpreten von Pinkerton und Sharpless (aber vor allem natürlich den ersteren im 1. Akt) immer so zu gruppieren, dass das Gardemaß der Sopranistin nicht störte und es zu einem eindrucksvollen Liebesduett kam, obwohl sich die Partner nie im Stehen umarmten. Das nenne ich Handwerk im positivsten Sinn!

Auch der von Mauro Rolfi einstudierte Coro San Gregorio Magno hat sich in den Jahren, seit er in Novara zum Einsatz kommt, stark verbessert und gefiel speziell mit dem fein austarierten Summchor. Am Pult des Orchestra del Teatro Coccia (Dozenten und Meisterschüler des Konservatoriums der Stadt im Piemont) stand mit Matteo Beltrami der Musikdirektor des Hauses und ließ Puccinis so zu Unrecht wiederholt (z.B. von Gérard Mortier, dem ich diese Behauptung über das Grab hinaus nicht verzeihen kann) als kitschig bezeichnete Musik in all ihrer Modernität und bestürzenden Dramatik wiedergeben.

Ein mit größter Begeisterung aufgenommener Abend.

Eva Pleus 26.2.17

Bilder: Finotti / Mainino / Moro-Dessì