Wien: „Die stumme Serenade“, Erich Wolfgang Korngold

Mit seiner Oper „Die tote Stadt“ von 1920 ist es Erich Wolfgang Korngold tatsächlich gelungen, sich einen Platz in den Opernrepertoires zu sichern. Das wirkungsvolle Werk wird immer wieder gespielt. Kein anderes seiner Bühnenstücke konnte sich hingegen in den Spielplänen, ja nicht einmal im Bewusstsein der Opernfreunde halten. Dabei hat ihn sein Ehrgeiz. Bühnendramatisches zu schaffen, nie verlassen. 1946, längst erfolgreicher und „Oscar“-gekrönter Filmkomponist in Hollywood, schrieb er „Die stumme Serenade“ (was an sich schon ein Unglückstitel ist, weil man sich nichts darunter vorstellen kann), laut Selbstdefinition ein „Stück mit Musik“.

Laut Theater an der Wien, das das Werk nun mit erklecklicher Verspätung in der Kammeroper zur szenischen österreichischen Erstaufführung brachte, ist es ein für den Broadway vorgesehenes Werk, in dem Korngold „die goldenen Zeiten der Wiener Operette mit jazzigen Schlagern aufmischt“.

So recht gelungen ist das trotz einer stürmisch umjubelten Premiere doch nicht. Die erste Crux: das Libretto. Da haben zu viele Köche den Brei verdorben, abgesehen davon, dass keine Profis am Werk waren (die saßen und starben in den Vernichtungslagern der Nazis) – der noble Raoul Auernheimer war trotz seines Händchens für Heiterkeit keiner (Libretto-Profi nämlich), Korngold selbst, der unter dem Pseudonym Victor Clement mitschrieb, auch nicht, und Bert Reisfeld konnte (wenngleich er immerhin mit „Mein kleiner grüner Kaktus“ für die Comedian Harmonists geschrieben hat) auch nichts retten. Die Geschichte, die in Neapel spielt, mit einer Revolution (welcher?) im Hintergrund, ist einfach zu dumm, dumm, dumm, sie unterbietet auch, was man mit dem Seufzer „Na ja, Operette, was erwartet man da schon Gescheites“ hinzunehmen bereit ist.

(c) Herwig Prammer

Eine schlafwandelnde Diva, die einen Überfall auf sich erfindet, für den ihr Schneider (der sie leidenschaftlich liebt), sterben soll, ein intriganter Polizeiminister und ein vertrottelter Ministerpräsident, dazu noch mit „Louise“ und einem Reporter ein zweites Paar ohne Funktion und einige Nebenfiguren – da rollt eine haarsträubend alberne Handlung ab.

Was durch erstklassige Musik versüßt werden könnte, was aber leider nicht geschieht. Korngold komponierte das Werk wie jemand, der das Komponieren aus dem Effeff beherrscht, dem aber eigentlich nichts zu dieser Geschichte eingefallen ist. Das Operettenschmalz schmalzt nicht, die Melodik geht nicht ins Ohr, ein bisschen Zwanziger-Jahre-Pepp zündet kaum, nicht einmal wirkliche Filmmusik rauscht auf, echte Operette ist so weit entfernt wie echtes Musical. Kein Wunder, dass niemand das Werk spielt. Dass die Wiener Aufführung zur Wiederentdeckung führen könnte, kann man sich eigentlich nicht vorstellen.

Was da so naiv-dümmlich gestrig war, versucht Regisseur Dirk Schmeding, den in Österreich vor allem die Grazer kennen werden, mit einer Mischung aus permanenter Slapstick-Ironie und einer Ausstattung, die aus der Regenbogenparade geliehen scheint (Bühne und Kostüm: Pascal Seibicke), einen flott-schräg-zeitgenössischen Anstricht zu geben. Das gelingt auch, wozu die Choreografie von Kerstin Ried beiträgt. Drei junge Damen, im Schneidersalon beschäftigt, dürfen tanzend, albernd und gelegentlich noch umbauend da einen kultigen Rahmen abgeben.

Jasmina Sakr sieht aus, wie man sich eine Diva namens Silvia Lombardi durchaus vorstellen kann, absolviert auf offener Bühne einige so blitzschnelle Kostümwechsel, dass man mit dem Schauen kaum mitkommt – und singt leider auch. Die immer in die Ohren schrillende und schneidende Stimme mindert das Vergnügen an ihrer Erscheinung.

(c) Herwig Prammer

Hingegen verfügt der Holländer Peter Bording über eine angenehme Stimme für den diesmal baritonalen Schneider-Liebhaber und die nötige Selbstironie für die Rolle. Als geplagter Polizeiminister Caretto und als veralberter, auf den Knien gehend, eine Art Milli-Metternich, Ministerpräsident zeigen Reinwald Kranner und Stefano Bernardin, dass sie auch exzellente Sprecher und Schauspieler sind, was angesichts der vielen Sprech-Passagen hilfreich ist. Gering sind die Möglichkeiten für Jenifer Lary (Louise) und Paul Schweinester (Sam Borzalino) als eine Art Buffo-Paar, wo ohnedies alles „buffo“ ist. Aber den Vogel schießt Alexander Strobele ab, in Frauenkleidern ganz das „Charleys Tante“-Klamottenfeeling verbreitend, präzise komisch mit Könnerschaft.

Aufopfernd singen, tanzen und blödeln die „drei Damen“ – Diana Bärhold, Lilia Höfling, Lucia Miorin. Auch das Wiener KammerOrchester unter Ingo Martin Stadtmüller versuchte zu retten, was zu retten war, und laut Schlußapplaus (und lebhaftem Anteil des Publikums während der Vorstellung) scheint das auch gelungen. Schaut man genauer hin, ist ein schwaches Stück mit schwacher Musik dank Glitzerfolie gerade noch über die Runden gekommen.

Renate Wagner, 8. Juni 2023


Die stumme Serenade

Erich Wolfgang Korngold

Kammeroper Wien

Österreichische Erstaufführung

Besuchte Premiere: 5. Juni 2023

Regisseur Dirk Schmeding

Wiener KammerOrchester

Ingo Martin Stadtmüller