Augsburg: „Dalibor“

Bedrich Smetana

Vorstellung am 8.12.2018

Premierendatum war der 14.10.2018

Über den Tod und das Leben Smetanas Freiheitsoper „Dalibor“ wird in Augsburg aus dem Dornröschenschlaf erweckt

Es sind keine schönen Themen, die dem Theaterzuschauer begegnen, wenn er oder sie sich in eine der seltenen Aufführungen der Oper „Dalibor“ verirrt: Kerker, Folter, Tod oder dunkel auf ihm lastende Einsamkeit. Außerdem (notgedrungen unterdrückte) Homosexualität, Scham, Nacht in und um die Handelnden. Aber auch: Menschlicher Heldenmut, aufrechter Gang, gelebte Treue bis in den Tod. „Dalibor“, ein bislang schamvoll verstecktes Stiefkind der nicht-tschechischen Bühnen, wird vom Augsburger Staatstheater – seit Oktober im Martinipark dargeboten.

Kurioses vorweg: Ausgerechnet dieser eher grauen Wundertüte von Oper gab ihr „Vater“ den Vorzug gegenüber dem allgemeinen Publikumsliebling, welchen er geschaffen hatte: Der Tscheche Smetana bekannte zeit seines Lebens, dass er dem schwermütig-romanischen Werk weit mehr abgewinnen könne als der „Verkauften Braut“. Dieses Werk kennt — fast – jeder, das andere kennt man nun zumindest in Augsburg. Die Handlung jedenfalls hat das Zeug zum großen Freiheitsdrama -— etwa wie die Stoffe, welche von Guiseppe Verdi, ebenfalls im 19. Jahrhundert, vertont wurden: Ritter Dalibor (Scott MacAlister) muss im Krieg zusehen, wie sein bester Freund und Seelengefährte Zdenek von Soldaten umgebracht wird. Dieser Schock lässt in ihm den Plan reifen, Zdeneks Tod zu vergelten und sein unterjochtes Volk zu befreien. Unter anderem bringt der Held bei einem seiner Rachezüge den Grafen Ploskovic um. Allerdings mit schwerwiegenden Folgen für sich selbst: Der todesmutige Dalibor wird gefasst und vor Gericht gestellt.

Selbst König Vladislav (Alejandro Marco-Buhrmester) ist während der Verhandlung anwesend, welche mit dem Urteil endet, dass der Angeklagte lebenslänglich in den Kerker muss. Immerhin (noch) kein Todesurteil! Maßgeblich an Dalibors Richtspruch beteiligt ist die schöne Milada (Sally du Randt), die Schwester Graf Ploskovics. Milada ist übrigens eine Figur, die im Verlauf dieser sehr unkomischen Oper eine interessante Wandlung erfährt. Zunächst eine glühende Anklägerin, mutiert sie schon kurz nach Beginn der drei hier musikalisch sehr interessant inszenierten Akte ins Gegenteil. Die junge Frau verliebt sich in Dalibor, der allem Widerstand zum Trotz gnadenlos in den Kerker geworfen wird.

Nun bleibt der verzweifelten Milada nichts anderes übrig, als einen Befreiungsschlag des von ihr Umschwärmten zu versuchen. Dalibors Ziehtochter Jitka (Jihyun cecilia Lee) und ihr Verlobter Vitek (Roman Poboinyi) führen die Aufrührer an.

Jitka überlistet mit Glück den Gefängniswärter (Stanislav Serveev) und dringt ins Verlies Dalibors vor. Der stolze Ritter hängt angeketter und mit einem durchaus doppeldeutigen „Ecce Homo“-Schild um den Hals an den düsteren Wänden. Jitka bringt ihm die Geige, um die er gebeten hatte: Fin betontes Symbol ja auch der literarischen Romantik, etwa in Eichendorffs „Leben eines Taugenichts“. Beide träumen zwischen den Gefängnismauern von einer Zukunft in Freiheit und Würde; ungeachtet der Realität, die sie umgiebt. Im dritten Akt erweist sich, wie brüchig diese Visionen in der Tat sind. Denn König: Vladislav wird vor den Verbündeten gewarnt. Dalibor soll nun ohne Nachsicht hingerichtet werden. Als Milada eingreifen will, wird sie tödlich verwundet. Daraufhin dreht sich das Geschehen in einer gewissen Analogie zu „Romeo und Julia“ dem Ende zu: Der Ritter ohne Aussicht auf Freiheit und Liebe tötet sich neben Miladas leblosem Körper, im grauen Keller-Nichts.

Überhaupt findet die gesamte Handlung in dieser einen, tristen Umgebung statt, was den Augsburger Bühnenbildner Alfred Peter wohl vor eine lösbare Aufgabe gestallt hat. Auch die Kostüme — verantwortet von Renee Listerdal — korrespondieren mit dem Einheitsgrau des nachgestellten Gefängnisses. Licht (Marco Vitale) und Ton (Thomas Rembt) sowie gelegentlich – wohl nach Bayreuther Vorbild – eingestreute Videoszenen auf einem Fernsehschirm (Dennis Böck) tun ihr Übriges, um das Gesamtbild stimmig wirken zu lassen. All diese Details tragen dazu bei, dass diese schwere Theaterkost, angerichtet von Regisseur Roland Schwab, verdaulich bleibt. Hinzu kommt die Leistung des Dirigenten Domonkos Heja, der Augsburger Philharmoniker und des Opern- sowie Extrachors des hiesigen Staatstheaters. In der Martinistraße wird das Gemeinschaftswerk Smetanas und des Librettisten Josef Wenzig aufwendig und mit Hingabe auf die Bühne gebracht. Bei der Kritik wie bei den Zuschauer erfreut sich das mit Leidenschaft inszenierte Werk beachtlicher Beliebtheit. Man könnte auch sagen, dieses Dornröschen von Oper wurde:150 Jahre nach seiner Uraufführung für die deutschen Bühnen wachgeküsst.

Daniela Egert 9.1.2019

Bilder (c) Theater Augsburg / Jan-Pieter Fuhr