Basel: „Graf Öderland“, Max Frisch

Premiere: 14.Februar 2020, besuchte Vorstellung: 23. Februar 2020

Eine Moritat in zwölf Bildern – Regie: Stefan Bachmann, Musik: Sven Kaiser

Man hat mich geträumt

Ein Riesentrichter bildet die Spielfläche für den Regisseur Stefan Bachmann. Abfallend, so dass dieses Sprachrohr auch als Rutsche verwendet werden kann. Max Frisch hat die Räume sehr präzise beschrieben. Bachmann reduziert diese zwölf unterschiedlichen Räume auf einen einzigen Ort.

Und dieser Raum hat es in sich: Die Steilheit des Trichters verlangt von den Schauspielerinnen und Schauspielern eine ausgezeichnete Körperbeherrschung, um den Anforderungen des Regisseurs zu genügen. Und diese sind hoch, sehr hoch sogar. Stefan Bachmann achtet darauf, dass jedes Wort verstanden werden kann. Die abstrakte Körpersprache, die oft absurde Gestik, die Mimik unterstreichen die starke Wirkung der Dichtung Frischs. Dazu kommt, dass trotz der scheinbar eingeschränkten Bewegungsfreiheit der Bühnenkünstler die Handlung aktiv und dramatisch dargestellt wird. Und diese Personenführung erst erlaubt die zwingende, moderne spannende Wiederauferstehung des selten gespielten Schauspiels von Max Frisch.

All dies zusammen mit der schauspielerischen Leistung des gesamten Bühnenteams und der ausgezeichneten Musiker auf der Vorbühne kann nur mit einem Ausdruck bezeichnet werden: GROSSARTIGES THEATER!

Die Bühne wurde von Olaf Altmann entworfen. Endlich wieder einmal ein Bühnenaufbau, welche auch dem Sprechtheater erlaubt, in einem grossen Raum gespielt zu werden, ohne dass die notwendige Sprachverständlichkeit und Intimität verloren geht. Die Tonmeister in Basel (Jan Fitschen und Timothy Ferns) haben es verstanden, diesen Forderungen trotz, oder gerade wegen, den Mikrophonen nachzukommen. Das Team Bachmann/Altmann hat schon in der Basler Inszenierung von “WILHELM TELL“ bewiesen, dass es möglich ist diese Anforderungen zu erfüllen.

Hervorragend ist auch die sehr spezielle Körpersprache, in welcher die Schauspielerinnen und Schauspieler von Sabina Perry geschult wurden. Auch Perry war schon in Schillers Tell verantwortlich für die Körperarbeit.

Die ausgezeichnet getroffenen Kostüme wurden von Esther Geremus gezeichnet. Erwähnenswert auch das Lichtdesign von Roland Edrich, welches für die dramatische Wirkung der Inszenierung unabdingbar ist.

Die Arbeit der Dramaturgin Barbara Sommer ist für die ganze Inszenierung wesentlich, wurde doch das szenische Konzept Frischs abgeändert. Zwingend auch die Idee, die letzten zwei Bilder als gesungene Moritat im Stile Brecht/Weill zu inszenieren. Wenn man sich die Definition “Moritat“ anschaut ist dies sehr wohl nachvollziehbar:

>Die Moritat, auf Mordtat oder Moralität zurückgehend, ist eine schaurige Ballade und das Erzähllied des Bänkelsängers. Sie steht in starkem Zusammenhang mit dem Bänkelsang, welcher sich im Rahmen einer szenischen Aufführung der Medien Text, Ton und Bild bedient. Im Bänkelsang wird das Publikum direkt angesprochen, meist gehen moralische Forderungen mit der Darbietung einher. (© Internet)<

Als Staatsanwalt war ein hervorragender Thiemo Strutzenberger zu sehen. Die drei Rollen von Elsa, einem Gendarmen und dem greisen Staatspräsidenten übernahm Barbara Horvath. Eine eindrucksvolle Coco, Inge und Hilde gab Linda Blümchen. Der Mörder wurde glaubhaft gespielt von Steffen Höld. In vier Rollen nämlich als: Mario, ein Gendarm, Frau Hofmeier und General auf der Bühne: Klaus Brömmelmeier. Einen Wärter, den Concierge, den Kommissar und den Studenten interpretierte Moritz von Treuenfels. Als Vater, Boy und Innenminister überzeugte Mario Fuchs. Julia Schröder erschien als Mutter; Fahrer und Direktor. Das ganze Team war während der Aufführung dauernd beschäftigt und liess beim Publikum keine Sekunde Langeweile aufkommen.

Die von Sven Kaiser geschrieben Musik unterstützte und verstärkte die angestrebte Dramatik des Schauspiels optimal. Die ausgezeichnete Musikerin und Musiker waren: An den Keyboards der Komponist und musikalische Leiter Sven Kaiser, an der E- Gitarre Michael Goldschmidt. Die Klarinette und Bassklarinette spielte Thomas Byka und an der Geige und E-Geige Eva Miribung.

> HAT MAN MICH GETRÄUMT<?

Als Berichterstatter kann ich nur abschliessend schreiben: So ist Sprechtheater im grossen Saal eine Augen- und Ohrenweide! Bravo Theater Basel und dem Koproduzenten Residenztheater München.

Der stürmische Applaus der Besucher und Besucherinnen bestätigen diese meine Auffassung nachdrücklich.

Peter Heuberger, 24.2.2020

Bilder © Birgit Hupfeld