Basel: „Tod in Venedig“

Nach „TEWJE“ und „ROBIN HOOD“ choreographiert/inszeniert Richard Wherlock „TOD IN VENEDIG“ nach Thomas Mann.

Als Vorbild für die Beschreibung der Figur Aschenbachs diente Mann der Komponist und Wiener Opernintendant Gustav Mahler. In Wherlocks Ballett ist Gustav von Aschenbach, wunderbar getanzt von Javier Rodriguez Cobos, Fotograf, ein Fotograf welcher schlussendlich müde und degoutiert vom ewig Schönen nach Venedig zieht.

«Wie bei Mann treffen auch in diesem Ballett unüberwindbare Gegensätze aufeinander. Fasziniert beobachten wir den rational agierenden und nach Perfektion strebenden Gustav Aschenbach, der auf eine emotionale Welt trifft, die ihn magisch anzieht: Tod und Begehren, Schönheit und Verfall, Nüchternheit und Verzückung liegen dicht beieinander und bilden für diese choreografische Umsetzung des Stoffes die Matrix» (© Theater Basel Programmheft)

Der Fremde, meisterhaft dargestellt von Frank Fannar Pedersen, ist mehr als nur Begleiter, er ist sicher kein Engel, sondern die Personifizierung der allegorischen Figuren wie des Todesboten (Thanatos), des Fährmanns über den Styx in den Hades (Charon), des Reisens, des Genusses (Dionysos). Wherlock hat die Mythologie gerade dieser Figur sehr genau studiert. In der Basler Choreografie ist der Fremde nicht richtig fassbar, nicht abschliessend definierbar, unwirklich.

In der Musik von Dmitri Schostakowitsch fühlt man das Sehnen Aschenbachs, seine wachsende Abscheu gegen die Zwänge der modernen, schönheitsgeilen Zivilisation. Dies trotz der Obsession Aschenbachs in Venedig für den jungen, schönen Tadzio, getanzt von Anthony Ramiandrisoa, trotz seinem schlussendlichen Sehnen nach dem wieder Jungsein, der Angst vor dem Alter. Seine Angst vor dem Alter, auch sein Ekel vor sich selbst, seiner Obsession gipfelt im Tod Aschenbachs, nicht an der Cholera, sondern im Wasser, dem Urquell des Lebens.

Richard Wherlock hat die Musik hervorragend ausgewählt. Sie unterstreicht, begleitet und verstärkt die im Tanz dargestellten Emotionen, die Geschichte Gustav von Auerbachs. Unter der Stabführung von Thomas Herzog interpretiert das Sinfonieorchester Basel (SOB) die ausgewählten Musikstücke meisterhaft, kein Bruch in der Melodieführung, in der Musikalität ist zu spüren, zu hören.

Für das ansprechende Bühnenbild zuständig ist Bruce French. Dabei auffallend die Projektionsfläche für die Videoeinspielungen, welche an Strandkörbe ebenso erinnern wie an die immerwährende Meeresbrandung.

Eine spezielle Erwähnung bedarf die Schweizer Videografin, Tabea Rothfuchs. Ihre Arbeit zeugt von einem ausgeprägten Einfühlungsvermögen in die Ausdrucksform Ballett. Subtil unterstreicht ihr Werk die Choreografie, die zu erzählende Geschichte ohne sich je in den Vordergrund zu drängen, den Tanz zu stören.

Für mich wird die Geschichte, welche Mann schrieb, durch die Inszenierung auf eine moderne zwingend logische Weise erzählt. Wichtig sind die „Pas de Deux“ mit Cobos und Pedersen, ebenso die Arbeit von Cobos, Pedersen und Max Zachrisson, dem Assistenten Aschenbachs, zu Zweien und zu Dreien. Dabei ist anzumerken, dass keine der Solotänzerinnen, keiner der Solotänzer in ihrer/seiner Performance abfällt. Alle meistern ihren Part bravourös, professionell mit viel Emotion und auch Humor. Auch kleinere Rollen wie die Assistentinnen des Stylisten Lisa Horten-Skilbrei, Marina Sanchez Garrigòs und Sidney Elizabeth Turtschi waren hervorragend besetzt. Der Stylist, Sergio Bustinduy tanzte seine Rolle mit hörbarem Spass. Dies gilt für das gesamte Ballett Theater Basel, welches in Tod in Venedig in diversen Rollen zu sehen, zu bewundern war. Der verdiente, lang anhaltende Schlussapplaus des zahlreich erschienen Premierenpublikums galt allen Beteiligten.

Peter Heuberger 14.4.2019