Puccinis Erfolgsoper Tosca feierte am 10. Dezember 2024 in Bonn eine vom Publikum begeistert aufgenommene Premiere (der Opernfreund berichtete ausgiebig). Das lag nicht zuletzt daran, dass Silvia Gatto in ihrer Inszenierung Bühnenelemente übernommen hat, die Manuela Gasperoni für die Spielzeit 2023/24 am Teatro Communale di Bologna entwarf. Kein Hauch von Regietheater, sondern Puccinis dramatischer Geniestreich wird in recht opulenten Bildern gezeigt, welche die Originalplätze der Handlung so realistisch und detailgetreu wie möglich wiedergeben, sei es nun der Innenraum einer gotischen Kirche im 1. Akt mit prachtvollem Fenster, die hier die von Puccini eigentlich ins Auge gefasste frühbarocke Kirche Sant‘ Andrea della Valle ersetzt, sei es Scarpias prunkvolles Domizil im Palazzo Farnese im 2. Akt oder schließlich die Hinrichtungsstätte im Gefängnisinnenhof der Engelsburg samt funkelndem Sternenhimmel im Schlussakt, wo Spoletta, der willfährige Kettenhund Scarpias, anstelle des Hinrichtungs-kommandos Caveradossi eigenhändig erschießt. In dieser Inszenierung wird wahrlich nicht der Versuch eines neuen Blicks auf die Geschehnisse unternommen, das Rad wird nicht neu erfunden, sondern die dramatische fiktive Handlung vor dem Hintergrund des 2. Koalitionskrieges (1798/99–1801/02) wird eins zu eins so erzählt, wie die Librettisten Giuseppe Giacosa und Luigi Illica es in ihrem Libretto vorgegeben haben. Und das durchaus spannend und emotional anrührend, was vor allem die Charakterisierung der Titelheldin angeht, die als eine tief religiöse Frau bis zum Äußersten geht, um ihren Geliebten zu retten. Sie schreckt selbst vor einem Mord an ihrem Peiniger nicht zurück, sorgt sich aber dennoch um dessen Seelenheil, wie ihre Inszenierung der Todessituation Scarpias mit den obligaten Kerzenleuchtern und dem Kruzifix verrät.
In Bonn sollte nun Tosca in einer besonderen Galavorstellung geboten werden und die Erwartungen waren dementsprechend hoch. Da war es schon eine große Enttäuschung, dass die angekündigte Operndiva Angela Gheorghiu aufgrund der akuten Erkrankung einer engen Angehörigen, wie es in der Mitteilung der Oper Bonn hieß, die Vorstellung absagen musste. Der Rezensent erinnert sich noch gerne an eine denkwürdige Aufführung von Gounods Oper Roméo et Juliette im Theater von Orange, wo Angela Gheorghiu an der Seite ihres damaligen Mannes Roberto Alagna vor vielen, vielen Jahren die Festspielbesucher im Sturm eroberte. Schade!
Einspringerin an diesem Abend war nun die in Florida geborene junge Sopranistin Monica Conesa, die bereits Ende Dezember 2024 in Bonn als Tosca ihr Debüt gegeben hatte. Als nicht eben gering zu bewertende Empfehlung bringt die kubanisch-amerikanische Sopranistin u.a. ihren Auftritt in der Arena di Verona mit, wo sie unter der Leitung von Marco Armiliato als Aida in Verdis gleichnamiger Oper reüssierte. Und in der Tat, wenn dem Opernabend in Bonn das Prädikat „Galavorstellung“ zu Recht zukommt, so lag und liegt dies in erster Linie an der herausragenden schauspielerischen und sängerischen Leistung Monica Conesas. Sie verfügt über einen hochdramatischen Sopran mit ungeheurer Durchschlagskraft in den Spitzentönen. Dabei scheut sie sich auch nicht, Ausdruckskraft über Stimmschönheit zu stellen. Die Auseinandersetzung Toscas im 2. Akt mit Scarpia wird dadurch zu einem hochdramatischen Kampf um das Leben Cavaradossis, der wirklich unter die Haut geht. In manchen Gesangspassagen fühlt man sich an die legendäre Maria Callas in dieser Rolle erinnert, besonders in der Mittellage klingt Monica Conesas Stimme in ihrer gutturalen Färbung der unvergessenen Diva verwandt. Dass Monica Conesa Stimme auch über ein wunderbares Piano und ganz intime, verinnerlichte Klangfarben verfügt, zeigte ihre Arie „Vissi d’arte“ im 2. Akt, die so zu einem der großen musikalischen Höhepunkte an diesem Abend wurde.
Als großer Gaststar war in der Vorankündigung der Bonner Oper der mexikanische Tenor Ramon Vargas in der Rolle des Cavaradossi angekündigt worden, die vor Jahrzehnten zu einer seiner Glanzpartien gehörte. Ramon Vargas konzentrierte sich ganz auf seine beiden berühmten Tenorarien im ersten und dritten Akt („Recondita armonia“, „E lucevan le stelle“), die er zwar eher verhalten, aber mit immer noch großer Stimmkultur und wunderbarem italienischem Timbre sang. In der Höhe hat die Stimme dieses Ausnahmesängers früherer Tage allerdings merklich an Glanz und Kraft verloren. Cavaradossis emphatisches „Vittoria! Vittoria“ im 2. Akt, mit dem er die Nachricht vom Sieg Napoleons gegen die mit dem Kirchenstaat verbündeten Österreicher in der Schlacht von Marengo feiert und sich zu seinen politischen Idealen bekennt, liegt dem mexikanischen Tenor im Herbst seiner Karriere nicht mehr in der Kehle. Das Publikum geizte nach der Vorstellung dennoch nicht mit großem Beifall für Ramon Vargas. Auch der Rezensent war einfach nur dankbar, diese herrliche Stimme vergangener Jahre noch einmal hören zu dürfen.
Hausbariton Giorgos Kanaris lieferte als Scarpia ein stimmlich und schauspielerisch beeindruckendes Portrait dieses machtbesessenen und furchterregenden Polizeichefs in Rom, vielleicht singt er diese Partie hin und wieder sogar zu „schön“ angesichts der sadistischen Umtriebe dieses brutalen Machthabers, der in Rom eine vergiftete Atmosphäre der Unterdrückung schafft. Auch Christopher Jähnig als stimmgewaltiger Angelotti und Martin Tzonev als umtriebiger Messner überzeugten in ihren kleineren Rollen ungemein.
Generalmusikdirektor Dirk Kaftan begleitete mit dem vorzüglich disponierten Beethoven Orchester Bonn das Ensemble sehr sängerfreundlich, deckte vor allem den Gaststar des Abends, Ramon Vargas, nie zu und fand insgesamt zu einer Interpretation der Oper, welche die herrliche Musik Puccinis in allen Farben leuchten ließ. Die Besucherinnen und Besucher im ausverkauften Bonner Opernhaus ließen sich die Stimmung durch die Absage von Angela Gheorghiu nicht verderben und spendeten allen Beteiligten, vor allem aber der Einspringerin des Abends, nämlich Monica Conesa, riesigen Applaus.
Norbert Pabelick, 4. Mai 2025
Tosca
Giacomo Puccini
Theatert Bonn
Besuchte Aufführung am 3. Mai 2025
Premiere am 10. Dezember 2024
Inszenierung: Silvia Gatto
Musikalische Leitung: Dirk Kaftan
Beethoven Orchester Bonn