Bremen: „Das Horoskop des Königs – L’ Étoile“

Premiere am 30.3.2019

Eine Oper im Geiste Offenbachs

Der Name des französischen Komponisten Emmanuel Chabrier (1841-1894) wird den meisten nur durch seine schmissigen Orchesterstücke wie etwa die Rhapsodie „Espaňa“ bekannt sein. Er schrieb aber auch mehrere Opern, darunter L’ Étoile („Der Stern“), die als

Das Horoskop des Königs – L’ Étoile Premiere hatte.

L’ Étoile wurde 1877 in Paris im Théâtre des Bouffes-Parisiens uraufgeführt. Das Publikum wusste über den Komponisten nur, dass er ein Anhänger Richard Wagners war. Das stufte seine Musik im Vorfeld als „unzugänglich und langweilig“ ein. Aber es gab wohlwollende Kritiken und auch das Publikum hatte seinen Spaß. Obwohl es in jüngerer Zeit auch Aufführungen in Berlin, Frankfurt, Augsburg und Amsterdam gab, ist L’ Étoile noch immer eine Rarität.

Hauptfigur ist König Ouf, der eine Diktatur errichtet hat, in der das Leben grau und trist ist, und der zur Volksbelustigung alljährlich eine Hinrichtung inszeniert. Diesmal soll es den Hausierer Lazuli treffen. Der deutsche Titel Das Horoskop des Königs ist da etwas aussagekräftiger, denn dieses Horoskop hat es in sich: Der Astrologe Siroco prophezeit dem König nämlich, dass er einen Tag nach dem Tod Lazulis ebenfalls sterben müsse. Und so wird Lazuli wie ein Staatsschatz behütet. Dazu gibt es auch ein paar Liebesgeschichten: Lazuli verliebt sich in die Prinzessin Laoula, die (mit einem Hubschrauber) in Begleitung des Fürsten Hérisson, dessen Ehefrau Aloès und des Sekretärs Tapioca in Oufs Königreich gekommen ist. Sie soll Ouf aus diplomatischen Gründen heiraten, was natürlich nicht klappt, weil sie mit Lazuli durchbrennt. Und Tapioca und Aloès kommen sich auch näher. Ouf und Hérisson müssen am Ende gute Miene zum bösen Spiel machen.

Für Bremen „entdeckt“ hat Yoel Gamzou das Werk. Er sah es in Amsterdam und hat sich spontan dafür begeistert. Ihm und dem Regisseur Tom Ryser ist eine unglaublich leichtfüßige, beschwingte Umsetzung dieser sehr an Offenbach erinnernden musikalischen Komödie gelungen. Das Bühnenportal ziert ein riesiger, goldener Bilderrahmen und signalisiert, dass wir uns in einem Märchen befinden – ein Märchen allerdings, das von Ironie, Spott und schwarzem Humor von Anfang bis Ende durchzogen ist. Ausstatter Stefan Rieckhoff schuf dazu ein Bühnenbild, das auf zwei Ebenen angelegt ist, die mit einem (oft benutzten) Fahrstuhl verbunden sind. Wir befinden uns in einem Hotel, mal aber auch auf der Strasse davor. Der Erzähler Martin Baum, der spielend und erläuternd perfekt durch die Handlung führt, trägt die Livree eines Hoteldieners. Die (stark eingekürzten) Dialoge werden deutsch gesprochen, bei den Musiknummern blieb man beim französischen Original.

Rysers Regie hat sich ganz auf die geradezu süffige Musik eingestellt. Da wird jede Bewegung, jede tänzerische Nuance mit dieser in Einklang gebracht. Und er denunziert die Figuren nicht zu Knallchargen, sondern sichert sogar dem eigentlich „bösen Despoten“ Ouf durchaus Sympathien.

Dass diese Produktion so begeisternd ausgefallen ist, hat man auch Yoel Gamzou und den Bremer Philharmonikern zu danken. Denn Gamzou gelingt es, die Qualitäten, die Feinheiten und den Witz von Chabriers Musik mit jedem Takt zu verdeutlichen. Raffinierte Rubati, überschäumendes Temperament und ironische Akzente, etwa bei dem Can Can, bei dem Kitzel-Terzett oder dem mit viel Nieserei angereicherten Couplet von Lazuli. Ganz bezaubernd ist das Kuss-Quartett, bei dem die beiden Paare sich ihre Liebe gestehen.

Getragen wird die Aufführung von einer hervorragenden Ensemble-Leistung. Louis Olivares Sandoval gibt dem König Ouf mit rundem Tenor schöne Klangfarben und überzeugt mit jovialer, aber nur vordergründiger Freundlichkeit auch komödiantisch. Ulrike Mayer kann mit samtenem Mezzo und bemerkenswertem körperlichen Einsatz als Lazuli begeistern. Auch Nerita Pokvytyté als Laoula und Iryna Dziashko als Aloès erweisen sich mit viel Sopranglanz als erstrangige Besetzung. Joel Scott als stimmfrischer Tapioca, Christoph Heinrich als skurriler Astrologe und Christian-Andreas Engelhardt als umtriebiger Fürst Hérisson tragen entscheidend zum Vergnügen bei. Bestens disponiert präsentiert sich der von Alice Meregaglia einstudierte Chor.

Wolfgang Denker, 31.3.2019

Fotos von Jörg Landsberg