Bremen: „Un Ballo in Maschera“

Premiere am 21.10.2018

Masken und einstürzende Fassaden

Wie bei kaum einer anderen Oper hatte Verdi bei seinem „Un ballo in maschera“ („Ein Maskenball“) Probleme mit der Zensur, die einen Mord am schwedischen König Gustav III. auf der Bühne verbot. Deshalb verlegte er die Handlung nach Boston und machte aus dem König den Gouverneur Riccardo. Heutige Inszenierungen verlegen die Handlung meistens wieder nach Schweden. Das tut auch Regisseur Michael Talke bei seiner Bremer Produktion. Er schafft mit der Bühnenausstattung von Barbara Steiner und den Kostümen von Regine Standfuss ein entsprechend stilisiertes Ambiente.

Gustav ist ein leichtherziger Monarch, der die Frau seines Freundes und Untergebenen liebt und der alle Warnungen vor einem geplanten Attentat in den Wind schlägt, obwohl die Verschwörer in ihren schwarzen Gewändern von Anbeginn bereits über die Bühne schleichen. Talke hat den Kontrast zwischen dieser Bedrohung und der mit einem Feuerwerk aus Papierschlangen und dem operettenhaft tänzelnden Chor angedeuteten Party-Stimmung der Hofgesellschaft vor dem Besuch bei der Wahrsagerin Ulrica gut herausgearbeitet.

Das Bühnenbild von Barbara Steiner zeigt opulente Fassaden des Königspalastes, die allerdings beim Besuch von Ulrica einstürzen. Denn dies ist die Stunde der Wahrheit: Ulrica erkennt die Liebesverstrickung Gustavs und die politische Gefahr ganz genau.

Amelias schlechtes Gewissen ist vor dem Treffen mit Gustav am Galgenberg fast greifbar: sie erblickt in einer Vision sich und ihre Familie in gespenstisch grünem Licht an einem Tisch sitzend. Dazu werden Totenköpfe projiziert.

Talkes Personenführung ist zunächst etwas statisch, da hätte es etwas mehr spielerische Akzente geben können. Allein für Oscar findet er eine neckische Körpersprache, die ihn mehr als frechen Hofnarren denn als Pagen charakterisiert. Aber im zweiten Teil mit dem handfesten Ehekrach zwischen Renato und Amelia und dem beeindruckenden Racheschwur der Verschwörer nimmt die Inszenierung kräftig an Fahrt auf. Amelia wird mit körperlicher Gewalt dazu gezwungen, das Los für den Mörder zu ziehen. Renato streift sich einen schwarzen Mantel über, den auch die Verschwörer tragen. Dazu werden bedrohlich und fanatisch schwarze Fahnen geschwenkt. Auch das letzte Bild mit der maskierten Hofgesellschaft, unter denen die Zahl der Verschwörer ständig wächst, gerät sehr eindrucksvoll. Talke ist jedenfalls eine werkgetreue und in jedem Moment nachvollziehbare Inszenierung gelungen, die für Spannung und Emotionen sorgt.

Dazu kommt eine durchweg hervorragende sängerische Besetzung, allen voran Birger Radde als Renato. Sein markiger Bariton entwickelt beachtliche Klangfülle, die Gestaltung der Arie „Eri tu“ geht unter die Haut. Luis Olivares Sandoval punktet als Gustav einmal mehr mit seinem runden Tenor und seinem ausgesprochen schönen Timbre. Besonders den letzten Akt gestaltet er mit Schmelz, Legato und differenziertem Ton. Patricia Andress ist eine Amelia, die vor allem das Wechselspiel ihrer Gefühle verdeutlichen kann. Als Ulrica beeindruckt Romina Boscolo vor allem mit einer fulminanten Tiefe, während die Registerübergänge aber Wünsche offen lassen. Iryna Dziashko ist ein munterer Oscar mit blitzsauberen Koloraturen. Mit Stephen Clark (Graf Ribbing) und Daniel Ratchev (Graf Horn) sind die Verschwörer sehr überzeugend besetzt. Im kleineren Rollen sind Dongfang Xie (Cristiano) und Sungkuk Chang (Richter) zu erleben.

In ganz großer Form präsentiert sich der von Alice Meregaglia einstudierte Chor vor allem im Finale.

Das Bremer Debüt des Dirigenten Marco Comin hätte besser kaum ausfallen können. Vielleicht hätte das Liebesduett noch etwas mehr Feuer vertragen, aber ansonsten gelingt ihm eine spannende, effektvolle Wiedergabe, bei der er ganz auf die zugespitzten Emotionen setzt.

Wolfgang Denker, 22.10.2018

Fotos von Jörg Landsberg