Dortmund: „Die Zauberflöte“

Premiere am 3. September 2022

Meister Habjan’s Puppenspiel

Schon sechs Jahre nach der letzten Aufführung am Opernhaus Dortmund hatte dort am letzten Samstag eine Neuinszenierung der „Grossen Oper in zwei Aufzügen Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadè Mozart auf den Text von Emanuel Schikaneder durch Hausregisseur Nikolaus Habjan Premiere. Für den Musikfreund gab es aber schon vor der ersten Szene Grund zur Freude: Die Ouvertüre wurde vor geschlossenem Vorhang gespielt, ohne, dass man dabei wie heute üblich durch irgendwelche „Fisimatenten“ auf der Bühne abgelenkt wurde. So konnten die Besucherinnen und Besucher das Spiel der wie bei Mozart üblich höher platzierten Dortmunder Philharmoniker unter Leitung von Motonori Kobayashi geniessen, das feierlich langsame Adagio mit den berühmten Es-Dur-Bläserakkorden, ein hurtiges Allegro mit Fugato und drei nachdrückliche Schlußakkorde – natürlich Applaus aus dem Publikum.

Das Bühnenbild von Jakob Brossmann, Manfred Rainer und Hannah Rosa Oellinger ermöglichte mit Hilfe der Drehbühne schnelle Wechsel von einem märchenhaft-unheimlichen Wald zu einem kalten grauen Gebäude mit einem hinteren Rundbogen und seitlichen mit Fenstern versehenen Wänden, die bei Bedarf für Mitwirkende geöffnet werden konnten, wohl der „Weisheitstempel“. Auch für die Videos, die etwa für Feuer- und Wasserprobe wenig einfallsreich entsprechend rote und blaue Projektionen auf dem Bühnenhintergrund zeigten, vor denen Tamino und Pamina silhouettenhaft auf einer Treppe standen, waren die drei verantwortlich. Die Kostüme von Denise Heschl entsprachen den Erwartungen, Priester und zum Schluß Tamino und Pamina in weiß, die drei Knaben etwas altväterlich oder die drei Damen in rauschender Vogel-ähnlicher Garderobe.

Vor allem geprägt wurde die Aufführung durch zwei der vielen von Regisseur Habjan gebauten Puppen, nämlich der Kontrahenten Königin der Nacht, die etwa nach ihrer ersten grossen Arie nach oben wegrauschte, und Sarastro, letzterer senil im Rollstuhl gefahren mit zitternder rechter Hand offenbar Parkinson-erkrankt. Bei beiden wurden Glieder und dem gesungenen Text entsprechend Münder so bewegt, als ob sie reale Menschen wären, Sängerin und Sänger standen jeweils dahinter. Der Sänger des Sarastro (Denis Velev mit bis in tiefe Tiefen klangvollem Baß) sang die letzte Strophe der „Hallenarie“ , zu „seiner Puppe“ hin, als wolle er deren phrasenhaften Pathos hinterfragen. Seine Kunst zeigen konnte der „Puppenbauer“ Halbjan natürlich auch bei den Auftritten der Tiere, vor allem der Schlange im ersten Aufzug. Witzig, beweglich zur Musik und exakt singend sah man die drei Damen vor allem bei ihrem Streit um Tamino im ersten Aufzug (Heejin Kim, Hyona Kim (früher Frédégonde) und Maria Hiefinger) oder die beiden Priester, die sich beim Verlassen des Tempels nicht über die Reihenfolge verständigen konnten (Mario Ahlborn und Carl Kaiser)später beide mit grossen Masken auch als Geharnischte markant singend.

Aber, wie Dirigent Kobayashi im Programmheft zu Recht bemerkte „Wenn die Musik stimmt, dann stimmt alles andere auch“ – und die stimmte, auch und vor allem dank seiner überlegenen Gesamtleitung. So war Antonina Vesenina eine koloraturensichere Königin der Nacht, vor allem in der Rache-Arie. Ganz gegensätzlich fand sie im Maestoso-Teil der ersten Arie „Zum Leiden bin ich auserkoren“ lyrische Mitleid-erregende Töne. Vor kurzem noch Julia im „Vetter aus Dingsda“ in Münster ließ ließ Tanja Christine Kuhn als Pamina berückendes p hören, etwa auch im grossen Intervall bei „Ruhe im Tode“. Dramatischer klang sie in ihrem Ensemble mit den drei Knaben (von der Chorakademie Dortmund) So wurde dies zu einem Höhepunkt der Aufführung. Den Tamino legte Sungho Kim recht dramatisch an, fand aber für die „Bildnisarie“ auch die passenden lyrischen Töne, insgesamt war er nicht sehr textverständlich. Wie schon in der letzten Aufführung glänzte Morgan Moody als Papageno, der wohl menschlichsten Partie nicht nur Mozarts. Seine beiden Hits sang er mit schlanker Stimme. Witzig ließ er in der letzten Strophe von „Ein Mädchen..“ die Wirkung des vorher vom „Sprecher“ (Mandla Mndebele) servierten Weins hören. Glaubhaft gelang seine zunehmende Verzweiflung vor der Selbstmordabsicht. Kokett und spritzig singend und spielend erlöste ihn davon dann Wendy Krikken als Papgena.

Wie auch schon in der letzten Aufführung sang Fritz Steinbacher mit für diese Partie fast zu wohlklingendem Tenor den Monostatos Wieder gut gelungen war sein schnelles p bei „Alles fühlt der Liebe Freuden“, wobei er ganz auf der Höhe der Zeit „weil kein Mensch mag mein Gesicht“ statt „weil ein schwarzer häßlich ist“ singen mußte, obwohl er mit schwarzem Tigerkopf und schwarzem Mantel bekleidet war.

Der Opernchor einstudiert von Fabio Mancini sang zuverlässig und klanggewaltig, wobei ihm zu Hilfe kam, dass er meist nur würdig auf der Bühne stand, so auch im Schlußbild. In diesem starb die Königin der Nacht, Sarastro wurde vom Rollstuhl gestossen und ihre beiden leeren Puppen wurden von der Bühne, das heißt aus dem Tempel, verbracht. Pamina und Tamino zeigten sich als ihre Nachfolger, sehr passend unterstützt von Papageno und Papagena. Da war wohl gemeint, nicht verknöcherte Priester sondern lebensfrohe Menschen und deren Nachkommen sollen die Zukunft gestalten.

Da hatte das Publikum etwa im dicht gedrängten Parterre – meist ohne Masken – guten Grund für begeisterten Applaus, für Bravos für alle Mitwirkenden, besonders natürlich die Hauptpersonen, für den Chor, vor allem den Dirigenten und das Orchester sowie das Führungsteam. Der Applaus wurde verlängert dadurch, dass Intendant Germeshausen die sonst in der Premierenfeier übliche Lobeshymne auf alle Mitwirkenden jetzt auf der Bühne hielt. Zu erwähnen ist, dass unter dem Titel „Das Geheimnis der Zauberflöte“ am Sonntag-Morgen eine Bearbeitung von Paulus Hochgatterer und Nikolaus Habjan für Kinder „ab 8“ Premiere hatte mit dem Ensemble der „grossen“ Zauberflöte.

Sigi Brockmann, 5. September 2022

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