Dortmund: „Nixon in China“, John Adams

„Nixon in China“ gehört zwar zu den berühmtesten Opern der letzten 50 Jahre, wird aber trotzdem in Deutschland relativ selten gespielt. In Nordrhein-Westfalen wurde das Werk bisher nur 1989 in Bielefeld gezeigt. Jetzt gibt es einige Neuproduktionen in Deutschland: Auf Dortmund folgen in der laufenden Saison noch Koblenz (19. Mai) und Hannover (3. Juni).

(c) Thomas M. Jauk und Anke Sundermeier

Die Dortmunder Produktion lässt die Frage, was dieses Stück so wertvoll macht, dass man es spielen muss, offen: Komponist John Adams und Librettistin Alice Goodman wollten angeblich keine Satire oder Dokumentation auf die Bühne bringen, sondern eine heroische Oper. Im Gegensatz zu den Bühnenhelden der Operngeschichte vollbringt Nixon bei seinem Staatbesuch im China des Jahres 1972 aber keinerlei ernstzunehmende Heldentaten, sondern es gibt nur eine Aneinanderreihung politischer Begegnungen mit Mao Tse-tung, dessen Premierminister Chou En-Lai, Erinnerungen an den Beginn der Beziehung mit Ehefrau Pat und einen nachdenklichen Rückblick auf den Sinn dieser Reise. Zudem fehlt hier jeder dramatische Konflikt, der die Geschichte vorantreiben würde.

Die Regie von Martin G. Berger traut dem Stück auch nicht, sondern erfindet noch eine Frau hinzu, deren Lebenslauf erzählt wird: Den Staatsbesuch erlebt sie im Fernsehen, während sie als Kind mit Puppen spielt. Die Diskussionen der beiden Staatsmänner werden zu Politdiskussionen in der Hippie-WG der Frau. Wenn den Nixons im 2. Akt ein kommunistisches Polittheater über die Unterdrückung einer Bäuerin vorgeführt wird, macht Berger daraus einen handfesten Ehestreit der Frau. Der 3. Akt spielt dann im Seniorenheim. Dieses Konzept erinnert an Peter Konwitschnys Wiener Inszenierung von Verdis „Attila“, in der sich die Protagonisten vom Kindergarten bis zum Rollstuhl im Dauerstreit befinden.

Immerhin bringt Berger in Zusammenarbeit mit Choreografin Gabriele Bruschi ein großes Spektakel mit vielen revuehaften Elementen auf die Bühne. Den ganzen Trubel setzen der Dortmunder Opernchor und ein Projekt-Extrachor, das NRW Juniorballett, das Seniorentanztheater und die Statisterie um. Da weiß man oft gar nicht, wo man gerade hinschauen soll. Auch bei den Texten, die meist in ausladenden Ensembles gesungen werden, blickt man nur dank der Übertitel durch. Die kantigen und herben Minimal-Klänge von John Adams dirigiert Kapellmeisterin Olivia-Lee Gundermann mit der Genauigkeit einer Fluglotsin, die alle Beteiligten sicher auf den Boden bringen will.

Tenor Alfred Kim singt den Mao Tse-tung mit geschmeidiger Stimme. Hyona Kim verkörpert Maos Frau Chiang Ch´ing sehr energisch. Bariton Petr Sokolov gestaltet die Partie des Nixon mit schneidiger Stimme, und Irina Simmes kann in der Rolle seiner Frau Pat besonders in den gefühlvollen Szenen ihren Sopran weit ausschwingen lassen. 

(c) Thomas M. Jauk und Anke Sundermeier

Bei den nächsten Produktionen in Koblenz und Hannover befolgt man die alte Theaterregel, dass Opernsänger Rollen spielen, die sie nicht selbst sind, und die ethnische Herkunft der Sänger bei der Besetzung egal ist. Dem Theater Dortmund geht es hingegen um die ungeschriebenen Gesetze der politischen Korrektheit und so werden asiatischen Figuren von Akteuren mit asiatischen Wurzeln besetzt

Von den Anhängern dieser Theorie wird gerne argumentiert, nur ein Asiate könne sich in eine asiatische Figur einfühlen und alles andere wäre eine kollektive Beleidigung aller Asiaten. Letztlich ist man aber in Dortmund ziemlich inkonsequent, denn die chinesischen Kommunisten werden von Sängern aus dem kapitalistischen Süd-Korea gesungen. Und verletzt man nicht die Gefühle aller US-Amerikaner, wenn Präsident Richard Nixon von einem russischen Sänger verkörpert wird?

Rudolf Hermes, 7. März 2023


John Adams

Nixon in China

Dortmund

Premiere: 26. Februar 2023

Besuchte Vorstellung: 2. März 2023

Regie: Martin G. Berger

Musikalische Leitung: Olivia Lee-Gundermann

Dortmunder Philharmoniker