Hildesheim: „Otello darf nicht platzen“

Turbulenter Spaß

Mit dem gut ausgebildeten und spielfreudigen Musical-Ensemble hat das TfN (Theater für Niedersachsen) eine besonders erfolgreiche Compagnie. Die bunte Verwechslungskomödie des Amerikaners Ken Ludwig (Uraufführung 1986 in London) wurde von Peter Sham und Brad Carroll zu einem mitreißenden Musical umgestaltet. Nach einer Voraufführung beim Utah Festival 2010 wurde es 2011 in London uraufgeführt. Die deutsche Erstaufführung fand 2013 in Leipzig statt; von dort hatte man sich das ebenso hübsche wie praktische Bühnenbild von Norbert Bellen geliehen, in dem Jörg Gade die Protagonisten und Choristen turbulent und ideenreich durch das Geschehen in Cleveland im Jahre 1934 führte. Unterstützt wurde das durch die lebendige Choreografie von Janne Geest; die prächtigen Kostüme steuerte Esther Bätschmann bei.

Alexander Prosek/Tim Müller

Im Stück geht es u.a. darum, den Fortbestand des Opernhauses von Cleveland zu retten, das es 1934 allerdings noch gar nicht gab. Dafür ist zu einem Gala-Abend der Startenor „Il Stupendo“ Tito Merelli eingeladen, der aber zu spät kommt, darüber hinaus auch noch seine eifersüchtige Frau Maria mitbringt; zudem ist er durch zu viele Pillen zum Relaxen und gegen Schmerzen außer Gefecht gesetzt. Da bleibt dem Operndirektor Saunders nichts anderes übrig, als seinen persönlichen Assistenten und „Fußabtreter“ Max, der auch Gesangsambitionen hegt, als Otello einspringen zu lassen, der dabei überraschend reüssiert. Schwierig wird es, als der wieder erwachte Merelli als zweiter Otello durch die Szenen springt. Die Damen, die Merelli sowieso immer zu Füßen liegen, in diesem Fall besonders des Direktors Tochter Maggie, seine Sopranistin Diana Divane und seine drei Exfrauen, meinen jeweils immer den echten gesehen oder mit ihm geflirtet zu haben.

Ensemble/Jens Krause/Tim Müller

Die musikalische Leitung und Choreinstudierung lag bei Achim Falkenhausen in besten Händen: Temporeich und zündend ließ er die gut eingängigen Melodien vom ersten Ton der Ouvertüre an musizieren; das Orchester des TfN wuchs dabei über sich selbst hinaus. Jens Krause war ein köstlich schlitzohriger Henry Saunders, der schließlich noch als dritter „Otello“ die Turbulenz auf die Spitze trieb. Als Max gelang Tim Müller die Entwicklung des stets zurückhaltenden, leicht verklemmten Assistenten zum selbstbewusst einspringenden Sänger sehr gut; sein aufbauender Song „Sei du Selbst…“ half ihm auch bei dem Werben um seine geliebte Maggie (munter Magdalene Orzol), die ihrerseits eigentlich erst mit dem Gaststar eine Nacht verbringen will und das auch deutlich macht. Alexander Prosek als Tito Merelli bediente alle Tenorklischees, zunächst als Pavarotti-Verschnitt mit weißem Schal und Taschentuch; ein Höhepunkt seiner Darstellung war das Duett à la Rossini mit Max. Den temperamentvollen Eifersuchtsausbrüchen seiner Ehefrau Maria (herrlich überdreht Sandra Pangl) stand er meist hilflos gegenüber. An Merelli als Karriereförderer interessiert, umwarb die Operndiva Diana (mit witzigem Opernarien-Medley Caroline Zins) ihn mit allen ihr zu Gebote stehenden Tricks.

Magdalene Orzol/Tim Müller/Alexander Prosek/Caroline Zins

Das Ensemble ergänzten passend Jürgen Brehm als steppender Inspizient Bernie, Björn Schäffer als Liftboy und Polizist sowie Tanja Westphal, Judith Bloch und Annika Dickel als die drei Exfrauen von Saunders, die – urkomisch und stets gleich kostümiert – die Opernsponsoren vertraten. Der Opernchor des TfN ließ seiner Spiel- und Singfreude ebenfalls wieder engagiert freien Lauf und trug zu der hervorragenden Ensembleleistung stark bei. Begeisterter Applaus und Standing Ovations beendeten einen puren Unterhaltungsabend, der sicher ein Renner der Saison wird.

Marion Eckels 8.2.2015

Bilder: Andreas Hartmann

Weitere Vorstellungen: 12.,18.,21.2.; 7.,10.,15.3. 2015 u.a.