Premiere: 12.05.2019, besuchte Vorstellung: 23.05.2019
Emotionale Inszenierung, die unter die Haut geht
Bereits im Jahr 2009 fand die Uraufführung des Schauspiels „Der goldene Drache“ von Roland Schimmelpfennig am Wiener Akademietheater statt. Schimmelpfennig, aktuell einer meistgespielten Gegenwartsdramatiker Deutschlands, inszenierte das Werk dort selbst. Und auch heute findet das Schauspiel welches im Asia-Schnellimbiss „Der goldene Drache“ spielt immer wieder seinen Weg auf die Bühnen der Schauspielhäuser. So sah der ungarische Komponist und Dirigent Peter Eötvös vor einigen Jahren eine Aufführung in Budapest und da ihn die fast melodiöse Textpartitur sehr fesselte, kam er auf die Idee einer musikalischen Umsetzung des Werkes. Zudem hilft die Musik nach seiner Überzeugung dabei, einzelne Charaktere besser wiederzuerkennen. Hierzu muss man wissen, dass die verschiedenen Rollen, im Musiktheaterstück sind es insgesamt 18, von nur fünf Sängern bzw. Sängerinnen verkörpert werden.
Die Hauptrolle spielt hierbei ein junger Chinese, genannt „der Kleine“, der von starken Zahnschmerzen geplagt wird. Da er sich aber illegal im Land befindet, kann er nicht zum Zahnarzt gehen, so dass seine Kollegen ihm den Zahn mit einer Rohrzange entfernen, woran er später verbluten wird. Und dies, bevor er seine bereits vor einigen Jahren ausgewanderte Schwester finden kann, die ironischer Weise fast nebenan wohnt, dort allerdings ebenfalls ein menschenunwürdiges Leben führen muss. Zunächst nur als billige Putzkraft angeheuert, später zur Prostitution gezwungen. Eine sehr eindringliche Geschichte, die allerdings besonders im ersten Teil auch durchaus heitere Momente beinhaltet, wodurch die eigentliche Dramatik noch deutlicher zur Geltung kommt. Hilfreich ist hierbei auch der Kniff, das Leben der jungen Asiatin auf die Fabel „Die Grille und die Ameise“ zu übertragen, wobei der kleinen mittellosen und zierlichen Grille von der dominanten Ameise übel und gefühlskalt mitgespielt wird.
Die sehr gelungene Neuinszenierung in Krefeld stammt von Petra Luisa Meyer . Die Zuschauer sitzen hierbei mit auf der Hauptbühne, jeweils rechts und links eines langen Steges. Ein Konzept welches bereits bei „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ sehr gut funktionierte, da man den Darstellern sehr nahekommt. Und dies ist bei diesem dramatischen Werk ein großer Vorteil, wirkt das Geschehen so doch besonders intensiv auf den Zuschauer ein. Erst recht, mit einer so grandiosen und spielfreudigen Besetzung wie in Krefeld. Panagiota Sofroniadou aus dem Opernstudio Niederrhein spielt den Kleinen, mit einer ganz besonderen Hingabe. Zudem hat Sie in der vorletzten Szene noch die ergreifende Arie „Die Heimreise“ als Monolog zu singen, wo sich der Asiate auf seine letzte lange Reise begibt. Als seine Schwester und Grille zeigt James Park einmal mehr sein schauspielerisches Talent, wie er zum Beispiel die asiatische Kellnerin verkörpert ist allein ein Besuch der Vorstellung wert. Auch gesanglich wie immer tadellos. Dies gilt auch für Rafael Bruck , der als Asiate, chinesischer Onkel und als blonde Stewardess Inga auftritt. Susanne Seefing verkörpert insgesamt 5 Rollen, wobei hier die Ameise besonders hängen bleibt. Ebenfalls 5 Rollen verkörpert Peter Koppelmann , der bereits am Theater Koblenz bei diesem Werk mitwirkte. Besonders bemerkenswert hierbei, wie auch optisch unterschiedlich gerade seine Rollen daherkommen. Wenn man es nicht besser wüsste würde man fast denken hier sind verschiedene Darsteller im Einsatz. Dies liegt auch an den interessanten Kostümen die Dietlind Konold hier geschaffen hat. Sie geben die verschiedenen Rollen gut wieder, kein sonderlich leichtes Unterfangen hinsichtlich der Tatsache, dass oft sehr schnelle Kostümwechsel notwendig sind zwischen den 21 Szenen des Werkes. Unter der musikalischen Leitung von
Yorgos Ziavras spielen die Mitglieder der Niederrheinischen Sinfoniker das rund 90minütige Werk (Aufführung ohne Pause) sehr facettenreich und souverän.
Nach der Uraufführung an der Oper Frankfurt im Jahr 2014 und Aufführungen in Bremerhaven und Koblenz ist das Gemeinschaftstheater übrigens erst die vierte Aufführungsstätte der temporeichen Kammeroper. Auch wenn Peter Eötvös den goldenen Drachen eher als Theater mit Musik und weniger als Oper bezeichnet sehen möchte. Denn ja, es ist modernes Musiktheater, was oftmals durchaus eine kleine Überwindung vonnöten macht, um sich auf den Abend einzulassen. Die Musik untermalt hier aber besonders treffend die einzelnen Rollen des ursprünglichen Schauspiels und so entwickelt sich trotz des dramatischen Kerns ein doch stellenweise auch sehr unterhaltsamer Theaterabend. Vor allem ist es ein Theaterabend, den man so schnell nicht wieder vergessen wird und dies ist in der Regel die höchste Auszeichnung, die ich persönlich zu vergeben habe. Zwei weitere Aufführungen finden in Krefeld noch am 02. und 10. Juli 2019 statt, in Mönchengladbach wird das Stück in der Spielzeit 2019/20 zu sehen sein. Ein Besuch lohnt sich hier für alle Opernfreunde, insbesondere wenn man hin und wieder auch mal ein Stück abseits des bekannten Repertoires mag.
Markus Lamers, 30.05.2019
Bilder: © Matthias Stutte