Lieber Opernfreund-Freund,
nach der Aufführungsserie am Partnertheater in Mönchengladbach in diesem Frühjahr zeigt nun das Theater Krefeld Bellinis Schlafwandlerinnen-Oper La Sonnambula. Ensemblemitglied Sophie Witte in der Titelrolle macht diesen Abend zum Erlebnis.
Natürlich ist es nicht leicht, der konstruierten Geschichte der Sonnambula Leben einzuhauchen: Annina und Elvino wollen heiraten, da erwischt Elvino Annina schlafend in Rodolfos Bett. Der aufgeklärte Grafensohn Rodolfo erklärt dem verdutzten Bauernvolk, dass die dort schlafwandelnd hingekommen ist, und alles klärt sich auf. Die Intrige der eifersüchtigen Wirtin Lisa geht nicht auf: Wollte Elvino zwischenzeitlich dann sie heiraten, wendet er sich am Ende doch wieder Annina zu.
Regisseur Ansgar Weigner kommt in weiten Teilen über eine Bebilderung der Story nicht hinaus. Die wandelbare Bühne von Hermann Feuchtner schafft Bewegung im Einheitsgrau und auch die Kostümbildnerin Susanne Hubrich scheint „50 Shades of Grey“ wörtlich genommen zu haben und steckt Solisten und Chor in gefühlt 1000 Grautöne, aus denen das altrosa Dress Anninas auch nicht wirklich heraussticht. Kurz vor Schluss kommt aber noch Spannung auf, verweigert Ansgar Weigner dem Liebespaar doch das Happy-End. Die zu Unrecht der Untreue bezichtigte Annina steigt auf Elvinos „na, dann nehm‘ ich halt jetzt doch dich“ nicht ein, sondern verlässt das Bergdorf. Der Beziehung der Beiden wäre nach dem Hin und Her wohl ohnehin kein großes Glück beschieden gewesen.
Musikalisch gibt’s Belcanto aufs Feinste: GMD Mihkel Kütson erweckt Bellinis im Gegensatz zu Bühnen- und Kostümbild farbenreiche Partitur gekonnt zum Leben, lässt die reichen Melodien schwelgen. Sophie Witte ist eine Annina von Weltniveau, präsentiert nicht nur Schöngesang und perlende Koloraturen, sondern auch Unmengen an Gefühl. Die Lisa von Sofia Poulopoulou überzeugt durch enorme Beweglichkeit und feinste Höhen und Matthias Wippich ist ein mehr als solider Rodolfo mit kultiviertem Bariton und einem hohen Maß an Wärme. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Im Vergleich mit den Damen, die um ihn buhlen, bleibt Woongyi Lee als Elvino seltsam seelenlos trotz stimmlicher Präsenz und tadelloser Höhe, während Janet Bartolova ihrer Teresa immer wieder ein unschönes Kratzen mitgibt. Hauptaktuer des Abends ist neben der Titelfigur der exzellent auftrumpfende Chor. Unter der Leitung von Michael Preiser bleiben die Damen und Herren tadellos und zeigen auch darstellerisch ein hohes Maß an Individualität. Bravi!
Ihr
Jochen Rüth
La Sonnambula
Vincenzo Bellini
Theater Krefeld
Premiere: 24. September 2023
Inszenierung: Ansgar Weigner
Musikalische Leitung: GMD Mikhel Kütson
Niederrheinische Sinfoniker