Krefeld/Mönchengladbach: Tops und Flops – „Bilanz der Saison 2022/23“

Nein, ein „Opernhaus des Jahres“ können wir nicht küren. Unsere Kritiker kommen zwar viel herum. Aber den Anspruch, einen repräsentativen Überblick über die Musiktheater im deutschsprachigen Raum zu haben, wird keine Einzelperson erheben können. Die meisten unserer Kritiker haben regionale Schwerpunkte, innerhalb derer sie sich oft sämtliche Produktionen eines Opernhauses ansehen. Daher sind sie in der Lage, eine seriöse, aber natürlich höchst subjektive Saisonbilanz für eine Region oder ein bestimmtes Haus zu ziehen. Heute blicken wir nach dem Theater Lübeck auf das Theater Krefeld und Mönchengladbach. Weitere Bilanzen sollen folgen.


Beste Produktion:
Der fliegende Holländer“ – Gleich zu Beginn der Spielzeit präsentierte man in Mönchengladbach eine gelungene Inszenierung, die auch musikalisch begeisterte. Großes Orchester, großer Chor und tolle Solisten in einer Inszenierung, die sowohl inhaltlich wie auch optisch überzeugte.

Größte Enttäuschung:
„Footloose“ – Nicht, weil es eine schlechte Produktion war, die gab es in Krefeld und Mönchengladbach in dieser Spielzeit im Musiktheater eigentlich gar nicht. Die Enttäuschung liegt darin, dass es dieses Musical, welches im Bereich des Jugendclubs im Programmheft noch angekündigt wurde, leider nie auf die Bühne schaffte. Schade, vor einigen Jahren war der Jugendclub immer wieder mal für sehenswerte Musicals mit den Jugendlichen der Stadt bekannt.

Entdeckung des Jahres:
Liebe, Mord und Adelspflichten“ – Ein Stück Musiktheater, welches erst an wenigen Häusern aufgeführt wurde, in den kommenden Jahren aber sicher viele weitere Aufführungen erleben wird. Ein sehr unterhaltsames Werk in dem „Adel verpflichtet“.

Beste Gesangsleistung (Hauptpartie):
Sophie Witte in „La sonnambula“ , die mit ihrem klaren Sopran, für ein Belcanto-Erlebnis der besonderen Art sorgte;
Markus Heinrich in „Liebe, Mord und Adelspflichten“ , der sich an einem Abend ganz wunderbar in zahlreiche Mitglieder der D’Ysquith-Famile verwandelte.

Beste Gesangsleistung (Nebenrolle):
Esther Keil als Pensionswirtin Fräulein Schneider in „Cabaret“ , für eine wunderbare Gesamtinterpretation der Rolle, die diese Auszeichnung verdient hat, auch wenn der reine Gesang vielleicht nicht für den ersten Platz ausgereicht hätte;
Rafael Bruck als Konsul Sharpless in „Madama Butterfly“ , der immer wieder durch seinen schönen Bariton auf sich aufmerksam macht.

Nachwuchssänger des Jahres:
Indre Pelakauskaite, seit Beginn der Spielzeit 2022/23 Mitglied im Opernstudio Niederrhein, konnte in zahlreichen Rollen der letzten Spielzeit nachhaltig überzeugen, u. a. als Lisa in „La sonnambula“ oder als Hélène Le Barrois in „Passionnément – Verrückt nach Liebe“ .

Bestes Dirigat:
Sebastian Engel, der die Niederrheinischen Sinfoniker bei der konzertanten Aufführung von Bizets „Die Perlenfischer“ zu Höchstleistungen führte.

Beste Regie:
Francois De Carpentries, dessen „Sunset Boulevard“ auch bei der Übernahmepremiere in Mönchengladbach den großen Filmen der 50er-Jahre ein Denkmal setzte und der hier eine wunderbar stimmige Inszenierung schuf, die von der ersten bis zur letzten Minute überzeugte.

Bestes Bühnenbild:
Roy Spahn schuf mit seinem maritimen Bühnenbild samt „stürmischer“ Videoeinspielungen für die passende Stimmung bei der großen Wagner-Oper vom „Fliegenden Holländer“ .

Größtes Ärgernis:
Zugegeben, die Gesamtsituation rund um den Theaterplatz in der Krefelder Innenstadt ist nicht schön. Wenn sich dann allerdings eine „Jury“ ohne nähere Kenntnisse der Situation vor Ort anmaßt, einen Negativpreis zu vergeben, bei dem zudem Menschen als „Müll“ bezeichnet werden, ist dies nicht nur ärgerlich, sondern anmaßend und widerlich.

Größte Freude:
Erwähnt werden sollte bei diesem Jahresrückblick unbedingt noch das Ballettensemble, welches unter der Leitung von Robert North immer wieder tolle Geschichten auf der Bühne erzählt, sei es über das Leben von „Beethoven!“ oder „Mata Hari“ oder die Krefelder Stadtgeschichte.


Die Bilanz zog Markus Lamers.