Lübeck: „Eine Florentinische Tragödie“

Meisterliche Einakter – einfach geniale Werke

Das Theater Lübeck setzt sich seit mehreren Spielzeiten immer wieder für die vernachlässigte Form der Operneinakter jenseits von "Cavalleria/ Pagliacci" ein, dieses Jahr sind die zwei Opern von Alexander von Zemlinsky nach literarischen Vorlagen von Oscar Wilde an der Reihe, beides ausgewiesene Meisterwerke, die aufgrund der Thematik bestens zueinander passen. Zemlinsky hatte das Thema Schönheit/Realität immer wieder in seinen Opern thematisiert, deswegen nimmt Bernd Reiner Krieger auch ein autobiographisches Erlebnis des Komponisten zur szenischen Klammer für seine Inszenierung. Zemlinsky, der wirklich kein Adonis war, verliebte sich nämlich in seine Schülerin Alma Schindler, jene welche später Gustav Mahler und Franz Werfel heiratete, eine gefeierte Schönheit ihrer Zeit, die durchaus mit ihrem Lehrer kokettierte, ihn später jedoch abwies.

So wird der Zwerg des Wildeschen Märchens ebenso zum Doppelgänger Zemlinskys, wie die verwöhnte Infantin, der er zum Geburtstag geschenkt wird zum Spiegelbild Almas; das Bühnenbild des Künstlerheims des Ausstatters Roy Spahn übergangslos zum prunkvollen Palast, die opulente Düsternis läßt sich im zweiten Werk ebenso für den florentinischen Palazzo gebrauchen. In der ersten Oper erliegt Krieger etwas zu sehr der ausgiebigen Feier der Infantin, die bunten Insektenroben sollen wohl an einen Kindergeburtstag mit Verkleiden denken lassen, was optisch zwar etwas hermacht, doch auch recht "operettig" wirkt. Weniger von allem ,auch was die Statisten betrifft, wäre da mehr gewesen. Doch das Stück liegt vorwiegend in der Hand der durchweg trefflichen Darsteller. Noa Danon spielt lebhaft die Infantin Donna Clara, da sie indisponiert ist, gestaltet von der Seite ein Sopran, deren Namen ich mir leider nicht im Eifer des Gefechts aufgeschrieben habe, dafür Asche auf mein Haupt. (Anmerkung Redaktion: Sarah Hershkowitz).

Evmorfia Metaxaki bildet dazu mit hohem Mezzosopran die warmherzige Zofe Ghita als weiblich liebenswerten Gegenentwurf. Taras Konoshchenko mit verspieltem Bariton den schrulligen Haushofmeister Don Estoban. Ebenso erfreulich die Solozofen und Mädchen, wie der toll geführte Damenchor. Doch das Hauptaugenmerk liegt eben auf der Titelpartie des Zwerges, einer heldisch-lyrischen Rolle von sehr schwierig hoher Tessitur mit einem enormen Radius an empathischer Teilnahme bis in zutiefst schmerzliche Bereiche. Für diesen Zemlinsky Zwerg ist Erik Fenton mit einem Wort eine Erfüllung, danke für diese berührende Interpretation.

Die florentinische Tragödie ist ein eigentlich sehr schlichtes Eifersuchtsdrama mit drei Personen: dem Kaufmann Simone und seiner unglücklichen gattin Bianca und dem leichtlebigen Prinzen Guido Bardi, erst nachdem Mord erkennen die Eheleute ihre Qualitäten und Stärken aneinander. Hier gelingt Krieger mit wenig unaufgeregten Mitteln, einem Umschleichen der Protagonisten von einander, ein echter Psychothriller.

Wolfgang Schwaninger ist der tenoral heldische Prinz mit unangenehmen Manieren und betörendem Höhenstrahl, Wioletta Hebrowska mit sehr sinnlich-süffigem Mezzotimbre die Ursache des Dramas und Gerard Quinn mit kernigem Bariton lotet alle Tiefen und Untiefen des unterschätzten Ehemannes aus. Drei ganz tolle Sängerdarsteller, die mit den schwierigen vokalen Aufgaben scheinbar spielend fertig werden. Auch hier grandioses Musiktheater.

Ryusuke Numajiri ist seit dieser Saison der neue GMD in Lübeck und musiziert mit dem Philharmonischen Orchester den üppigen Jugendstilklang der Partituren, atmet mit den Sängern, läßt keine Nuance aus, auch hier eine große Leistung; freilich hat er genau wie sein Vorgänger Brogli-Sacher die Schwierigkeiten mit der sehr trockenen Akustik des Hauses, da gilt es noch am Zurücknehmen der Orchesterwucht zu arbeiten. Insgesamt ein sehr beflügelnder Musiktheaterabend mit zwei viel zu selten aufgeführten Opern, das nicht ganz so zahlreiche Publikum reagierte hingerissen und geizte nicht mit Applaus.

Martin Freitag 9.6.14
Bilder Jochen Quast