Magdeburg: „Die verkaufte Braut“

Premiere am 23. Oktober 2021

Wenig reizvoll

Die Besonderheiten, die die Magdeburger Neuinszenierung von Smetanas beliebter Oper prägen, sind wohl den Pandemie-Einschränkungen geschuldet, soweit die Chorszenen betroffen sind. Am Augenfälligsten sind jedoch Spielort und Kostüme der Akteure. Zur frisch musizierten Ouvertüre sah man auf das Foto des Eingangs einer „Westend Gallery“, eines – wie man später erkennt – Museums für zeitgenössische Kunst. Dies geht darauf zurück, dass Regisseur Ulrich Wiggers und Ausstatter Leif-Erik Heine sich von der Kunst der US-Amerikanerin Alexa Meade, bekannt durch ihre illusionistische Malerei, haben inspirieren lassen. Sie bedient sich dabei des Stils des so genannten „Trompe-l’œil“, der Augentäuschung, wodurch mittels perspektivischer Darstellung Dreidimensionalität vorgetäuscht wird. Das sah dann in Magdeburg so aus, dass zum fröhlichen Eingangschor aus den Lautsprechern („Warum sollten wir nicht froh sein“) Marie in einem der Museumsräume Pinsel auswusch, die offenbar von ihr geschaffenen Bilder zurechtrückte und schließlich mit den aus den Rahmen tretenden Personen der Handlung interagierte, also das Geschehen um Marie, ihren geliebten Hans und den dümmlichen Heiratsvermittler Kecal seinen Lauf nehmen konnte. Dass so aus den „echten“ Menschen von Marie geschaffene Kunstfiguren wurden, nahm der mit menschlichen Gefühlen angefüllten Geschichte viel, wenn nicht jeden Reiz. Ihrem Verständnis diente, dass die Musiknummern in der deutschen Übersetzung von Kurt Honolka erklangen und statt der sonst üblichen Rezitative die von Walter Felsenstein angeregte und 1975 an der Berliner Komischen Oper aufgeführte Dialogfassung von Carl Riha und Winfried Höntsch, hier deutlich gekürzt, verwendet wurde.

Zhive Kremshovski/Raffaela Lintl/Undine Dreißig/Johannes Stermann

Dadurch, dass die Räume auf der Drehbühne mit den Sitzbänken vor den Bildern etwas beengt waren, kam die Musik voll zur Geltung, wobei sich die Personenführung durch den Regisseur in herkömmlichem Rahmen hielt. Mehr Bewegung kam ins Ganze, wenn während der Chorszenen in der Choreographie von Kati Heidebrecht ein Tänzer-Trio (Klaudia Snios, Oliver Chang, Christian Vitiello) das Verhältnis von Marie zu Hans und Wenzel darstellte. Die tänzerische Begleitung der Tänzerin zu Maries großer Arie im 3. Akt war dagegen schlicht überflüssig. Trotz des hier nur musikalisch inspirierenden „Tanz der Komödianten“ gestaltete sich der sonst oft mit akrobatischen Finessen versehene Auftritt der Zirkustruppe nicht überzeugend, sondern ziemlich langweilig. Jetzt befand man sich offenbar im Saal der Skulpturen, in dem eine große Bären-Figur stand, die später mit dem hinter ihr erscheinenden Wenzel noch eine Rolle spielen sollte. Das Tänzer-Trio bewegte dabei merkwürdige Stoffpuppen an einem Nagelbrett (?), an einer Schaukel und anderen Turngeräten.

Die Lösung, den klanglich gut ausgewogenen Chor (Einstudierung: Martin Wagner) nur auf den Bildern des Museums zu zeigen und ihn über die Lautsprecher erklingen zu lassen, war nicht geglückt. Er war gegenüber den Solisten und dem Orchester so aufdringlich laut ausgesteuert, dass die entsprechenden Szenen, wie z.B. das „Lob des Bieres“, der Furiant oder die Kommentare zum „Verkauf der Braut“ geradezu unrealistisch wirkten.

Jadwiga Postrozna/Raffaela Lintl/Albert Nemeti

Davon abgesehen war die musikalische Verwirklichung zufriedenstellend. Das lag auch an der von Pawel Poplawski sicher geleiteten, in allen Instrumentengruppen zuverlässigen Magdeburgischen Philharmonie. Allerdings ließ der Kapellmeister sie teilweise zu sehr lärmen und nahm damit auf die Sängerinnen und Sänger zu wenig Rücksicht, wenn sie in tieferen Lagen ihrer Partie zu singen hatten.

Das Gesangsensemble wurde von Raffaela Lintl als Marie angeführt. Sie gefiel mit ihrem voll timbrierten Sopran, den sie mit schöner Linienführung durch alle Lagen und höhensicher einzusetzen wusste. Ihr Hans war aus dem Magdeburger Ensemble der US-Amerikaner Jonathan Winell, dessen tonschöner, mit viel Emphase zur Geltung gebrachter Tenor durchgehend positiven Eindruck hinterließ. In der Paraderolle des Kecal nahm Johannes Stermann durch flexible Führung seines sonoren, voluminösen Basses und die lebhafte Darstellung für sich ein. Als reichlich übertrieben stotternder Wenzel trat als Gast aus Graz der polnische Tenor Albert Memeti auf. Stimmlich war er alles andere als ein schüchternes Muttersöhnchen – im Gegenteil, er sang den Wenzel so kräftig, als ob er Held in einer Wagner-Oper wäre. Maries Eltern waren der mit charaktervollem Bariton aufhorchen lassende Zhive Kremshovski und die bewährte Kammersängerin Undine Dreißig, die die Ludmila bereits vor 30 Jahren 1991 nach dem Theaterbrand im Kuppeltheater gegeben hatte. Ohne Fehl waren als Háta und Micha Jadwiga Postrożna und Paul Sketris. Neu im Ensemble erfreute die israelische Sängerin Na’ama Shulman als klarstimmige Esmeralda; Manfred Wulfert ergänzte als Prinzipal.

Das Publikum war ohne Einschränkungen positiv gestimmt und bedankte sich bei allen Mitwirkendem und dem Leitungsteam mit starkem Beifall.Formularend

Fotos:©Nilz Böhme

Gerhard Eckels 24. Oktober 2021

Weitere Vorstellungen: 30.10.+7.,20.11.2021 u.a.