Mönchengladbach: „Ball im Savoy“, Paul Abraham

Im Dezember 1932 fand am Großen Schauspielhaus in Berlin die Uraufführung der Operette Ball im Savoy von Paul Abraham statt. Trotz des großen Publikumserfolgs verschwand das Werk leider auf Grund der jüdischen Herkunft des Komponisten wenig später im „Giftschrank“ der Nationalsozialisten und fand auch nach dem Krieg vorerst nicht mehr den Weg zurück auf die Bühne. Dies änderte sich erst mit einer beeindruckenden Inszenierung von Barrie Kosky an der Komischen Oper Berlin im Jahr 2013. Inzwischen ist der Ball im Savoy erfreulicherweise wieder verstärkt auf den Spielplänen der Theater zu finden, so auch gestern Abend bei der Premiere am Theater Mönchengladbach. Auch wenn sich Abraham in den Grundzügen der klassischen Operette bedient, unterscheidet sich seine Musik doch deutlich von den großen Wiener oder Pariser Operetten. So setzte der Komponist schon damals stark auf die Einbeziehung internationaler Tanzmusik der 20er und 30er Jahre. Neben dem Walzer finden auch Foxtrott, Slowfox, Paso Doble und Tango ihren Platz in diesem Werk. Während diese Nummern meist als große Revuenummern arrangiert sind, kommt mit dem Chanson ein weiteres musikalisches Genre hinzu, das für die eher nachdenklichen Momente des Abends sorgt. Musikalisch könnte man den Ball im Savoy also durchaus als eine spannende Reise durch die Musik des frühen 20. Jahrhunderts bezeichnen.

© Matthias Stutte

Etwas aus der Zeit gefallen erscheinen aus heutiger Sicht vielleicht auch die Besetzung bzw. die Rollenauslegungen dieser Operette. Neben dem adeligen Marquis Aristide de Faublas und seiner Frau Madeleine, die nach einjähriger Hochzeitsreise rund um die Welt wieder in ihre Villa in Nizza zurückkehren, sind es vor allem der türkische Attaché Mustapha Bei und die amerikanische Jazzkomponistin Daisy Darlington, die stark der Entstehungszeit der Operette verhaftet und mit vielen Klischees komödiantisch überzeichnet sind. Und dann ist da noch die argentinische Tangotänzerin Tangolita, mit deren Ankunft in Nizza die eigentliche Handlung der Operette ihren Lauf nimmt. Sie ist die Ex-Geliebte von Aristide, der ihr seinerzeit bei der Trennung einen Scheck ausstellte, der ihr ein Rendezvous mit ihm garantierte. Das war ihre Bedingung für die damalige Trennung. Und als Ehrenmann muss man einen solchen Scheck natürlich einlösen, auch wenn dieses Rendezvous gleich am ersten Abend nach der Rückkehr von der Hochzeitsreise gefordert wird. Zusammen mit seinem Freund Mustapha tischt Aristide seiner Frau also die Geschichte auf, dass sie auf dem Ball im Savoy einen alten Freund treffen wollen, den Komponisten José Pasodoble. Dieser hat sich auch für den Ball angemeldet, tritt aber bisher unter einem Pseudonym auf, damit niemand seine wahre Identität erfährt. Doch wie es der Zufall will, hat Madeleines Freundin Daisy Darlington ihr gerade verraten, dass sie sich hinter diesem Pseudonym verbirgt. Auf dem Ball will sie dies öffentlich machen, denn sie hat mit ihrem Vater gewettet, dass sie eines Tages eine große Karriere als Komponistin machen wird. Da Mustapha Bei die Geschichte seiner langjährigen Freundschaft mit Aristide und Pasodoble noch bildhaft ausschmückt, ahnen die beiden Damen schnell, dass Aristide auf dem Ball eine andere Frau treffen will. So beschließt auch Madeleine, maskiert den Ball zu besuchen, um ihren Mann ebenfalls zu betrügen. Der Ball im Savoy kann beginnen.

© Matthias Stutte

Frank Matthus, der am Theater Krefeld-Mönchengladbach mit dem Schauspielensemble bereits zahlreiche musikalische Werke zu großen Publikumserfolgen gemacht hat, unvergessen ist hier vor allem eine der besten Inszenierungen einer Rocky Horror Show aller Zeiten, agiert an diesem Haus nun erstmals in der Sparte Musiktheater. Dabei gelingt es ihm hervorragend, einen rund dreistündigen Operettenabend in seiner mehr oder weniger historischen Form als unterhaltsames Gesamtwerk stehen zu lassen. Zum Glück verzichtet er darauf, den türkischen Attaché auch nur ansatzweise „politisch korrekt“ interpretieren zu wollen, denn unter diesem Gesichtspunkt wäre das Stück wohl in seinem Kern zerstört worden. Stattdessen darf sich zum Beispiel der grandiose Markus Heinrich charmant mit seinen sechs Ex-Frauen herumschlagen und ständig die durchaus zweifelhaften Ratschläge seines Vaters zum Besten geben. Auch Susanne Seefing, darf mit herrlich amerikanischem Dialekt diverse Klischees bedienen und sowohl ihr gesangliches als auch schauspielerisches Können unter Beweis stellen. Einmal mehr zeigt sich bei dieser Produktion, dass eine große Stärke des hauseigenen Musiktheaterensembles auch immer wieder in der Besetzung von Sprechrollen liegt. Denn neben den vielen musikalischen Nummern wird auf dem Ball im Savoy durchaus viel gesprochen, so dass die gelungene Dialogfassung von Roland Hüve an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt werden muss.

© Matthias Stutte

Als Gast fügt sich Andrea Matthias Pagani als Marquis Aristide de Faublas hervorragend in das Ensemble ein. Seine Gattin Madeleine wird von Gabriela Kuhn gewohnt stark verkörpert. Als kleines Bonbon darf sie auch das Chanson In meinen weißen Armen vortragen, das aus einer späteren Verfilmung des Werkes stammt und hier dramaturgisch geschickt eingebaut wurde. In weiteren Rollen überzeugen Janet Barolova als Tangolita, Bjorn Geudens als Anwalt Célestine Formant, Frank Valentin als Butler Archibald und Rochus Triebs als Barkeeper Pomerol. Für eine volle Bühne sorgen außerdem der Opernchor des Theaters Krefeld und Mönchengladbach, vier Tanzpaare aus dem Ballettensemble und ein sechsköpfiges Extra-Tanzensemble, das auch weitere kleinere Rollen übernimmt. Musikalisch lässt Kapellmeister Sebastian Engel die Niederrheinischen Sinfoniker schwungvoll aufspielen.

© Matthias Stutte

Das anwesende Premierenpublikum spendete allen Darstellern und dem Produktionsteam nach drei Stunden lang anhaltenden Applaus. Angesichts der Standing Ovations kann man davon ausgehen, dass hier erneut eine Produktion geschaffen wurde, die das niederrheinische Publikum zu begeistern vermochte und die auch der Verfasser dieser Zeilen sicher noch einmal besuchen wird.

Markus Lamers, 19. November 2023


Ball im Savoy
Operette von Paul Abraham

Theater Mönchengladbach

Premiere: 18. November 2023

Inszenierung: Frank Matthus
Musikalische Leitung: Sebastian Engel
Niederrheinische Sinfoniker

Weitere Aufführungen: 13. Dezember / 17. Dezember / 23. Dezember / 31. Dezember / 16. Januar / 9. Februar / 11. Februar / 6. März / 28. April / 4. Mai / 10. Mai / 30. Mai