Osnabrück: „Danse Macabre“

Premiere: 11. Februar 2017, besuchte Vorstellung: 16. Februar 2017

Choreografien von Mary Wigman, Marco Goecke und Mauro de Candia

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Schon 2013 wagte sich die Dance Company Osnabrück an die Rekonstruktion einer klassischen Mary Wigman-Choreografie. Damals wurde im Zusammenarbeit mit dem Bielefelder Theater Wigmans Berliner „Sacre de printemps“ von 1957 erarbeitet. Nun geht Osnabrück noch einen Schritt weiter und recherchiert, wie zwei Totentänze, die 1917 und 1926 entstanden sind, ausgesehen haben könnten. Kombiniert werden diese Stücke mit Choreografien von Marco Goecke und Mauro de Candia.

Henrietta Horn hat die Rekonstruktion anhand von alten Tanznotationen, Fotografien und Aufführungsberichten übernommen, wurde dabei von Susan Barnett, Cristine Caradec und Katharine Sehnert unterstützt. Das Ergebnis führt in eine fremde und ungewöhnliche Tanzwelt, die aber gleichzeitig sehr faszinierend ist.

Mary Wigmans „Totentanz I“ zum „Danse macabre“ von Camille Saint-Saens kommt sehr verspielt daher und wirkt, als befänden sich vier Zwerge im Rumpelstilzchen-Modus. Zwischendurch gibt es aber auch Situationen von Bedrohung, Angst und Schutzsuche.

Der „Totentanz II“ ist ein düsteres Ritual, das höchste Spannung erzeugt und auch noch nach 90 Jahren berührt: Ein Dämon, der von sechs Lemuren begleitet wird, beschwört eine weibliche Gestalt. Alle Personen tragen Masken, was dazu führt, dass die Tänzer noch viel mehr Energie in die ausdrucksvolle Körpersprache legen. Keith Chin ist der Dämon, der mit starker Gestik agiert, Marine Sanchez Egasse die weibliche Gestalt, die sich in ihr Schicksal ergibt.

Das Markenzeichen von Marco Goeckes Choreografien sind wild flatternde Hände, die natürlich auch Bestandteil von „Supernova“ sind, das 2009 für das Scapino Ballett Rotterdam entstand: Die acht Tänzerinnen und Tänzer betreten immer wieder mit virtuos-rasanten Arm- und Handbewegungen den Lichtkreis, der die Bühne beleuchtet. Verlassen sie ihn, wirkt es, als würden sie im Raum verglühen.

Goecke lockert den Furor der Aktion durch originelle Bilder auf. Zum Beginn wirbeln die Tänzer Salz umher. Später stehen sie einmal ganz ruhig mit ausgebreiteten Armen da, während sie brennende Streichhölzer halten.

Die Choreografien von Mary Wigman und Marco Goecke werden von der Dance Company Osnabrück auf echtem Festspielniveau präsentiert, doch die abschließende „Sacre“-Choregrafie von Mauro de Candia kann da nicht mithalten. Die Ausführungen des Choreografen im Programmheft über den gesellschaftlichen Druck der Konsumgesellschaft lesen sich plausibel, finden sich aber nicht in der Aufführung wieder.

Die Tänzer agieren in hautengen weißen Kostümen, wodurch man sich am ehesten an eine Situation im Ballettsaal erinnert fühlt. De Candia setzt oft langsame Bewegungen gegen die Wildheit der Musik. Manchmal gibt es Situationen, die an andere Sacre-Choreografie erinnern, wenn sich eine Gruppe um eine einzelne Frau formiert, oder die neun Tänzerinnen und Tänzer in solistische Bewegungen verfallen. Von der angekündigten Gesellschaftskritik ist aber auf der Bühne nichts zu spüren.

Trotz des schwachen Finales lohnt sich ein Besuch dieses dreiteiligen Ballettabends aufgrund der Choreografien von Mary Wigman und Marco Goecke.

Rudolf Hermes 23.2.17

Bilder (c) Theater Osnabrück