Osnabrück: „Lohengrin“

Auch wenn Wagners Opern auf deutschen Bühnen einen besonderen Status genießen, so wird der „Lohengrin“ immer gekürzt aufgeführt. Die Stelle im 3. Akt, wenn der Titelheld dem König prophezeit, „Nach Deutschland sollen noch in fernsten Tagen des Ostens Horden siegreich niemals ziehen!“, wird stets gestrichen. Wahrscheinlich befürchten die Intendanten und Dramaturgen, Hitler könnte durch diese Stelle zum Überfall auf Russland inspiriert worden sein und wollen Wagner so entnazifizieren. In der Osnabrücker Inszenierung von Yona Kim wird dieser Strich aber geöffnet.

Nach einer Inszenierung im Jahr 1963 ist dies erst die zweite Lohengrin-Produktion im Osnabrücker Theater am Domhof. „Lohengrin“ bedeutet für ein Haus dieser Größe einen immensen Kraftakt, was sich auch darin zeigt, dass für die Titelrolle und die Ortrud Gäste engagiert wurden, der Extrachor zum Einsatz kommt und das Orchester auf der Hinterbühne platziert ist, weil im Graben nicht ausreichend Platz wäre. Außerdem hat man sich noch die Königstrompeten bei den Bayreuther Festspielen ausgeliehen.

Regisseurin Yona Kim hat eine Fülle von Ideen, so dass man eine Inszenierung voller Anspielungen und Verweisen erlebt, die sich aber in ihrer Fülle nicht alle erschließen und auch kein logisches Gesamtbild ergeben. Mal wirkt es, als sei Elsa die Insassin einer Psychiatrie und sie erträume sich ihren Lohengrin-Helden nur. Dieser scheint nur ein Ersatz für den verschwundenen Bruder Gottfried zu sein, der immer wieder als Kind in Zwangsjacke mit Blechtrommel auftaucht. Da fühlt man sich ein bisschen an Harry Kupfers Berliner Staatsopern-Inszenierung erinnert.

Manchmal scheint Ortrud keine reale Figur, sondern nur die dunkle Seite von Elsas Charakter darzustellen. Die Auseinandersetzungen zwischen beiden Frauen im 2. Akt werden als ein infantiler Zickenkrieg gezeigt, was wiederum Ideen aus Peter Konwitschnys HamburgerKlassenzimmer-Inszenierung aufgreift.

Das Ausstatter-Team Magrit Flagner und Hugo Holger Schneider siedeln das Stück über die Kostüme im 19. Jahrhundert an. Als Bühne hätte die rechteckige Spielfläche ausgereicht. An den Seitenwänden werden aber immer wieder Bilder aus der deutschen Geschichte des 19. Jahrhunderts (Paulskirche, Neuschwanstein, Proklamation des Kaiserreiches in Versailles) projiziert. In der Handlung, die Yona Kim auf der Bühne erzählt, finden die poltischen Ereignisse dieser Zeit dann aber keinen Niederschlag, sondern das psychologische Drama der Elsa, die sich ein Wunder erträumt und mit diesem Wunder nicht umgehen kann, bildet das Zentrum der Aufführung.

Ein beachtliches Rollendebüt liefert der kanadische Tenor Chris Lysack als Gast vom Theater Aachen, wo er erst kürzlich den Tannhäuser gesungen hat. Lysack vereint sowohl Lyrik als auch Kraft und teilt sich seine Rolle klug ein. Bei den Spitzentönen strengt er sich aber hörbar an und diese bleichen aus. Andrea Baker vom Staatstheater Wiesbaden ist als Ortrud eine wahre Furie von Frau. Auch wenn sie die Partie imponierend singt, übertreibt sie es manchmal darstellerisch.

Ein sängerisches Ereignis ist die Elsa von Lina Liu. Die Sopranistin singt mit einer strahlenden und genau ausgewogenen Stimme. Die Artikulation ist genauso perfekt wie der Sitz der Töne und die Gestaltung der Rolle. Dank ihrer und Andrea Baker Leistung ist die Szene der beiden Frauen im zweiten Akt der musikalische Höhepunkt des Abends.

Rhys Jenkins glaubt man den Bösewicht Telramund nicht so richtig. Dafür singt er die Partie zu gemütlich. Der König Heinrich von José Gallisa beeindruckt mit knorriger Kraft, müsste aber noch an der Aussprache feilen. Großartig singt Dennis Sörös den Heerrufer. Er glänzt mit einem hellen Bariton und setzt immer wieder kluge Akzente.

Szenisch wirken die die von Markus Lafleur einstudierten Chöre manchmal unterfordert, aber die Spielfläche ist klein, dass es da schon Gedränge gibt, wenn alle Akteure auf der Bühne sind. Sängerisch trumpft der Opernchor, der hier noch vom Extrachor und Herren des Coruso Opernchores unterstützt werden, aber mächtig auf

Generalmusikdirektor Andreas Holz lässt das Osnabrücker Symphonieorchester großartig aufspielen. Den Facettenreichtum von Wagners Musik und ihren Klangzauber kann er schön entfalten. Die räumliche Positionierung des Orchesters bedeutet auch keinen Nachteil, sondern sorgt dafür, dass die Stimme vom Orchester gut getragen und unterstützt werden.

Rudolf Hermes 27.3.16

Bilder (c) Theater Osnabrück

P.S.