Osnabrück: „Wallenstein“, Jaromir Weinberger

© Stephan Glagla

Bei Aufführungen von Jaromir Weinbergers „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ in Gießen, Gelsenkirchen (OPERNFREUND STERN!) und Berlin hat sich diese Oper in den vergangenen Jahren stets als äußerst wirksames Stück gezeigt. Die Komische Oper Berlin präsentierte sogar seine Spionage-Operette „Frühlingsstürme“. Wesentlich schwieriger hat es da Weinbergers „Wallenstein“-Oper. Die wurde 1937 an der Wiener Staatsoper uraufgeführt und erlebte ihre deutsche Erstaufführung erst 2009 in Gera. Eine konzertante Aufführung im Jahr 2012 in Wien unter dem Dirigat von Cornelius Meister ist immerhin als CD erschienen.  Das Theater Osnabrück bringt diese Rarität jetzt im Rahmen der Feiern zum 375. Jahrestag des Westfälischen Friedens heraus.

Sehr gelungen ist bereits das Libretto von Milos Kares, das auf Schillers „Wallenstein“-Trilogie beruht und von Max Brod ins Deutsche übersetzt wurde. Die erste Szene zeigt „Wallensteins Lager“ als große Chorszene und vermittelt die Stimmung im Heer sowie die Verbundenheit der Soldaten zu Wallenstein.

In den folgenden fünf Bildern sehen wir, wie Wallenstein, der mit den Schweden über einen Frieden verhandelt, immer mehr in die Rolle des Verräters am Kaiser und seinen Kriegsplänen gerät. Dabei kommt auch die Liebesgeschichte zwischen Wallensteins Tochter Thekla und Max Piccolomini nicht zu kurz. Der ist im besonderen Zwiespalt, weil sein Vater, der General Octavio, sich von Wallenstein abwendet und durch seine Kaisertreue Karriere macht.

Farbenreich und spannungsvoll spielt das Osnabrücker Symphonieorchester unter dem Dirigat von Andreas Hotz vielschichtige Partitur. Weinberger schreibt eine spätromantische Musik, die von Militärmärschen, Fanfaren von der Hinterbühne und Renaissance-Festmusik als historisches Kolorit durchzogen wird. Für die Liebeszenen zwischen Thekla und Max sowie die nächtlichen Sternbeobachtungen des Feldherrn schreibt Weinberger, der seine Oper dem rechtsradikalen österreichischen Kanzler Kurt Schuschnigg widmete, zauberhaft romantische Musiken.

© Stephan Glagla

Theklas Lied am Beginn des 3. Bildes besitzt Wunschkonzertqualitäten. Auch die Streitgespräche, philosophischen Betrachtungen und nachdenkliche Monologe werden in spannende Musik gesetzt. Wenn Weinberger kein Jude gewesen wäre, hätte diese Oper auch im 3. Reich ein Erfolg werden können.

Weil die Solisten ab dem zweiten Bild im Zentrum stehen, inszeniert Intendant Ulrich Mokrusch sehr sorgfältig das Beziehungsgeflecht der Figuren, wobei auch die Monologe stets sehr konzentriert gestaltet sind. Das Ausstatterduo Okarina Peter und Timo Dentler hat für die Figuren eine Mischung aus historischen und modernen Uniformen entworfen. Die Bühne besteht aus einem Trümmerfeld, das nach hinten von einer allein stehenden abstrakten Fassade begrenzt wird. Die Kargheit der Bühne rückt die Figuren in den Mittelpunkt.

Bariton Hans Gröning singt den Wallenstein mit hell-markanter Stimme und artikuliert dabei sehr deutlich. Seine Figur legt er sehr nachdenklich und philosophisch an. Wallensteins Schwester, die Gräfin Terzky, wird von Susann Vent-Wunderlich mit dominantem Sopran gesungen, die Thekla von Jelena Bankovic besitzt lyrische Qualitäten. Beide Sängerinnen neigen in der Höhe aber zu scharfen Tönen.  

© Stephan Glagla

Rollendeckend und zuverlässig bringt Bariton Wolfgang Newerla den Octavio Piccolomini auf die Bühne. James Edgar Knight singt seinen Sohn Max mit schöner Mittellage, aber forciert-gepressten Spitzentönen. Den Astrologen Seni gestaltet Aljoscha Lennert mit feinem Tenor. Einprägsame Rollenporträts liefern Jan Friedrich Eggers als Oberst Wrangel und Jinxin Chen als Feldmarschall Illo.

Während andere Opernausgrabungen der letzten Wochen wie Massenets „Herodiade“ in Düsseldorf und Schrekers „Der singende Teufel“ in Bonn verlorene Liebesmühe waren, bietet Osnabrück mit „Wallenstein“ ein starkes Plädoyer für eine zu Unrecht vergessene Oper.

Rudolf Hermes, 13. Juni 2023


Jaromir Weinberger

Wallenstein

Theater Osnabrück

Premiere: 10. Juni 2023

Musikalische Leitung: Andreas Hotz

Regie: Ulrich Mokrusch

Ausstattung: Okarina Peter und Timo Denter

Osnabrücker Symphonieorchester

Weitere Aufführungen am 14., 16., 22. und 25. Juni sowie am 2. Juli.