Osnabrück: „Gräfin Mariza“, Emmerich Kalman

Gleich in zwei Theater hatte Emmerich Kalmans „Gräfin Mariza“ an diesem 3. Dezember parallel Premiere. Immerhin liegen zwischen Osnabrück und Dortmund mehr als 100 km, sodass sich die beiden Häuser mit der beliebten Operette keine direkte Konkurrenz machen. In Osnabrück lässt sich Regisseur Matthias Oldag von der Serie „Babylon Berlin“ inspirieren und versetzt das Stück vom Puszta-Landgut in einen Budapester Nachtclub.

(c) Oliver Look

Eine komplett neue Sicht auf das Stück gelingt Oldag so nicht, jedoch befreit er es von seinem Folklore-Kitsch, und da Kalman sich von den Tanzmusiken der 20er Jahre inspirieren lässt, ist diese Vorgehensweise legitim. Graf Tassilo ist nun nicht der Verwalter der Landgüter der Gräfin, sondern nachdem er durch die Hyperinflation sein Vermögen verloren hat, heuert er im Nachtclub der Gräfin an, um die Mitgift für seine Schwester Lisa zu verdienen. Im ersten Bild steht der Graf im Schneegestöber auf der Straße vor dem Nachtclub, während die wertlos gewordenen Geldscheine weggefegt werden. Die bettelnden Kinder lassen die Szene aber zu sehr in eine Sozialromantik wie bei Charles Dickens umkippen.

Einen stimmkräftigen Grafen Tassilo singt James Edgar Knight. Susan Vent-Wunderlich ist eine selbstbewusste Mariza mit starkem Sopran. Zudem singt sie ihre Rolle sehr textverständlich. Beide Sänger haben aber die Unart, den Schluss jedes Duetts in einer Stimmprotzerei münden zu lassen, die einer Wagner-Oper würdig gewesen wäre.  Hier wäre mehr sängerischer Geschmack gefordert, aber auch Dirigent Daniel Inbal, feuert das Osnabrücker Sinfonieorchester in den Schlussakkorden immer wieder ins Fortissimo an.

(c) Oliver Look

Während die Szenen von Maritza und Tassilo recht konventionell inszeniert sind und auch nicht getanzt wird, wenn beide davon singen, sprüht es zwischen Tassilos Schwester Lisa und ihrem Verehrer Koloman Zsupan an Witz und Spielfreude. In diesen Duetten gelingt eine flotte Mischung aus Tanz und Aktion. Julie Sekinger und als Lisa und Einspringer Andreas Rainer von der Musikalischen Komödie Leipzig als Koloman Zsupan gestalten ihre Partien mit leichten und beweglichen Stimmen

Für den größten Teil des Stückes Ausstatter Darko Petrovic einen halbreflektierenden Plexiglasraum des Nachtclubs entworfen, der deutlich macht, wie sich die glamourös gekleidete Oberschicht vor der draußen herrschenden Armut abschottet. Dieser Nachtclub erinnert stark an das „Moka Efti“ in „Babylon Berlin“ und Choreografin Kati Farkas kann hier das queer kostümierte achtköpfige Tanzgruppe quirlig auftanzen lassen. Auch der Osnabrücker Opernchor tanzt und singt begeistert mit.

(c) Oliver Look

Das Konzept der Regie geht auf und kommt beim Publikum gut an. Jedoch fragt man sich, ob dieses „Babylon Budapest“ nicht auch noch eine kriminelle Seite bräuchte? Idealer Kandidat wäre Marizas Verehrer Fürst Moritz Dragomir Populescu, der von Mark Hamman als schmieriger Intrigant gespielt wird. Hamman übertreibt seine Darstellung dieser Figur in den Dialogszenen ins Marktschreierische.

Überraschend ist die Besetzung von Tassilos Erbtante Fürstin Bozena, die im dritten Akt gleichzeitig die finanzielle Rettung wie komödiantische Finalrolle ist mit dem Schauspieler Ronald Funke besetzt ist. Warum diese Rolle mit einem Mann besetzt ist, wird nicht klar. Ebenso rätselhaft bleibt, warum die sächselnden und unkomischen Monologe des Schauspielers bei einigen Zuschauern Dauerlachanfälle auslösen.

Rudolf Hermes 7. Dezember 2022


Emmerich Kálmán: Gräfin Mariza

Theater Osnabrück

Besuchte Premiere 3. Dezember 2022

Inszenierung: Matthias Oldag

Choreografie: Kati Farkas

Bühne und Kostüme: Darko Petrovic

Musikalische Leitung: Daniel Inbal

Osnabrücker Sinfonieorchester