am 24.5.14
Musikalische Superlative in angestaubter Inszenierung
Am Vorabend hatte er noch La Sylphide dirigiert, am darauffolgenden Abend bewies Gergely Kesselyák am Pult des Orchesters der Ungarischen Staatsoper erneut, dass dieses Orchester zu den besten seiner Art in Europa zählt. Puccini fand es nicht für notwendig in einer großangelegten Ouvertüre die wichtigen Motive seiner Oper vorzuführen. Stattdessen umreißt er mit drei gewaltigen Akkorden die dramatische Geschichte und die Brutalität des Polizeichefs von Rom um 1800, Baron Scarpia, hinter dem sich der historische Polizeichef Gherardo Curci, bekannt auch als Sciarpa, verbirgt. Opern der Jahrhundertwende ist das „in medias res“ gemein und so tritt der aus dem Castel Sant’Angelo vor Scarpia und seinen Schergen entflohene Revolutionär Cesare Angelotti , mit edlem Bass
András Palerdi, hinter dem sich der von Königin Maria Carolina von Neapel und Sizilien 1799 gefangen gesetzte römische Konsul Liborio Angelucci verbirgt, auf und sucht bei einer Marienstatue in der Kirche Sant Andrea della Valle nach einem für ihn hinterlegten Schlüssel zu einer Grabkapelle in der Kirche.
Mit der Rolle des Sakristan , in dieser Aufführung von Bassist András Hábetler äußerst humorvoll dargebracht, schuf Puccini eine große Buffofigur. Er, der ständig zwischen Nörgeln und Beten schwankt, scheut nicht, sein Missfallen an dem kurze Zeit später auftretenden Maler Mario Cavaradossi zum Ausdruck zu bringen. Dieser wurde besonders eindringlich und stimmlich bestens disponiert von
Attila Fekete dargeboten. Einziges Manko an diesem Abend war, dass er bei seinem „Victoria-Ruf“ im zweiten Akt derart forcierte, dass man um seine Stimme fürchten musste. Bei Anwendung einer besseren Technik hätte es vermutlich eines solchen Kraftaktes nicht bedurft. Aber egal, dass Publikum war von seiner Leistung begeistert.
Die Rolle der Floria Tosca wurde von Sardou noch ziemlich naiv konzipiert, eine Frau, die nur von ihren Gefühlen und nicht vom Verstand regiert wird. Dieses etwas abfällige Bild wich bei Puccini dem einer regelrechten femme fatale, die an diesem Abend von der auf den Bühnen der Welt von New York bis Wien bekannten Gyöngyi (Georgina) Lukács mit Inbrunst interpretiert wurde. Ihre Stimme ist nun etwas dunkler geworden, was zur Rolle der Tosca – für meinen Geschmack – viel besser passt. Nach wie vor verfügt sie auch über eine gewaltige, strahlende Höhe, mit der sie alle Tücken der Partitur meisterhaft bewältigte.
Und als dritter im Bunde ließ Anatolij Fokanov als verdienter Baron Scarpia keine Zweifel über, wer mit eiserner Faust Rom durch Intrigen, Verleumdungen und ein gewaltiges Heer an Spitzeln regiert. Sein schmieriger Charakter steigert sich im zweiten Akt zu einem wahrhaft genüsslich zelebrierten Sadismus, der im Versuch, Tosca zu vergewaltigen, gipfelt. Und nun treten auch die windigen schleimigen Polizeispitzel von Baron Scarpia, László Haramza als Spoletta mit eindringlichem Charaktertenor und Tamás Busa als Sciarrone mit so recht bösen Basstönen, als bereitwillige Handlanger für Scarpias diabolische Pläne auf. Antal Bakó ergänzte noch als
Gefängnisschließer im dritten Akt.
Der Chor und Kinderchor der Ungarischen Staatsoper waren gewohnt gut von Máté Sipos Szabó und Gyöngyvér Gupcsó einstudiert.
Die Inszenierung von Viktor Nagy in den historisierenden Bühnenbildern von Tamás Vayer und den zeitgenössischen Kostümen von Nelly Vágó stammt aus dem Jahre 1998 und entspricht in ihrer Ästhetik jener von Margarethe Wallmann in Wien. Sie sollte etwas aufgefrischt werden, denn die Säng er gefielen sich zeitweise in opernhaften Posen und auf reinen Effekt abgestellten unnatürlichen Gesten. Interessantes Detail am Rande: das Kostüm der Tosca samt Tiara im zweiten Akt erinnert ein wenig an jenes von Maria Callas 1964. Großen Applaus gab es am Ende für Lukács und Fekete sowie für den Dirigenten Kesselyák, dem sich der Berichterstatter gerne anschloss.
Harald Lacina , 26.5.14 Fotos: Véra Eder