Wien: „Die verkaufte Braut“

Vorstellung am 17.02.2013

Kaum eine Oper verdient die Bezeichnung „Volksoper“ so sehr, wie Die Verkaufte Braut von Bedrich Smetana. Allerdings vergab die Wiener Volksoper mit der jüngsten Neuinszenierung durch Michael Baumann die Riesenchance auf einen richtigen Publikumserfolg. Zugegeben, die letzte Laufenberg-Inszenierung des Jahres 2005 (die in einem Turnsaal spielte) war austauschwürdig, aber begeistern konnte Baumanns Arbeit auch nicht viel mehr. Dabei überzeugte das Einheitsbühnenbild von Mathias Fischer-Dieskau durchaus: Eine Riesenscheune, die genügend Platz für die Massenauftritte und das Zirkusbild bot. Auch die Kostüme nach den Entwürfen von Ingrid Erb zeugten von gutem Geschmack. Dass Baumann (der heute 74-jährige Berliner leitete jahrzehntelang in seiner Heimatstadt das Theater des Westens) die Handlung im Jahr 1912 spielen ließ, war zwar im Programmheft nachlesen, schlüssig war es aus der Inszenierung aber nicht ersichtlich. Wie überhaupt nur wenig davon zu spüren war, dass der Regisseur mit Musical und Operette einst große Erfolge gefeiert hatte.

Mit böhmischer Folklore und Kitsch hatte diese Verkaufte Braut erfreulicherweise nicht viel am Hut, aber die Handlung schleppte sich leider nur träge dahin. Und daran war nicht nur das eher mäßige Libretto von Karel Sabina schuld, der einst bekannte: „Wenn ich gewusst hätte, was Smetana aus dieser meiner „Operette“ machen wird, hätte ich mir mehr Mühe gegeben.“

Dieses Mehr an Mühe hätte sich auch die Inszenierung verdient. Wenn der schmierige Heiratsvermittler Kecal in seiner biederen Aktentasche eine Weinflasche in einem doppelten Boden verbirgt und daraus seinen Kunden regelmäßig einschenkt, dann mag das beim ersten Mal recht witzig sein – das war es dann aber auch schon. Die Solisten bewegten sich vorwiegend routiniert durchs Geschehen, manche spritziger und engagierter, andere belangloser und klischeehafter. Auch die bunte Zirkustruppe riss einen nicht wirklich mit, trotz eines bemühten Jongleurs (Laido Bittmar) und eines um Aktualiät bemühten Zirkusdirektor (dessen Witzchen aber an der Grenze der Peinlichkeit spazierten). Punkten kann der Abend lediglich mit den Ensemble- und Volksszenen: Keine blau-weiß-roten Fähnchen und keine Maiskolben, stattdessen hübsche schwarze Gewänder für Chor und Ballett. Ein besonderes Bravo gilt der ästhetischen Choreographie von Bohdana Szivacz.

In musikalischer Hinsicht blieb diese Premiere auch ein wenig durchwachsen: Enrico Dovico führt am Pult das Orchester und die Sänger souverän durch den Melodienreichtum Smetanas, kein Wunder, dirigierte er sich doch am Prager Opernhaus drei Jahre durch gesamte tschechische Repertoire. Eine wenig glückliche Hand verspürte man bei der Besetzung der Hauptrollen. Als dem Hans von Matthias Klink zweimal beim Forcieren der hohen Töne die Stimme wegbrach, musste man für seine große Arie Schlimmes befürchten, die er dann aber doch „stemmte“. Direktor Robert Meyer sagte den Tenor zur Pause dann an: Durch die krankheitsbedingte Absage des Covers Mehrzad Montazeris war Klink gezwungen gewesen, alle letzten Proben und auch die Voraufführung vor drei Tagen zu singen und das war offenbar zu viel des Guten. Genau in dieser Voraufführung konnte ich mich davon überzeugen, dass Klink die Partie eigentlich drauf hat, wenngleich für mich die Stimme auch dort (zu) sehr lyrisch wirkte.

Schade auch, dass die überaus sympathisch wirkende Caroline Melzer als Marie in erster Linie durch ihr sehr feines Herausarbeiten der emanzipierten Frau bestach und weniger durch ihren Sopran, der in den Extremlagen sehr angestrengt klang und über die ganze Aufführung nicht ganz frei strömte. Das schien aber bei der sonst so verlässlichen Sängerin durch die Premierennervosität bedingt und man kann auf die Folgeaufführungen gespannt sein. Dann wird man sehen, ob diese Marie wirklich zum idealen Zeitpunkt für sie kam.

Martin Winkler demonstrierte die ganze Schleimigkeit des Heiratsvermittlers Kecal, meist mit gewaltig dröhnender Stimme. In der Tiefe zeigte der kommende Alberich von Bayreuth aber doch hin und wieder das eine Manko. Ohne Tadel hingegen der oftmals als Tölpel dargestellte Wenzel, den Jeffrey Treganza hinreißend als spätpubertierenden unterdrückten Sohn einer unmöglichen Mutter spielte und auch mit feinem charakterhaften Tenor sang. Ein bemühter Boris Eder ging mit resoluter Strenge gegen seine Truppe vor, über die tagesaktuellen Extempores sei jedoch lieber der Mantel des Schweigens gebreitet. Nichts verkehrt machten Anita Götz als Tänzerin Esmeralda, Andreas Mitschke und Alexandra Kloose (als Grundbesitzer Micha und seine Frau Hata) sowie Michael Kraus (Kruschina) und Regula Rosin (Ludmila).

Perfekt einstudiert wirkte der Chor der Wiener Volksoper (unter der Leitung von Tom Böttcher), sowie das Corps de ballet.

Am Ende bleibt aber eine gewisse Belanglosigkeit und ein fahler Geschmack im Mund. Wenn dann Baumann im Vorfeld über seine Arbeit stolz verkündet „Wir haben dem Stück nichts angetan!“, ist als Rezensent nur zu ergänzen – leider! Typischer Premierenapplaus (acht Minuten) und Jubel für Treganza, Winkler und das Ballett.

Fotocopyrights: Wiener Volksoper

Ernst Kopica