Cole Porter tritt in Heldritt auf
Im letzten Jahr hatte ich mich gefreut, dass in Heldritt wieder Operette gespielt wurde, hoffte auf einen Ausrutscher bei der Stückauswahl, prompt steht wieder ein Musical auf dem Spielplan. Ich gebe gerne zu, dass ich kein besonderer Freund des Musicals bin, vor allem, da die gesanglichen Leistungen hier mitunter nicht unbedingt im Vordergrund stehen, teilweise schwer zu verdauen sind und auch die Auswahl schöner und eingängiger Melodien in der Regel sehr überschaubar ist. Nun gut, man hatte mit „Kiss me, Kate“ von Cole Porter wenigstens einen Klassiker, der noch als Ausläufer der guten alten Operette gelten kann, ausgewählt und so war die Überwindung nach Heldritt zu fahren für mich nicht gar so groß.
Vor der Vorstellung habe ich mich natürlich wieder an den kulinarischen Köstlichkeiten der Region gütlich getan – und dies ist ein gewisses Problem in Heldritt, aber nur für meine Figur und die rein zwangsläufige Zunahme, weil man ja alles ein bisschen probieren will, nein muss, und das ist nicht wenig, was hier immer wieder angeboten wird. Aber nun zurück zur Hauptsache, der Aufführung und der Umsetzung auf der kleinen wunderschönen Naturbühne in Heldritt.
Die Geschichte des gezähmten Kätchens ist wohlbekannt, die Uraufführung war in New York im Jahre 1948, in Frankfurt am Main war dann die deutschsprachige Erstaufführung. Mitunter geht es sehr toll zu auf der Bühne in Heldritt, denn das Stück im Stück erfordert eine große Anpassung aller Beteiligten. Die Geschichte um eine Theatergruppe, die eine musikalische Fassung von Shakespeares „Der widerspenstigen Zähmung“ zur Aufführung bringen will, draußen auf dem Land, wo man so etwas ja mal ausprobieren kann, ist mitunter ganz schön verworren, denn das Paar aus Shakespeare hat auf der wirklichen Bühne fast die gleichen Probleme miteinander, aber wie in (fast) jedem guten musikalischen Operettenstück, wendet sich am Schluss alles wieder zum Guten.
Die Musik von Cole Porter ist eingängig, teilweise sehr schmissig und kommt gut an, sei es jetzt „Wunderbar“, „Premierenfieber“, „Wo ist die liebestolle Zeit“, als auch „Schlag nach bei Shakespeare“ und vieles andere. Dr. Attila Lang hat die Inszenierung gemacht, er ein alter Hase, Chef-Producer der Wiener Festwochen und geübter Musiktheatermacher hat ein glückliches Händchen bei seiner „Kiss me, Kate“, die er übrigens das erste Mal inszeniert. Viele Musicals hat der gebürtige Ungar schon auf die Bretter, die die Welt bedeuten, gebracht, darunter „Anatevka“, „Gigi“ und „Cabaret“, aber jetzt zum ersten Mal bei der Coburger Sommeroperette „Kiss me, Kate“.
Der Wiener Choreograf Christian Zmek steht ihm zur Seite, er ist vor allen Dingen für die ausgezeichneten Chorauftritte zuständig und Frieder Klein hat die nicht leichte Aufgabe, die entsprechenden Kulissen für die Waldbühne zu entwerfen, hervorragend gelöst. Immer ist etwas los, die Bühne wird in ihrer vollen Länge und Breite „bespielt“ und man merkt den Sängern und Darstellern an, wie viel Spaß ihnen das Stück macht. Und da sind wir dann auch bei den Leistungen der einzelnen Beteiligten. Und hier muss man mit seiner Kritik natürlich etwas zurückhaltender sein, denn ein guter Musicaldarsteller muss nicht unbedingt ein guter Sänger sein – und ist es meistens leider auch nicht. Vom rein stimmlichen, aber auch darstellerisch überzeugt mich am meisten Dirk Mestmacher als Fred Graham/Petruchio. Er ist durchgehend auf der Bühne präsent und hat einen wohlklingenden sicher geführten, schlanken Tenor. Es macht Spaß ihm zuzuhören und zuzuschauen. Seine Lilli Vanessi/Katharina ist Lenneke Willemsen. Auch sie fügt sich gut in die Rolle ein und ist Dirk Mestmacher eine sehr gute, fast gleichwertige Partnerin. Vom Spiel und vom Temperament auf jeden Fall, vom gesanglichen kann sie zum größten Teil ebenfalls überzeugen. Laura Mann als Ann Lane/Bianca hat das Publikum voll hinter sich. Die 23jährige gebürtige Coburgerin, die den Musik-Förderpreis der Stadt Coburg im Jahr 2010 erhielt, hat hier einfach ein Heimspiel. Und sie bringt dieses Debüt in Heldritt gut auf die Bretter. Die Freier, Rainer Möbius als Harrison Howell, der mit seinem Reichtum protzt und sich auch entsprechend gibt, aber am Ende trotz aller Millionen doch leer ausgeht, Stephan Ignaz, einstiger Liebling des Landestheaters Coburg als Bob/Gremio und Robin Koger als Harold/Hortensio verkörpern ihre Rollen überzeugend und sorgen für viele Lacher, so wie das Lachen bei dieser Aufführung sehr oft an erster Stelle steht. Claus J. Frankl als Harry/und genervter Brautvater Baptista war Dramaturg am Coburger Landestheater von 1988 bis 1993. Er ist der Coburger Sommeroper seit vielen Jahren verbunden und zeigt hier auf das vortrefflichste, wie und was man aus einer vermeintlich kleinen Rolle alles herausholen kann. Als mafiosiähnliches Ganovenpärchen brillieren Alexander M. Helmer und John Sweeney. Sie machen aus den beiden Bösewichtern Paraderollen, sorgen für viel Stimmung und heimsen – zu Recht – viel Applaus ein. Adelheid Frankenberger, die Produktionsleiterin und Mädchen für alles bei der Coburger Sommeroperette will mit der Aufführung von Musicals mit Sicherheit auch ein zusätzliches jüngeres Publikum erschließen. Etwas, was auch die „großen“ Häuser in Mörbisch und Bad Ischl vor- und mitmachen. Man will damit versuchen, dieses neue Publikum auch an die Operette heranzubringen. Solange aber Operette in Rundfunk und Fernsehen nicht nur stiefmütterlich, sondern praktisch fast gar nicht mehr gespielt wird und solange nicht das musikliebende Publikum die Sender mit Briefen bombardiert dies wieder zu ändern, wird der Besucherkreis für eine der reizvollsten Musikarten immer geringer werden.
Dem Orchester der Coburger Sommeroperette unter der Leitung von Iván Boldog, merkt man richtig den Spaß an, so richtig „schmissig aufzuspielen“ und die Melodien feurig an das Publikum weiterzugeben. Es unterstützt die Sänger auch behutsam, und lässt keinen Sänger, auch wenn die Stimme nicht so tragfähig ist, untergehen. Vor allem auch der Chor gibt sein bestes und das ist nicht wenig. Man merkt ihm richtig an, dass ihm die Musik einfach Spaß macht und dies bringen sie auch über die Rampe. Insgesamt eine gute Aufführung, die dem Publikum sichtlich gefällt. Ich jedenfalls freue mich, dass im nächsten Jahr wieder zur Operette zurückgekehrt wird und zwar mit der Aufführung der leider nur selten gespielten „Die Zirkusprinzessin“ vom Emmerich Kálmán.
Manfred Drescher
Bilder 1 und 2 Ulrich Göpfert, Coburg; Applausbild: Manfred Drescher