Geballte Kraft und geglückte Rollendebüts
Nach einer fast dreiwöchigen Pause steht der Neumeier-Abend mit zahlreichen Rollendebüts erneut am Spielplan des Wiener Staatsballetts. „Le Pavillon d’Armide“ ist eine Hommage an Vaslaw Nijinsky, in welcher Neumeier (Choreographie, Bühnenbild, Kostüme und Licht) sehr gekonnt den Übergang von Gegenwart in die Vergangenheit verschwimmen lässt und klassische Elemente mit Ausdruckstanz vereint. Die Musik stammt von Nikolai Tscherepnin.
Und auch die zweite Besetzung ist vielseitig und souverän. Es ist eine grosse Freude, dass der gerade einmal 20 Jahre junge Solotänzer Jakob Feyferlik nicht nur eine äusserst gute Technik hat, sondern vor allem auch darstellerisch auf ganzer Linie in seiner ersten Vorstellung überzeugt! Da ist es schon prädestiniert, dass er auch zahlreiche andere Hauptpartien (Romeo, Schwanensee-Prinz, Onegin – dies nur als Anregung, derweil sind diese Rollen noch Zukunftsmusik) sehr gut interpretieren wird. Ioanna Avraam als Romola Nijinsky hat eine wunderschöne, ruhige Ausstrahlung und brilliert auch als Armide. Man darf sehr gespannt auf ihr Rollendebüt im April als Giselle Rouge an der Wiener Volksoper sein; nach ihren letzten vielversprechenden Vorstellungen ist die Vorfreude umso grösser.
Hervorragend ist einmal mehr Premierenbesetzung Roman Lazik als Arzt, bzw. als Serge Diaghilew. Im Pas de trois – Rollendebüt für alle drei – reüssieren die technisch perfekte Liudmila Konovalova, die elfengleiche Natascha Mair, welche die Freude am Tanzen besonders gut vermitteln kann, und der grossartige, sprungfreudige Davide Dato. Auch das Rollendebüt von Masayu Kimoto im danse siamoise erfreut durch Souveränität. Und das Corps de Ballet schliesslich glänzt durch Harmonie und Vielseitigkeit, denn nach der Pause geht es kraftvoll mit „Le Sacre“ weiter und fordert ausnahmslos jeden Tänzer.
Rollendebüts im 2. Teil gibt es bei Nikisha Fogo und Zsolt Török, sowie vereinzelten Corps-Herren, alle anderen haben bereits die Premiere getanzt. Und dieser „Sacre“ ist ein sehenswertes Meisterwerk, packend vom ersten Moment an, ein geschmeidiges und kraftvolles Zusammenspiel von Tanz und Lichtgestaltung, vereint mit der genialen Musik von Igor Strawinsky. Dass das Wiener Staatsballett in erster Linie eine klassisch fundierte Technik hat, sieht man unweigerlich an der exzellenten Fussarbeit eines jeden einzelnen, aber es mangelt nicht im Geringsten an Ausdruckskraft und Geschmeidigkeit. Gerade solche flexiblen Tänzer, wie Alice Firenze, Nikisha Fogo, Eszter Ledan, aber auch Zsolt Török und Masayu Kimoto können sowohl im Klassischen, wie auch im Modernen brillieren, und Francesco Costa beeindruckt mit seinen atemberaubenden Sprüngen (eigentlich „Flüge“).
Last but not least, der fulminante Schlusstanz von Rebecca Horner: In John Neumeiers Version ist die Solistin die letzten fünf Minuten ganz alleine auf der Bühne (in vielen anderen Versionen tanzt sich das auserwählte Opfer umringt vom Corps de Ballet zu Tode), und hat die ganze Bühne (schwarzer Hintergrund und Verfolger) zu füllen. Eine enorme Herausforderung, nicht nur von der tänzerischen Kondition her, sondern vor allem auch emotional, mit geballter Kraft diese fünf Minuten durchzustehen und nonstop mit Bühnenpräsenz dazusein, keine Chance, kurz unauffällig zu verschnaufen. Und Rebecca Horner meistert dies fabelhaft! Sie tanzt nicht nur die Choreographie, nein, sie lebt jeden Moment bis in die Fingerspitzen, ist eins mit der Musik und fühlt den Rhythmus, wie es sonst keine andere vermag! Eine sensationelle Leistung, für die sie absolut zu Recht nach der Premiere im Februar zur Solotänzerin ernannt wurde.
Unter der Leitung von Michael Boder spielt das Orchester der Wiener Staatsoper herausragend gut, insbesondere der Sacre wird zu einer Sternstunde!
Folgevorstellungen: 13. und 16. März 2017
Katharina Gebauer 16.3.2017
Bilder (c) Staatsballett