Besuchte Aufführung am 16.02.13 (Premiere am 27.01.13)
Zarzuela von Manuel Nieto
Kennen Sie den "Barbier von Barmen" ? An den Wuppertaler Bühnen kann man ihn jetzt im Foyer des Schauspielhauses kennenlernen! Dahinter verbirgt sich eine der bekanntesten Zarzuelas (die spanische Form der Operette) von Manuel Nieto und Gerònimo Gimènez mit dem Originaltitel "El barbero di Sevilla". Wie man dem Titel entnehmen kann, eine Operette, die hinter dem Theater spielt und auf die Rossini-Oper anspielt. An der Wupper in einer Eigenfassung: Die "Malle-liebende" Garderobiere Christa Hagenkötter, Rufnahme Donna Casimira, versucht ihre begabte Tochter als Sängerin zu lancieren, gegen den Wunsch des Ehemanns, der rein zufällig auch der Galan der alternden Hausdiva ist; …. also die bunten Intrigen des Theatervölkchens mit liebenswerter, spanischer Unterhaltungsmusik kombiniert. Die Musik zitiert nebenbei auch damals beliebte Repertoirestücke von Meyerbeer, Gounod, Bizet und natürlich Rossini. Und weil eine Zarzuela meistens gerade mal eine knappe Stunde dauert, wird das Werk mit "Tosca", "Carmen" und "Barbier"-Einlagen auf eineinhalb Stunden Spieldauer gestreckt.
Miljan Milovic (Martin); Elena Fink (Elena); Oliver Picker (Carlos Rodriguez)
Björn Reinke inszenierte den bunten Reigen mit viel Witz und Spielfreude der beteiligten Akteure in der farbigen Ausstattung von Monika Frenz, da wird mit einem tiefen Griff in den Fundus ordentlich Bühnenzauber entfacht, der Rheinische Karneval lugt ständig um die Ecke. Dabei kokettiert die Aufführung immer mit dem Charme eines Käseigels, den man verschämt doch von Herzen liebt. Elena Hagenkötter ist die junge Sängerin, die von Elena Fink mit blitzenden Soprankoloraturen und jugendlicher Erscheinung ausgestattet wird; Michaela Mehring der leicht angewitterte Hausstar "La Roldàn". Milijan Milovic mit warm timbriertem Bariton der Liebhaber und Jungsänger Martin, Oliver Picker mit sonorem Bass der sich exotisch gerierende Gesangslehrer Carlos Rodriguez, während Boris Leisenheimer als Faktotum Sanchez dem Affen ordentlich Futter gibt. Das Zentrum der Vorstellung sind die beiden Darsteller der Eltern Hagenkötter, beides Schauspieler, die aus ihren Stimmen samt Defiziten Funken zu schlagen wissen: Peter K.Hoffmann als spießig-knarziger Möchtegernliebhaber Walter H. und natürlich als Ruhrgebiet-Hausfrauen-urgestein Dora Brockmann als Christa H. alias Donna Kasimiera. Der Höhepunkt der Aufführung ist ihr im Diskant vorgetragenes Zigeunerlied ("Carmen" 2. Akt) mit drei göttlich tanzenden Putzfrauen-Kolleginnen quasi in der Reinemach-Version, die Gehörgänge sind danach frisch gespült, während die Sicht mit Lachtränen verschleiert ist, gnadenlos grandios!
Boris Brinkmann dirigiert das tadellos aufspielende und mitspielende Sinfonieorchester Wuppertal durch die Kammerversion der Partitur, korrepetiert vom Klavier und beweist darstellerische Präsenz.
Das Publikum kommt absolut auf seine Unterhaltungskosten und will gar nicht aufhören, zu applaudieren. So schön, soviel Spaß macht kreativ gestaltetes Unterhaltungstheater, die Fahrt nach Wuppertal hat wieder einmal gelohnt.
Martin Freitag
Foto: Tom Buber