Besuchte Aufführung am 07.03.14
(Premiere der UA am 07.02.14)
Traugott im Wunderland
In seiner letzten Spielzeit geht Operndirektor Johannes Weigand aber wirklich aufs Ganze und wagt , neben den Veranstaltungen, die über die ganze Stadt verteilt werden, auch noch eine echte Uraufführung: "Der Universumsstulp" eine musikalische Bildergeschichte in drei Heften nach dem gleichnamigen Roman des in Wuppertal ansessigen Eugen Egner, auf dessen Libretto mit der Musik von Stephan Winkler. Egner selbst zählt zu den führenden Vertretern der Groteske der deutschen Literatur und ist ebenso als Maler, wie vor allem Karikaturist und Zeichner für das berüchtigte Satire-Magazin "Titanic" bekannt.
Universumsstulp, das ist ein Fachbegriff aus dem Bereich der Urknall-Theoretiker, dient also für eine Bezeichnung des "Woher kommen wir", eine These die nicht bewiesen, doch von durchaus ernstzunehmenden Wissenschaftlern durchdacht wird. Die lange Handlung in wenigen Worten zu beschreiben, wird unmöglich sein, doch hier eine Andeutung der mehrfach mäandernden Geschehnisse: der Schriftsteller Traugott Neimann wird durch eine höhere Entität dem Tode entrissen, er durchlebt daraufhin eine skurrilere Situation nach der nächsten, begegnet Agenten des Innenministeriums, dem Papst Probstenloch (Erfinder des Prälatengummis), wechselt Körperzustände, wird unter anderem als Brotaufstrich verzehrt, um die überbordende Fantasie anzudeuten, um als virtuelle Kunstgestalt wiederauferstehen zu dürfen. Bis zur Pause denkt man noch, was es soll, doch nach der Pause bekommt die Handlung in ihrem kafkaesken Strudeln Sinn. Gerade für die Generationen, die sich durch den Umgang mit virtuellen Medien immer mehr in der Frage, nach der eigenen Identität, dem Kommunizieren mit echten (?) Menschen, verunsichert fühlen, werden den tieferen oder höheren Sinn dieser Groteske nachvollziehen können.
Stephan Winkler hat die Musik komponiert, nicht unbedingt einem "schönen" Klang untergeordnet, doch immer am Puls der Handlung und des Librettos. Verglichen mit den letzten Uraufführungen meine ich hier, eine echte Vertonung zu spüren, denn ein, wie kann ich meine Musik verkaufen, wie soll sie klingen, der letzten erlebten Novitäten. Ee entsteht eine dramatisch sehr gestische Tonsprache und wird mit vorher aufgenommenen und elektronischen Elementen gemischt. Die Gesangslinie folgt eher der gesprochenen Linie in etwas übersteigert theatralischem Duktus, die Sänger haben weniger Schöngesang abzuliefern, als dramatischen Aplomb und gute Verständlichkeit; Letzteres gelingt nicht immer.
Eine weitere Besonderheit dieser Uraufführung ist die Zusammenarbeit mit der Kunststiftung NRW , die mit dieser Uraufführung ihr fünfundzwanzigstes Jahr feiert. So wird die komplizierte Partitur mit dem Ensemble musikFabrik aufgeführt, dem mittlerweile, man kann sagen, weltbekannten Spezialensmble für moderne Musik mit einem ihrer treuesten Dirigenten an Pult: Peter Rundel ist ein Garant für die sichere Umsetzung und den adäquaten Umgang dieser Art Tonsprache. Thierry Bruehl setzt deutlich die vielen skurrilen Geschehnisse um und bedient sich dabei mit den Filmen von Philippe Bruehl und der einfachen, wie überzeugenden Bühnenlösung von Bart Wigger und Tal Shacham mit ihren schnellen Szenenwechseln, absolut sinnvoll der modernen Techniken und zitiert sogar die comicähnliche Zeichensprache des Autors Egner. Vielleicht gerät manche Umsetzung nicht ideal, doch Szenen wie die Computerwelt eines Verlagsprogrammes beeindrucken sehr. Manchmal erinnert der Abend sogar an große technisch-filmische Meisterleistungen wie die Matrix-Trilogie.
Der Bariton Olaf Haye und der Schauspieler Andreas Jankowitsch teilen sich die riesige Aufgabe des Traugott Neimann, beide gleich intensiv im Ausdruck und hervorragend in der Gestaltung, wie eigentlich auch das ganze Ensemble des Abends. Die Gesangsaufgaben in ihrer Eigenartigkeit legt vieleicht gar nicht so großen Wert auf die übliche Gesangsschönheit eines "normalen" Opernabends, daher möchte ich die einzelnen Protagonisten gar nicht extra herausheben , sondern mit einer Aufzählung der beteiligten Künstler einfach zum Ausdruck bringen, daß hier die Gesamtleistung zählt und vom Rezensenten als recht hoch eingestuft wird. Ein gesammeltes Danke an Uta Christina Georg, Michaela Mehring, Dorothea Brandt, Annika Boos, Joslyn Rechter, Katharina Greiß, Hendrik Vogt, Christian Sturm und Martin Js. Ohu.
Der Beweis für die Qualität, wie auch Unterhaltsamkeit des Werkes wie der Aufführung, sind die gute Auslastung des Wuppertaler Hauses, wie wenige Zuschauer bei dieser modernen Musik in der Pause gegangen sind, und natürlich der mehr als verdiente, äußerst herzliche, wie lang anhaltende Applaus. "Der Universumsstulp" ist eine Oper, der man gerne wieder auf den Spielplänen begegnen möchte; eine Oper, die auch gerade ein junges und jung gebliebenes Publikum mit ihrer Thematik erreichen kann.
Martin Freitag 12.3.14
Bilder: Wuppertaler Bühnen