Wuppertal: „West Side Story“

Besuchte 4.Aufführung Samstag 5.12.15, Premiere am Mittwoch, dem 2.12.15

Das einstige „Wunder vom Broadway“ nun in Wuppertal

Da die Wuppertaler Oper anscheinend die (bisher?) als etwas besonderes geltenden Wochenendtage für Premieren – als quasi feierliche Veranstaltung – nun auch endlich überwunden hat, konnte ich, als immer noch hart arbeitender Teil der Bevölkerung, leider erst die vierte Vorstellung besuchen. Daher gilt mein besonderer Dank dem Kollegen Frank Becker (Seine Premierenkritik können Sie weiter unten lesen), der sich mitten in der Woche loseisen konnte, und bereits ausgesprochen positiv über den Abend berichtet hat. Endlich, möchte man rufen, denn die Wuppertaler Oper braucht gute Kritiken um aus dem Jammertal, in welches sie durch Ignoranz, Dummheit und Provinzialität ihrer Lokalpolitiker hinein gestoßen wurde, wieder aufzusteigen. Langsam geht es ums Überleben..

Durchweg ausgezeichnet beurteilt wurde diese Stage Production, die in Serie nun bis Anfang Januar fast ununterbrochen läuft, auch von unseren befreundeten Kollegen vom OMM und vom OPERNETZ und in der Lokalpresse.

Den sehr guten Beurteilung der Solisten und des tollen Ensembles kann ich mich nur auf der ganzen Linie anschließen – ebenso großartig und überzeugend würde ich das Sinfonieorchester Wuppertal (mit Gästen) unter der fachkundig jazzigen Leitung von Christoph Wohlleben bewerten. Ganz besonders gefallen haben mir allerdings die hauseigenen Percussionisten: Daniel Häker, Benedict Clemens und Werner Hemm. Den alten Lenny hörte ich im Komponistenhimmel frohlocken "Ja das ist sie – meine herrliche Musik, mein Rhythmus!!"

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Immerhin bildet gerade das aufwendige Schlagwerk die Basis für die vielen Jazznummern und südamerikanischen Rhythmen. In der begnadeten West-Side-Story-Musik begegnen sich neben diversen Musikstilen auch Jazz und Vaudeville. Die Musik zeichnet ein Konglomerat aus Wildheit, Extase und Schmerz – auch heute noch fabelhaft und mitreißend.

Die Frage, ob das Werk noch aktuell bzw. zeitgemäß für ein heutiges Opernhaus gerade im Jahr 2015 ist, stellt sich, angesichts ihrer vielen Hits und den fast poetisch opernhaften Passagen, nicht ernsthaft. Wobei Bernstein den Begriff "Oper" weit von sich wies. Er sprach von einer "Verschmelzung aller Künste. Drama, Musik und Tanz in eine tragischen Musikkomödie". Lenny verwendete meist den Terminus "Show" – heute sprechen wir eher von einem typischen amerikanischen Musical.

Ich finde den Begriff "Oper" aber gar nicht so falsch, denn das Werk ist durchaus opernmäßig orchestriert mit vielen Leitmotiven, zwei Ouvertüren und diversen Zwischenspielen bzw. Ballettauftritten untwerschiedlicher Art, die heute alle unter dem Begriff "Tanztheater" subsumiert werden. Das Hauptmotiv, eben jener Tritonus mit dem der Welthit Maria beginnt, zieht sich wie ein roter Faden durch ganze Werk. Interessant, daß Bernstein diesen Schlager eigentlich schon 1949 für seine ursprünglich angedachtes East Side Street Musical schon komponiert hatte.

Leider ist die Microport-Wiedergabe über die ausgesprochen mittelalterlich klingenden Lautsprecher der Tonanlage des Wuppertaler Opernhauses, deren "Renovierung" man wohl bei der Überarbeitung des Musentempels vor Jahren vergessen hatte, nur suboptimal. Gerade im Mitten- und Tiefenbereich wo es für die Stimmen wichtig ist, klingt die Übertragung recht eng und zugeschnürt. Dafür viel zu scharf und übertrieben in den Höhen. Kann man von den kleinen "Wohnzimmerboxen", die überall im Haus verteilt sind, mehr erwarten? Zeitgemäß ist das nicht.

Das ist sehr schade für die großartigen Sänger, denn Martina Lechner (Maria), Christian Alexander Müller (Tony), Sarah Bowden (Anita) und Christopher Brose (Riff) in den Hauptrollen; sie hätten Besseres verdient. Gerade ihre Interpretation der großen "Hits" sind wirklich hörenswert, und intelligent zeitgemäß, weg vom allzu schnulzigen Touch, präsentiert.

Als großer Bernstein-Fan, besonders der West Side Story, die ja zu den wirklich großen Musicals der 60er Jahre neben Jesus Christ Superstar und Hair gehörte, würde ich allerdings heute eher dafür plädieren das Stück auf 1,5 pausenlose Stunden zu kürzen und die Dialoge so stark wie möglich zu reduzieren.

Ansonsten hat Katja Wolff (Regie) mit ihrem tollen Choreografen Christopher Tölle brillante Arbeit geleistet und man sieht allen Beteiligten auch an, wie viel Freude es macht. Das tänzerische Niveau ist Spitzenklasse! Bravi tutti!

Mit dem etwas billig und pappkartonartig wirkenden Bühnenbild (Gary Gayler) kann ich mich wenig anfreunden, auch wenn die clevere Lichtregie (Pia Virolainen) vieles kaschiert, dafür sind die Kostüme von Heike Seidler himmlisch. Besondere Erwähnung bekommt von mir Vladimir Korneev für die Kampf-Choreografie, die absolut filmreif war. Es lohnt die fahrt nach Wuppertal.

Peter Bilsing 6.12.15

Bilder siehe unterer Bericht von Frank Becker

P.S. als besonderes Schmankerl:

The Making of West Side Story

Orchester Suite "Symphonic Dances"