Wiener Staatsballett am 31.10.2017
MacMillan/McGregor/Ashton – Auf höchstem Niveau
Mit dem neuen Dreiteiler, der ganz unter dem Motto „britische Choreographen“ steht, bot das Wiener Staatsballett eine vielseitige Premiere auf höchstem Niveau.
Zur Eröffnung des Abends wurde „Concerto“ von Sir Kenneth MacMillan getanzt – ein neoklassisches Werk aus den 60er Jahren, welches in erster Linie eine brillante Technik von Solisten und Corps de Ballet abverlangt. Für die (perfekte) Einstudierung zeichnet Julie Lincoln verantwortlich, eine würdige Atmosphäre gibt es dank Deborah MacMillan (Kostüme und Bühne) und John B. Read (Licht). Die Musik dazu ist das Klavierkonzert Nr. 1 in F-Dur von Dmitri Schostakowitsch, erfreulicherweise live – Igor Zapravdin am Flügel, und das Orchester der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Valery Ovsyanikov glänzen durch exaktes Zusammenspiel, genauso wie das Corps de Ballet. Und die Solisten! Geschmeidig und blitzsauber eröffnen Nikisha Fogo und Denys Cherevychko den Abend, sie sind nicht nur technisch vorzüglich, sondern kosten gekonnt und locker ihre Stärken aus, dass der Zuschauer aus dem Staunen nicht mehr herauskommt.
Ein wahrer Genuss ist der Pas de deux im 2. Satz mit Nina Polakova und Roman Lazik. Unumstritten hat Polakova eine hervorragende Technik und meistert die Ansprüche geradezu mühelos, schwebend gelingen alle Hebungen, nicht zuletzt auch dank ihrem kongenialen Partner Lazik; ein harmonisches Paar, dem man wirklich gerne zusieht. Der 3. Satz – der übrigens bei der Uraufführung 1966 in Berlin auch für ein Paar konzipiert war und dann aus Verletzungsgründen zu einem Solo umchoreographiert wurde, welches dauerhaft so beibehalten wurde – ist mit der lieblichen Alice Firenze besetzt, die das Solistenensemble ideal ergänzt. Beeindruckt geht man in die erste Pause.
„EDEN/EDEN“ von Wayne McGregor, welches 2005 in Stuttgart uraufgeführt wurde, entführt das Publikum in eine Welt der Technologie. In den ersten paar Minuten wird ein Film von Ravi Deepres abgespielt, dann tauchen die Tänzer aus der Versenkung auf. Zunächst mit glatzenähnlichen Hauben, und spärlich bekleidet (Kostüme: Ursula Bombshell); zum Schluss des Stücks sind die Haare frei und jeder trägt ein kurzes, hautfarbenes Kleidchen. Die Musik von Steve Reich („Dolly“ aus „Three Tales“ – gemeint ist das Klonschaf Dolly aus den 90er Jahren) wird etwas laut aus der Box wiedergegeben, was auf Dauer mit den intensiven Bässen etwas nervös macht – getanzt wird hervorragend (Einstudierung: Antoine Vereecken). Gerade, wenn man für so ein Werk Solisten mit Persönlichkeit, wie Rebecca Horner hat, die sich in diesem Stil sichtlich wohlfühlt und selbst als Roboter zu faszinieren weiss, oder auch die vielseitige Natascha Mair, deren Part auch einige klassische Elemente (z.B. Fouettés) beinhaltet und im nächsten Moment eine derartige Beweglichkeit an den Tag legt, wie man sie selten sieht. Imponierend ist auch die Wandlungsfähigkeit von Nikisha Fogo und Denys Cherevychko, die noch 20 Minuten zuvor ganz im neoklassischen Stil zuhause waren, und auch Madison Young, Francesco Costa, Masayu Kimoto, Tristan Ridel und Zsolt Török tragen entscheidend zum grossen Erfolg bei.
Nach der zweiten Pause (es ist ganz gut, dass es nach einem intensiven Werk, wie „Eden/Eden“ eine weitere Pause gibt) kommt der Klassikfan ganz auf seine Kosten: „Marguerite and Armand“ von Frederick Ashton, uraufgeführt 1963 am Royal Opera House mit Dame Margot Fonteyn und Rudolf Nurejew, ist 50 Jahre nach seiner Wiener Erstaufführung (ebenfalls mit Fonteyn und Nurejew) wieder nach Wien zurückgekehrt. Ein berührendes, romantisches Werk mit dazu passender, schwelgender Musik von Franz Liszt (Klaviersonate h-moll, arrangiert von Dudley Simpson), die wieder vom Orchester der Wiener Staatsoper und Shino Takizawa am Flügel zum Besten gegeben wird. Liudmila Konovalova hat als Marguerite nicht nur eine stets perfekte Technik, sondern gibt auch viel Gefühl in die Partie der Edelkurtisane, die sich ihrer Schönheit sehr wohl bewusst ist, und sich dennoch ehrlich in Armand verlieben kann; glaubhaft bittet sie Armands Vater (überzeugend: Vladimir Shishov) um seinen Segen zu ihrer Beziehung mit Armand, und nobel wahrt sie die Haltung bei den Hustenanfällen, selbst die Sterbeszene darf auch Eleganz beinhalten. Jakob Feyferlik reüssiert als Armand auf ganzer Linie, mit gerade einmal 21 Jahren legt er eine bewundernswerte Charakterstärke an den Tag, berührt als junger, leidenschaftlich liebender Armand, zudem ist er ein harmonischer Partner für Konovalova; alle Hebefiguren gelingen mühelos und seine Sprünge landen stets weich. In den statistischen Rollen überzeugen neben Vladimir Shishov auch Alexis Forabosco (Herzog) und Franziska Wallner-Hollinek (Zofe).
Kurz: Sehenswert und hörenswert!
Folgevorstellungen: 3., 6., 10. November 2017, 8., 9., 12. Juni 2018
Katharina Gebauer 6.11.2017
Bilder (c) Staatsballett