Uraufführung Premiere 26. Oktober 2018
Othello X ist ein Auftragswerk, welches der Regisseur Nuran David Calis für das Theater Basel schrieb. Dramaturgie und Handlung lehnen sich stark an das Original an. Seine Personen haben dieselben Namen wie bei Shakespeare. Der neu verfasste Text jedoch trägt die Shakespearsche Handlung nur zu einem Teil. Zu gesucht, künstlich ist die Sprache, welche der Strassensprache von heute angepasst sein soll. Im Original ist gerade Othello eigentlich ein einfacher, gradliniger Mensch, welcher als das was er ist, akzeptiert werden möchte: Sprecht von mir, wie ich bin, verkleinert nichts, noch setzt in Bosheit zu. Dann müsst Ihr melden von einem, der nicht klug, doch zu sehr liebte, Nicht leicht argwöhnte, doch einmal erregt….
Dazu kommt, dass die Ausgrenzung Othellos, seine Stigmatisierung mit einer Maske (Gigers Aliens lassen grüssen) aufgepfropft wirkt. Die Regie begründet dies mit dem fehlenden, schwarzen Schauspieler. Auch die Beschriftung Othellos im Prolog mit rassistischen Ausdrücken ändert nichts.
So vordergründig, so primitiv ist der Rassismus nur auf der Strasse. Wenn die Regie Rassismus anprangern will, dann muss dies subtiler geschehen. Keine Zuschauerin, kein Zuschauer wird sich so betroffen fühlen. Diese vordergründige, primitive Zurschaustellung von Ausgrenzung geschieht nur in der anonymen Masse, am Stammtisch unter seinesgleichen, im sozio-ökonomischen Bereich der unterprivilegierten, bildungsfernen Schichten. Wobei anzumerken ist, dass die unterschwellige Art der Beeinflussung durch Jago im Text hervorragend zum Ausdruck kommt. Gesamthaft gesehen habe ich das Gefühl, dass dieselbe Inszenierung mit dem Originaltext wirkungsvoller gewesen wäre, sofern Othello anders präsentiert wird.
Die Interpretation Othellos durch Simon Zagermann ist innerhalb dieser Inszenierung hervorragend. Leider geht viele seiner Emotionen durch die erwähnte Maske verloren. Thiemo Strutzenberger spielt den perfiden Jago mit Bravour, seine bösartigen Einflüsterungen, seine Verleumdungen überzeugen über weite Strecken. Liliane Amuat interpretiert stringent und wortgewaltig die sehr selbstbewusste Desdemona.
Ihre Zuneigung, ihre Liebe zu Othello jedoch ist allgegenwärtig.
Die Rolle der Emilia, gegeben von Pia Händler wirkt in dieser Inszenierung nebensächlich, obgleich von Händler sehr gut dargeboten. Dasselbe gilt für Cassio, auf der Bühne sahen wir Florian Jahr. Als Bianca, bei Calis eine Reporterin, überzeugte Steffi Friis ebenso wie Urs Peter Halter als Rodrigo. Den Senator gab Thomas Reisinger.
Es ist im gesamten gesehen schwierig, die Leistung der Schauspielerinnen und Schauspieler abschliessend zu beurteilen. Jeder der Darsteller, jeder Darstellerin wurde, anscheinend einem modernen Trend folgend, verstärkt, das heisst der gesamte Text war über Lautsprecher zu hören. Dies ist dramaturgisch unnötig und verunmöglicht stark die Beurteilung der darstellerischen Leistung. Gute SchauspielerInnen, und in Basel haben wir hervorragende Künstler, können laut flüstern und leise schreien, sind nicht auf Mikrophone angewiesen. Die Scheiben im Direktionsbüro und im Othello-Kasten haben dramaturgische keinen Sinn und sind daher unnötig, erzwingen aber den Einsatz von Mikrophonen. Diese sollten nur eingesetzt werden, wenn dies innerhalb der Handlung Sinn macht, so zum Beispiel im Musical/ in der Operette bei Gesangseinlagen!
Gesamthaft gesehen hinterlässt Othello X einen zwiespältigen Eindruck: Die schauspielerische Leistung ist sehr gut, mit der obenerwähnten Einschränkung. Regie und Personenführung lassen einige Wünsche offen. Die Sichtweise des Regisseurs auf das Werk wird nicht von Dauer sein. Wenn ein Regisseur seine Ideen, aus welchen Gründen auch immer, nicht verwirklichen kann, wäre es mutiger, den Auftrag zurückzugeben.
Das Premierenpublikum belohnte diese Uraufführung mit verdientem Applaus, dies vor allem für die Schauspielerinnen und Schauspieler auf der Bühne.
Bilder (c) Theater Basel
Peter Heuberger 28.10.2018